| # taz.de -- Medienfreiheit in Russland: Dekodieren nicht mehr erwünscht | |
| > Russland stuft die deutschsprachige Medienplattform „dekoder“ als | |
| > „unerwünschte Organisation“ ein. Die will weitermachen, aber es wird | |
| > schwerer. | |
| Bild: Der russische Präsident Putin im Kreml in Moskau | |
| Moskau taz | Sie hatten es erwartet, hatten Szenarien entwickelt, es immer | |
| wieder durchgesprochen, wenn es denn „so“ kommen könnte. Nun ist es „so�… | |
| gekommen: [1][dekoder] ist am vergangenen Freitag vom russischen | |
| Generalstaatsanwalt – wie bereits etliche deutsche Organisationen zuvor – | |
| zu einer „unerwünschten ausländischen Organisation“ erklärt worden. | |
| Die deutsche Medien-Internetplattform, die Texte von russischen und | |
| belarussischen Journalist*innen ins Deutsche übersetzt, diese mit | |
| Beiträgen von russischen und auch europäischen Wissenschaftler*innen | |
| versieht und so für die Leser*innen in Deutschland – vor allem für | |
| solche, die kein Russisch und Belarussisch können – die jeweiligen Länder | |
| entschlüsselt, dekodiert eben, gefährdet in den Augen des russischen | |
| Staates die politische Stabilität und Souveränität Russlands wie auch die | |
| öffentliche Ordnung, Gesundheit und die Moral der Russ*innen. So steht es | |
| im [2][Gesetz, mit dem das Regime Putin seit 2015 gegen unliebsame | |
| Organisationen vorgeht]. | |
| Zunächst waren es zwölf [3][ausländische Organisationen], vor allem aus den | |
| USA. Mittlerweile wird die Liste jede Woche länger. Mehr als 160 Namen | |
| stehen darauf, es sind US-amerikanische, britische, polnische, ukrainische, | |
| auch deutsche Organisationen wie die [4][Heinrich-Böll-Stiftung], die | |
| Friedrich-Naumann-Stiftung, die Friedrich-Ebert-Stiftung, die Deutsche | |
| Gesellschaft für Osteuropakunde (DGO), das Zentrum für Osteuropa- und | |
| internationale Studien (ZOiS), das Zentrum Liberale Moderne (LibMod), das | |
| Lew Kopelew Forum. | |
| Der Stempel des „Unerwünschten“ prangt zwar auf ausländischen Projekten, | |
| doch die Brandmarkung trifft vor allem russische Partnerorganisationen, sie | |
| trifft die russische Zivilgesellschaft als solches und kappt den Austausch | |
| zwischen den Ländern. | |
| ## Die Vielfalt geht verloren | |
| Wer als russische*r Staatsbürger*in für eine als „unerwünscht“ | |
| geächtete Organisation arbeitet, macht sich strafbar. Ihr oder ihm drohen | |
| bis zu vier Jahre Haft. Da überlegt sich jede*r mehrmals, ob er oder sie | |
| sich exponieren will und sei es nur mit einem Text über einen russischen | |
| Schriftsteller. | |
| „Mein erster persönlicher Gedanke, nachdem die Nachricht in der Welt war: | |
| Schaden wir damit nun unserem privaten Umfeld in Russland?“, sagt Julian | |
| Hans, Redakteur bei dekoder. Für die Arbeit an sich werde sich wenig | |
| ändern, zumal viele Journalist*innen und Wissenschaftler*innen, mit | |
| denen dekoder zusammenarbeitet, mittlerweile selbst als „ausländische | |
| Agenten“ oder ebenfalls als „unerwünschte Organisation“ gelten und nicht | |
| mehr in Russland arbeiten. | |
| Und doch gehe etwas verloren: die Vielfalt. dekoder verschickte sofort | |
| einen Brief an die Mitarbeiter*innen, Spender*innen, | |
| Unterstützer*innen. „Die Sicherheit eines jeden hat für uns Priorität. | |
| Wir werden nun auf einige Texte verzichten müssen, das ist natürlich | |
| schade, aber gefährden wollen wir niemanden“, sagt Hans. | |
| Manche Wissenschaftler*innen haben dekoder bereits gebeten, ihre | |
| veröffentlichten Texte von der Seite zu nehmen oder diese zu anonymisieren. | |
| Oft sind es keine politischen Texte, das Instrument der Angst greift | |
| dennoch. Niemand weiß, wie das Gesetz ausgelegt wird. | |
| „Mit der Einstufung als ‚unerwünschte ausländische Organisation‘ haben … | |
| russischen Behörden ein weiteres Mal gezeigt, dass sie keine Informationen | |
| dulden, die von der staatlich vorgegebenen Linie abweichen“, heißt es in | |
| einer Mitteilung von dekoder. | |
| 4 Jun 2024 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.dekoder.org/ | |
| [2] /Repression-in-Russland/!5200631 | |
| [3] /Deutsche-NGO-in-Russland-verboten/!5499573 | |
| [4] /NGO-Mitarbeiterin-zur-Arbeit-in-Russland/!5848015 | |
| ## AUTOREN | |
| Inna Hartwich | |
| ## TAGS | |
| Russland | |
| Schwerpunkt Pressefreiheit | |
| Zensur | |
| Social-Auswahl | |
| Schwerpunkt Krieg in der Ukraine | |
| Russland | |
| Lesestück Recherche und Reportage | |
| Schwerpunkt Europawahl | |
| D-Day | |
| Russland | |
| Schwerpunkt Krieg in der Ukraine | |
| Wladimir Putin | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| +++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++: Tote bei Angriff auf Mykolajiw | |
| Durch einen russischen Angriff wurde in Mykolajiw eine Frau getötet und 23 | |
| Menschen verletzt. Russland fordert von Shell über eine Milliarde Euro | |
| Schadensersatz. | |
| US-Journalist vor Gericht in Moskau: Faustpfand für Putin | |
| Evan Gershkovich steht in Jekaterinburg wegen angeblicher Spionage vor | |
| Gericht. Putin möchte mit dem Prozess einen Gefangenenaustausch erzwingen. | |
| Bücherverbote in den USA: Amerikas schlechte Seiten | |
| Immer häufiger werden in den USA missliebige Inhalte aus Bibliotheken und | |
| Schulen entfernt. Auch die „Moms for Liberty“ wollen einiges verbieten. | |
| Analyst über prorussische Desinformation: „Sowas haben wir noch nie gesehen�… | |
| Vor den EU-Wahlen haben Forscher:innen neue Methoden von Desinformation | |
| dokumentiert. Der Analyst Saman Nazari erklärt, was man dagegen tun kann. | |
| 80 Jahre D-Day: Weltkriegs-Sightseeing ohne Putin | |
| Die Schauplätze des D-Days sind zu Tourispots geworden. Am Gedenktag zeigt | |
| sich, dass die Alliierten von gestern nicht die Verbündeten von heute sind. | |
| Russische Medien im Exil: Meduza ist in Russland „unerwünscht“ | |
| Das Webportal, das bereits „ausländischer Agent“ ist, wird jetzt in | |
| Russland komplett verboten. Nicht nur Journalist*innen drohen | |
| drakonische Strafen | |
| NGO-Mitarbeiterin zur Arbeit in Russland: „Sehe alles sehr pessimistisch“ | |
| Russland will die Heinrich-Böll-Stiftung für „unerwünscht“ erklären. Das | |
| hätte weitreichende Folgen, sagt Stefanie Harter, die das Moskauer Büro | |
| leitet. | |
| Deutsche NGO in Russland verboten: Schlag gegen Wahlbeobachter | |
| Die verbotene EPDE muss ihre Kooperation mit russischen Wahlbeobachtern | |
| einstellen. Unterstützung kommt von der Bundesregierung. |