| # taz.de -- Deutschland will Kampfpanzer liefern: Fehlender Zweifel ist gefähr… | |
| > Bundeskanzler Olaf Scholz hat sich entschieden, Leopard-2-Panzer an die | |
| > Ukraine zu liefern. Das ist eine schwierige, aber richtige Entscheidung. | |
| Bild: Wird wohl demnächst auch in der Ukraine durch den Schlamm rollen: der de… | |
| Deutsche Panzer rollen für den Sieg? Wenn das nur so einfach wäre. Nein, | |
| die Lieferung von ein paar Leopard-2-Panzern wird der Ukraine nicht den | |
| Sieg gegen Russland bescheren. Das zu behaupten, beruht entweder auf | |
| Unkenntnis über die schlechte militärische Lage oder Scharlatanerie. | |
| Tatsächlich ist die Ukraine in einer Situation, in der sie neues | |
| militärisches Material dringend braucht, um den Krieg gegen Russland nicht | |
| zu verlieren. Das ist ein wesentlicher Unterschied. | |
| Dass es sich Bundeskanzler Olaf Scholz – anders als die gelb-grün-schwarze | |
| Salonfeldherr:innen-Fraktion um [1][Agnes Strack-Zimmermann], Anton | |
| Hofreiter und Friedrich Merz – nicht so leicht mit seiner Entscheidung | |
| gemacht hat, war angemessen. Sehr genau abzuwägen, was dem jeweiligen | |
| Kriegsverlauf entsprechend an Unterstützung der Ukraine notwendig, sinnvoll | |
| und verantwortbar ist, ist genau das, was die Bürgerinnen und Bürger von | |
| ihrem Regierungschef verlangen können. | |
| Waffenlieferungen sind nichts, über das öffentlich auf einem Basar | |
| gefeilscht werden sollte, sondern sie bedürfen sehr sorgsamer politischer | |
| und militärischer Abwägung. [2][Jetzt hat Scholz seine Entscheidung in | |
| Abstimmung mit den USA getroffen]. Und die ist – auch wenn dieses | |
| Zugeständnis jemandem, der in der Friedensbewegung sozialisiert wurde, | |
| äußerst schwerfällt – unter den gegebenen Verhältnissen wohl richtig. Denn | |
| die Lieferung bedeutet keine Eskalation des Krieges, sondern sie steigert | |
| die Chance, dass die Ukraine nicht von Russland okkupiert wird. Der Kampf | |
| bleibt auch so noch schwer genug, der Ausgang des Krieges ist völlig offen. | |
| Gleichwohl werden die Panzerlieferungen des Westens die bittere Folge | |
| haben, dass Russland den Krieg weiter eskalieren wird. Denn das entspricht | |
| der russischen Militärstrategie. Das muss jedem und jeder bewusst sein. Die | |
| Konsequenz daraus kann allerdings nur sein, zum Schutz der Menschen in der | |
| Ukraine so viele Flugabwehrsysteme wie möglich zu liefern. Auch wenn es | |
| sekundär in der öffentlichen Diskussion erscheint, ist das für die Menschen | |
| in der Ukraine noch wesentlich wichtiger als die Lieferung von | |
| irgendwelchen Panzern. | |
| ## Putins „rote Linie“ | |
| Wenn die USA und die Staaten der Europäischen Union ihre militärische | |
| Unterstützung nicht ausweiten, ist die Ukraine verloren. So einfach ist | |
| das. Leider. Zu behaupten, mit der Lieferung von Kampfpanzern westlicher | |
| Bauart würde eine „rote Linie“ überschritten, ist dabei eine lächerlich | |
| formalistische Argumentation, die einerseits die bisherigen umfangreichen | |
| deutschen Lieferungen an die Ukraine ausblendet, zum anderen unangemessen | |
| überheblich ist, weil es die Kampfkraft der zahlreichen Kampfpanzer | |
| sowjetischer Provenienz im ukrainischen Einsatz unterschätzt. Das Problem | |
| ist nur, dass in dem gegenwärtigen Abnutzungskrieg deren Einsatzfähigkeit | |
| zur Neige geht. | |
| Wie auch immer: Putin definiert seine „rote Linie“ rein nach Gutdünken. Die | |
| Entscheidung, Kampfpanzer aus deutscher Produktion in eine Kriegsregion zu | |
| liefern, darf nie eine einfache sein, schon gar nicht, wenn es um ein | |
| Gebiet geht, in dem einst die deutsche Wehrmacht gewütet hat. Vor dem | |
| Hintergrund der deutschen Vergangenheit ist es auch völlig legitim, wenn | |
| [3][die Linkspartei] lautstark Waffenlieferungen gänzlich ablehnt. | |
| Wobei jeder und jede, der oder die für immer mehr und immer schwerere | |
| Waffenlieferungen eintritt, sich ohnehin bewusst sein sollte, dass er oder | |
| sie auf Kosten vieler ukrainischer Menschenleben falsch liegen kann. | |
| Fehlender Zweifel ist in Kriegszeiten höchst gefährlich. Und immerhin | |
| entspricht die [4][Ablehnung immer weitergehender Waffenlieferungen] der | |
| Auffassung eines großen Teils der deutschen Bevölkerung, die ernst zu | |
| nehmen ist. Das beruht vor allem auf der Angst, Deutschland könnte in den | |
| Krieg gezogen zu werden. | |
| Zur Wahrheit gehört: Niemand im Westen weiß, was und wo Putins „rote Linie�… | |
| ist. Russland hat die Kapazitäten, mit seinen Atomwaffen die Welt zu | |
| zerstören. Dass der Kampf um die Ukraine Putin zur Vernichtung der | |
| Menschheit treiben könnte, ist allerdings mehr als unwahrscheinlich – aber | |
| gleichwohl leider nicht undenkbar. Gerade diejenigen, die ihn zu einem | |
| „Irren“ erklären, mit dem nicht mehr verhandelt werden könnte, sollten ein | |
| solch irrationales Handeln nicht von vorneherein ausschließen. So | |
| unbefriedigend es ist, es bleibt nichts anderes, als Wahrscheinlichkeiten | |
| abzuwägen. | |
| ## Auch Atommächte können verlieren | |
| Dazu zählt, dass die Argumentation der Linkssfraktionsvorsitzenden Amira | |
| Mohamed Ali im Gleichklang mit Sahra Wagenknecht mehr als fragwürdig ist, | |
| eine Atommacht könne generell keinen Krieg verlieren. Das erscheint schon | |
| arg putinpropagandistisch. Denn, und das müssten beide wissen, es ist | |
| historisch schlicht falsch: Die Niederlagen der USA in Vietnam und der | |
| Sowjetunion sowie der [5][USA in Afghanistan] sind schlagende | |
| Gegenbeispiele. | |
| Gut und richtig ist das Insistieren der Linkspartei auf ein stärkeres | |
| deutsches Engagement für eine Verhandlungslösung. Aber dabei darf nicht | |
| ignoriert werden, dass es zuvorderst Russland ist, das keinerlei ernsthafte | |
| Verhandlungsbereitschaft erkennen lässt. Stattdessen propagiert das | |
| Putin-Regime unverdrossen, an seinen imperialistischen Kriegszielen ohne | |
| Abstriche festzuhalten, also an der Unterwerfung der Ukraine. | |
| Einer größeren [6][Glaubwürdigkeit der Linkspartei] würde es zudem dienen, | |
| wenn sie sich unabhängig von der Frage der Waffenlieferungen unzweideutig | |
| auf die Seite der Überfallenen stellen würde und stets zuvorderst den | |
| vollständigen Rückzug Russlands aus der Ukraine fordern würde. Unabhängig | |
| davon, ob man es für realistisch hält. Es geht schlicht um eine klare | |
| Haltung. Und daran mangelt es Wagenknecht & Co. | |
| Wer meint, wie unlängst die Linkspartei-Abgeordnete und Wagenknecht-Getreue | |
| Sevim Dagdelen, die Befürwortung deutscher Waffenlieferungen sei | |
| vergleichbar mit der Zustimmung der SPD zu den Kriegskrediten 1914, steht | |
| jedenfalls zumindest ideologisch im Sold des faschistoiden Putin-Regimes. | |
| Ja, es stimmt, dass an jedem Tag, an dem dieser Krieg noch andauert, | |
| zahlreiche Menschen ihr Leben verlieren. Aber was ist die Konsequenz | |
| daraus? Dass die Ukraine schnellstmöglich kapitulieren soll? Zu keinem | |
| Zeitpunkt wären Linke auf die Idee gekommen, vom Vietkong zu fordern, sich | |
| den USA zu unterwerfen. Obwohl bis zu vier Millionen Menschen letztlich im | |
| Vietnamkrieg ihr Leben verloren haben. Davon sind wir im Ukraine-Krieg noch | |
| weit entfernt. | |
| ## Bittere Ambivalenz | |
| Um noch weiter zurückgehend die Geschichte zu bemühen: Wie wäre der Kampf | |
| um die Freiheit in Spanien ausgegangen, wenn nicht nur Ernest Hemingway, | |
| George Orwell und André Malraux die spanische Republik im Kampf gegen | |
| Franco unterstützt hätten, sondern auch militärisch ihre Regierungen in den | |
| USA, Großbritannien und Frankreich? | |
| Und deutsche Kommunist:innen wären nie auf die Idee gekommen, die | |
| demokratischen Kräfte zur Aufgabe aufzufordern, weil der Widerstand gegen | |
| den spanischen Faschismus zu viele Tote kosten würde. Stattdessen kämpften | |
| sie in den Interbrigaden. Selbst dann noch, als es bereits aussichtslos | |
| war. | |
| Jeder Mensch, der im Ukraine-Krieg sein Leben verliert, ist einer zu viel. | |
| Deswegen sollte, ja muss die Bundesregierung alles unternehmen, damit | |
| dieser Krieg so schnell wie möglich endet. Ohne dabei jedoch der Ukraine in | |
| den Rücken zu fallen. Denn das ist die bittere Ambivalenz: Es kann keine | |
| linke Position sein, die Überfallenen einfach aufzugeben, auch wenn das ihr | |
| Leben kosten kann. | |
| Die Menschen in der Ukraine haben das Recht, für ihre Freiheit zu kämpfen. | |
| Nur sie können darüber entscheiden, zu welchen Opfern sie bereit sind. So | |
| bitter das ist, rechtfertigt das auch jetzt die Lieferung von deutschen | |
| Kampfpanzern. Das ersetzt selbstverständlich in keiner Weise diplomatische | |
| Bemühungen. So wenig aussichtsreich es auch derzeit erscheinen mag, muss | |
| darauf der Schwerpunkt liegen. Russland muss zur Einsicht gebracht werden, | |
| dass es diesen Krieg beendet und die Vorkriegsgrenzen akzeptiert. | |
| Aber auch das gehört leider zur Wahrheit: Dieser Krieg kann noch lange | |
| dauern und viele Menschenleben kosten. Nur: Nichts wäre gewonnen, wenn | |
| Russland ihn gewinnen würde. Das bedeutet auch: Eine Friedensbewegung, die | |
| diesen Namen verdient, muss ihre Forderung „Stoppt den Krieg!“ an den | |
| richten, der ihn angefangen hat und ihn unerbittlich weiterführt. Wer dazu | |
| nicht bereit ist, ist Kriegspartei. Auf der Seite Putins. Da gibt es kein | |
| Vertun. | |
| 25 Jan 2023 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Die-Wahrheit/!5907641 | |
| [2] /Waffenlieferungen-an-die-Ukraine/!5911399 | |
| [3] /Waffenlieferungen-aus-Deutschland/!5905483 | |
| [4] https://www.tagesschau.de/inland/deutschlandtrend/deutschlandtrend-3255.html | |
| [5] /Nach-dem-Abzug-aus-Afghanistan/!5794272 | |
| [6] /Linkspartei-in-der-Existenzkrise/!5845373 | |
| ## AUTOREN | |
| Pascal Beucker | |
| ## TAGS | |
| Leopard-Panzer | |
| Panzer | |
| Schwerpunkt Krieg in der Ukraine | |
| Russland | |
| Wladimir Putin | |
| Olaf Scholz | |
| Sahra Wagenknecht | |
| GNS | |
| Leopard-Panzer | |
| Vietnamkrieg | |
| Leopard-Panzer | |
| Schwerpunkt Krieg in der Ukraine | |
| Schwerpunkt Krieg in der Ukraine | |
| Schwerpunkt Krieg in der Ukraine | |
| Schwerpunkt Krieg in der Ukraine | |
| Schwerpunkt Krieg in der Ukraine | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Politik in Krisenzeiten: Besser mal zögern | |
| Unter Zeitdruck werden selten kluge politische Entscheidungen getroffen. | |
| Eine Verteidigung eines in Ungnade gefallenen Politikstils. | |
| Pariser Abkommen vor 50 Jahren: „Solidarität hilft siegen!“ | |
| 1973 mussten die USA dem Abzug ihrer Truppen aus Vietnam zustimmen. Das war | |
| der Anfang vom Ende eines Krieges, der viele Menschen politisiert hat. | |
| Kampfpanzerlieferungen in die Ukraine: Das Wendemanöver des Kanzlers | |
| Olaf Scholz begründet im Bundestag, warum Deutschland doch Kampfpanzer nach | |
| Kyjiw liefert. Und versucht die Angst vor einer Eskalation zu besänftigen. | |
| Russlands Reaktion auf Leopard-Zusage: „Diese Panzer werden brennen“ | |
| Russlands Propagandist*innen sind außer sich. Nach der deutschen | |
| Zusage für Leopardpanzer an die Ukraine solle nun Deutschland denazifiziert | |
| werden. | |
| +++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++: Kyjiw lobt „Panzer-Doppelwumms“ | |
| Die Ukraine wünscht sich „ein mächtiges Panzer-Bündnis“ und die Lieferung | |
| von mehr Kampfpanzern. Russland bezeichnet die Freigabe von Leopard 2 als | |
| Provokation. | |
| Waffenlieferungen an die Ukraine: Die Panzer kommen ins Rollen | |
| Laut Medienberichten wollen die USA und auch Deutschland der Ukraine nun | |
| doch Kampfpanzer zur Verfügung stellen. FDP und Grüne erleichtert, Linke | |
| enttäuscht. | |
| Leopard-2-Lieferungen: Polen stellt die Panzerfrage | |
| Polen beantragt eine Exportgenehmigung für Leopard-Panzer. | |
| Verteidigungsminister Pistorius rät Exportstaaten, Schulung von Soldaten zu | |
| starten. | |
| SPD-Chef zu Waffenlieferungen: „Es gibt keine roten Linien“ | |
| Lars Klingbeil verteidigt Olaf Scholz’ Haltung bei den Leopard-2-Panzern. | |
| Eine Eskalation des Kriegs durch deren Lieferung hält er für | |
| unwahrscheinlich. |