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# taz.de -- Spekulationen nach Todesfall in China: Was geschah mit Hu Xinyu?
> Der Suizid eines Jugendlichen in China zeigt das Misstrauen der Menschen
> gegenüber dem Staat. Eine Pressekonferenz zum Fall verfolgen Millionen.
Bild: Das Schulgebäude in der Provinz Jiangxi, wo Hu Xinyu am Sonntag tot aufg…
Peking taz | Seit Wochen beschäftigt die Chinesen keine andere Nachricht
stärker als der tragische Tod des 15-jährigen Hu Xinyu. Über 100 Tage war
der Jugendliche aus der südlichen Provinz Jiangxi spurlos verschwunden, ehe
er am Sonntag nur wenige Meter von seiner Schule entfernt tot aufgefunden
wurde. Seither rätselt Chinas Internetgemeinde: Was ist passiert?
Am Donnerstagmorgen rief die Lokalregierung schließlich zur
Pressekonferenz. Bemüht, die [1][Debatten der letzten Wochen] ein für
allemal zu beenden, gab der örtliche Polizeichef Hu Mansong ungewohnt
selbstkritische Einblicke in die Arbeit seiner Behörde: Er entschuldigte
sich dafür, dass man den vermissten Schüler erst nach über drei Monaten
gefunden habe. Doch es stünde fest, dass es sich um einen Suizid handle. Hu
Xinyu habe unter psychischen Problemen gelitten und nicht die notwendige
Hilfe erhalten.
Allein auf dem Livestream des Staatsfernsehens verfolgten bis zu zehn
Millionen User die Pressekonferenz, die – wie praktisch alle öffentlichen
Auftritte der Regierung in China – [2][bis zur letzten Silbe
durchchoreografiert] war.
Der Fall Hu Xinyu hat vor allem deshalb für so viel Aufmerksamkeit gesorgt,
weil viele Chinesen eben nicht an die offizielle Version der Geschehnisse
glauben. Zu viele Fragen bleiben offen: Wie kann es sein, dass Hus
Verschwinden erst nach über 100 Tagen geklärt wird, wo doch allein im
Schulgebäude 119 Überwachungskameras installiert sind? Warum wurde er in
einem kleinen Waldstück gefunden, das laut Angaben der Polizei bereits
viermal zuvor durchsucht wurde? Sogar Tausende freiwillige Helfer hatten
sich den Suchaktion angeschlossen, und wurden von Spürhunden, Drohnen und
Wärmebildkameras unterstützt.
## In hundert Millionen Postings wurde debattiert
Jeden Tag verschwinden in der Volksrepublik – einem Land mit 1,4 Milliarden
Menschen – weit über tausend Personen. Doch Hu Xinyus Fall war besonders:
Es traf einen Jugendlichen, der eine elitäre und teure Mittelschule
besuchte. Und dessen Verschwinden, so sollen es Hu Xinyus Eltern behauptet
haben, von der Polizei nur widerwillig aufgearbeitet wurde.
Viele Internetnutzer spekulierten, dass der Schüler möglicherweise Opfer
eines [3][illegalen Organraubs] wurde. Andere hielten gar einen vertuschten
Mord für möglich, manche glaubten an eine Entführung. In mehreren Hundert
Millionen Postings wurde der Fall des toten Jugendlichen debattiert, kein
anderes Thema erhitzte die Gemüter der Chinesen stärker. Es dauerte nicht
lange, bis die Zensoren einschritten.
Wahrscheinlich sind die Theorien der Internetnutzer nichts weiter als
Verschwörungen. Die Beweislage scheint eindeutig: Hu Xinyu hatte laut
Angaben der Polizei ein Aufnahmegerät bei sich, auf dem er seine suizidalen
Gedanken in zwei Sprachnachrichten festgehalten hatte.
Doch das tragische Schicksal des verstorbenen Jugendlichen zeigt auf, welch
ein tiefes Misstrauen viele Chinesen gegen die staatlichen Autoritäten
hegen. Zu viele Skandale und Vertuschungsaktionen gab es in den letzten
Jahren, insbesondere auf Kommunalebene.
Und nicht zuletzt trägt der [4][Zensurapparat] zur Paranoia bei: Täglich
werden bei sensiblen Themen Tausende Kommentare und Berichte gelöscht, die
nicht dem Regierungsnarrativ entsprechen – wobei die Wahrheit an sich dabei
keine Rolle spielt. Die Partei hat ein Vertrauensproblem, das sie sich
selbst zuschreiben muss. Denn wer ein ums andere Mal lügt, dem glaubt man
selbst dann nicht, wenn er die Wahrheit sagt.
2 Feb 2023
## LINKS
[1] https://www.whatsonweibo.com/what-happened-to-hu-xinyu-disappearance-and-de…
[2] /Proteste-in-China/!5897272
[3] https://www.zeit.de/zustimmung?url=https%3A%2F%2Fwww.zeit.de%2Fpolitik%2Fau…
[4] /Freedom-on-the-Net-Report/!5885807
## AUTOREN
Fabian Kretschmer
## TAGS
China
Suizid
Kriminalität
Zensur
Verschwörung
Meinungsfreiheit
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Kolumne Fernsicht
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