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# taz.de -- Nach Spionageballon über USA: Blinken sagt Chinabesuch ab
> US-Außenminister Anthony Blinken hat seine Reise abgesagt. Zwischen
> Peking und Washington herrscht grundsätzlich dicke Luft.
Bild: US-Außenminister Antony Blinken hat seine China Reise abgesagt
Peking taz | Keine 48 Stunden, bevor Anthony Blinkens Regierungsmaschine in
Peking landen sollte, verschiebt der US-Außenminister seine Reise. Der lang
erwartete Besuch Blinkens wurde im Vorfeld von einem handfesten Skandal
erschüttert: Das Pentagon hatte einen [1][chinesischen Spionageballon] über
dem nordwestlichen Bundesstaat Montana entdeckt, unweit eines
Militärstützpunktes mit atomaren Interkontinentalraketen. Das Wall Street
Journal schrieb von „einem der aggressivsten Manöver der chinesischen
Geheimdienste seit Jahren“.
An den – nun verschobenen – ersten China-Besuch eines US-Außenministers
seit 2018 hatten viele Experten hohe Erwartungen. Denn die Fallhöhe ist
immens: In den letzten Jahren ist die Beziehung zwischen den zwei führenden
Weltmächten derart rasant eskaliert, dass ein militärischer Konflikt als
mögliches Szenario wieder im Denkbaren liegt. Insofern gilt die bloße
Gesprächsbereitschaft beider Seiten bereits als diplomatischer
Hoffnungsschimmer.
Über Blinkens zweitägigen Aufenthalt war im Vorfeld grundsätzlich wenig
bekannt. Laut informierten Quellen in Peking hätte sein Flieger am
Sonntagvormittag landen sollen, gefolgt von einem Briefing in der
US-Botschaft hinter verschlossenen Türen. Ein Treffen mit dem ehemaligen
Außenminister Wang Yi und seinem Nachfolger Qin Gang – ehemaliger
Botschafter in Washington – galt als gesetzt. Ob sich Staatschef Xi Jinping
die Ehre geben würde, war nicht bestätigt.
Doch kein noch so konstruktives Gespräch hätte die Differenzen zwischen den
zwei Staaten substanziell kitten können. Schließlich hat sich Washingtons
Frust gegenüber Peking seit mehreren Jahrzehnten aufgestaut: Unter Bill
Clinton dominierte zwar noch die Hoffnung, China werde sich im Zuge des
wirtschaftlichen Aufstiegs auch politisch öffnen. Während Barack Obamas
Amtszeit hat sich jedoch schnell herausgestellt, dass dies bloßes
Wunschdenken war. Donald Trump schließlich leitete endgültig die Wende im
Umgang mit der Volksrepublik ein – mit harter Rhetorik und einem
aggressiven Handelskrieg. Joe Biden mag den Tonfall zwar wieder gezähmt
haben, doch inhaltlich führt er den Konfrontationskurs weiter: Die jüngsten
[2][Technologieverbote gegenüber chinesischen Unternehmen] zeugen davon.
## Washingtons Kurs verschärft Wagenburgmentalität Pekings
Dabei birgt die US-Strategie durchaus große Gefahren – nicht zuletzt, weil
auch die US-Alliierten im Indo-Pazifik wenig Interesse haben, von
Washington in den geopolitischen Konflikt mit hineingezogen zu werden. Denn
die Volksrepublik China ist für Südkorea, Japan und Taiwan nicht nur
Konkurrenz und Bedrohung, sondern gleichzeitig auch ihr wichtigster
Handelspartner.
Zudem verschärft Washingtons Kurs auch die ohnehin bereits paranoide
Wagenburgmentalität in Peking. Xi Jinping und seine loyalen Gefolgsleute
sind der festen Überzeugung, dass die Vereinigten Staaten mit allen Mitteln
versuchen werden, den chinesischen Aufstieg zu verhindern. Sie setzen –
auch als Gegenreaktion – vor allem darauf, die eigene Volkswirtschaft
autarker zu gestalten und möglichst wenig Angriffsfläche für westliche
Sanktionen zu bieten. Aus diesem Grund steigert die Regierung jedes Jahr
auch ihre Budgets für Forschungslabore und Halbleiter-Fabriken.
Langfristig bieten die US-chinesischen Beziehungen also wenig Spielraum für
einen grundlegenden Durchbruch. Kurzfristig jedoch gibt es dieser Tage ein
„günstiges Zeitfenster“: China hat nach fast drei Jahren „Null Covid“,
einer anhaltenden Immobilienkrise und rekordhoher Jugendarbeitslosigkeit
große Anreize, die USA um einen bilateralen Neustart zu bitten – nicht so
sehr aus Überzeugung, sondern vielmehr aus ökonomischer Notwendigkeit: Man
möchte die Handelsbeziehungen intakt halten und weitere Sanktionen
abwenden.
Nur so ist die aktuelle Charme-Offensive chinesischer Regierungsvertreter
zu verstehen, die vor allem eine Botschaft in die Welt hinaus tragen soll:
Das Land ist wieder geöffnet, und man steht auch als zuverlässiger
Geschäftspartner wieder in den Startlöchern.
## Bei Kernthemen wie Taiwan will sich China nicht bewegen
Doch schlussendlich können jene Avancen nicht darüber hinwegtäuschen, dass
China in sämtlichen Kernfragen keinerlei Spielraum für Kompromisse
signalisiert: Die [3][Taiwan-Frage] bleibt laut Peking eine rein
inner-chinesische Angelegenheit, an der Nähe zu Russland gibt es kein
Rütteln, und [4][sämtliche Menschenrechtsfragen] sind Lügen westlicher
Medien.
Wie unüberbrückbar die Differenzen sind, wird vor allem beim Thema
Ukraine-Krieg deutlich. Erst Ende Januar ließ das Außenministerium in
Peking ausrichten: „Die Vereinigten Staaten sind diejenigen, die die
Ukraine-Krise ausgelöst haben, und sie sind der größte Faktor, der sie
anheizt“. Selbst in China wird sich über jene Rhetorik nicht selten lustig
gemacht: Ganz gleich, welches Problem – an allem sind die USA schuld.
Und dann droht in den nächsten Monaten noch das vielleicht größte
Konfliktthema von allen: [5][Kevin McCarthy], der neue Sprecher des
US-Repräsentantenhauses, hat bereits großes Interesse bekundet, den
demokratischen Inselstaat Taiwan besuchen zu wollen. Sollte der
Republikaner seine Pläne in die Tat umsetzen, dann wird Chinas
Staatsführung – daran besteht nicht der leiseste Zweifel – mit einer
deutlichen Eskalation reagieren.
3 Feb 2023
## LINKS
[1] /Spionageballon-ueber-den-USA/!5913388
[2] https://www.theguardian.com/business/2022/sep/07/us-bans-advanced-tech-firm…
[3] /FDP-Delegation-in-Asien/!5908373
[4] /UN-Menschenrechtsbericht-zu-China/!5878646
[5] /Streit-im-US-Repraesentantenhaus/!5903422
## AUTOREN
Fabian Kretschmer
## TAGS
China
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