# taz.de -- Gesetzentwurf zum Biosprit: Streit um blühende Landschaften | |
> Die Beimischung von Biokraftstoffen zum Autobenzin soll auslaufen. Das | |
> will Umweltministerin Steffi Lemke. Doch die FDP ist dagegen. | |
Bild: Straße im Rapsfeld Nauen. Dieser soll nach dem Willen der Umweltminister… | |
BERLIN taz | Getreide wird zu Brot verarbeitet, um Menschen zu ernähren – | |
so lautet die alltägliche Annahme. Doch ein guter Teil der hierzulande | |
angebauten Ähren dient dazu, [1][Autotreibstoff zu produzieren], damit der | |
Verkehr rollt. Dem will die grüne Bundesumweltministerin Steffi Lemke einen | |
Riegel vorschieben. Bis 2030 soll die Beimischung von Treibstoff aus | |
Pflanzen beendet werden, schlägt sie in einem neuen Gesetzentwurf vor. Das | |
lehnt die FDP ab. | |
Ohnehin haben sich die drei Parteien der Bundesregierung in der | |
[2][Verkehrs- und Klimapolitik] verhakt. Im Vordergrund steht die | |
Auseinandersetzung darüber, dass der Autoverkehr mehr klimaschädliche | |
Kohlendioxidemissionen verursacht als zulässig. FDP-Bundesverkehrsminister | |
Volker Wissing macht bisher keine ausreichenden Vorschläge, um das Problem | |
zu lösen. Stattdessen will er [3][weitere Autobahnen] bauen lassen. Mit | |
Lemkes Gesetzentwurf kommt ein neuer Konflikt hinzu. | |
Damit der Ausstoß von Treibhausgasen sinkt, können die Mineralölkonzerne | |
ihrem Benzin momentan sogenannte Biokraftstoffe aus Nahrungs- und | |
Futtermittelpflanzen beimischen. Das sind beispielsweise Öl aus Raps oder | |
Bioethanol aus Getreide. 4,4 Prozent ihrer Minderungsverpflichtung für | |
Treibhausgase dürfen die Treibstoffhersteller so erfüllen. Die grüne | |
Umweltministerin schlägt nun vor, diese Variante bis 2030 abzuschaffen. | |
Das Umweltministerium begründet seine Initiative unter anderem mit dem | |
Preisanstieg für Nahrungsmittel nach dem russischen Angriff auf die | |
Ukraine. Der Anbau von Pflanzen für die Treibstoffproduktion verknappe die | |
zur Verfügung stehende Landwirtschaftsfläche und erhöhe die Preise | |
zusätzlich, heißt es im Gesetzentwurf. Werde diese Art der Nutzung dagegen | |
zurückgedrängt, „verringert sich der Druck auf die Preise für | |
Nahrungsmittel und Agrarflächen“. | |
## Die Klimaschutzwirkung von Biokraftstoff ist zweifelhaft, so Lemke | |
Lemkes zweites Argument: „Die Klimaschutzwirkung von Biokraftstoffen aus | |
Nahrungs- und Futtermittelpflanzen ist stark anzuzweifeln.“ Einerseits | |
reduzierten diese Treibstoffe zwar den Ausstoß von klimaschädlichen Abgasen | |
des Verkehrs, andererseits führten sie jedoch dazu, dass dann zusätzliche | |
Flächen für die Nahrungs- und Futtermittelproduktion erschlossen würden – | |
auch in ökologisch wertvollen Regenwäldern. Dadurch beschleunige sich die | |
Erwärmung der Erdatmosphäre. | |
Allerdings bietet das Umweltministerium auch „Kompensationen“ für das | |
beabsichtigte Auslaufen der Beimischung an. Um ihre Verpflichtungen zur | |
Reduktion der Treibhausgase dennoch zu erfüllen, sollen sich die | |
Mineralölfirmen beispielsweise den Bau von Stromtankstellen stärker | |
anrechnen lassen können. Die Logik: Auch Ökostrom ersetzt fossiles Benzin | |
und verbessert die Klimabilanz des Verkehrs. | |
Trotzdem ist die FDP nicht zufrieden mit dem Angebot. „Der Vorschlag von | |
Umweltministerin Lemke läuft dem Klimaschutz zuwider“, sagte | |
FDP-Fraktionsvize Lukas Köhler. „Die vorgeschlagenen Kompensationen sind | |
Augenwischerei.“ | |
Köhlers Punkt: Die stärkere Anrechnung von Stromtankstellen steht erst mal | |
nur auf dem Papier, schließlich werde nur der Anrechnungsfaktor erhöht. | |
Mehr Stromtankstellen gibt es dadurch zunächst nicht, und bis die | |
Autofahrer:innen mehr Kilometer mit Strom zurücklegen, kann einige | |
Zeit vergehen. Das heißt: Der Kohlendioxidausstoß, an dem sich der Erfolg | |
von Verkehrsminister Wissings Politik bemisst, sinkt erst mal nicht. | |
Wissings Job, den Klimagasausstoß im Verkehr zu verringern, wäre erschwert. | |
## Bauernverband kritisiert Bruch mit Förderung von Biosprit | |
Diese Sichtweise sei nicht von der Hand zu weisen, sagte auch Ulf Neuling, | |
Experte der Organisation Agora Verkehrswende: Anfangs verringere die höhere | |
Anrechnung die tatsächlichen Emissionen des Verkehrs nicht. Aber: „Sie | |
sollte als Anreiz wirken, damit Mineralölunternehmen etwa mehr | |
Stromtankstellen bauen. In der Folge wird die Abgasmenge zurückgehen.“ | |
Grundsätzlich findet Neuling den Gesetzentwurf des Umweltministeriums | |
plausibel: „Es gibt nachvollziehbare Gründe, sich von Biokraftstoffen aus | |
Nahrungs- und Futterpflanzen zu verabschieden, denn inzwischen haben wir | |
effektivere und effizientere Maßnahmen für Klimaschutz im Verkehr – wie | |
beispielsweise die Elektromobilität.“ Die Bundesregierung müsse aber auch | |
daran arbeiten, „dass die anfänglichen Mehremissionen beim Ausstieg aus den | |
Biokraftstoffen tatsächlich ausgeglichen werden“, sagte Neuling. | |
Auch Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir unterstützt den Vorschlag | |
seiner grünen Kollegin Lemke. Verbände wie der Deutsche Naturschutzring, | |
der Bundesverband für Umwelt- und Naturschutz und Greenpeace kritisieren | |
die Verbrennung von Pflanzen in Motoren seit Langem. | |
Auf der Seite der FDP steht unter anderem der Deutsche Bauernverband. „Wir | |
möchten den Beitrag der Biokraftstoffe erhalten und lehnen einen Ausstieg | |
bis 2030 klar ab“, sagte ein Sprecher. Er bezifferte den Umsatz der | |
Landwirte mit Pflanzen für Biokraftstoffe auf etwa zwei Milliarden Euro | |
jährlich – größenordnungsmäßig fünf Prozent des gesamten Agrarumsatzes. | |
Den Vorstoß von Umweltministerin Steffi Lemke betrachtet der Verband als | |
Bruch mit einer jahrelangen Politik, die den Anbau von Energiepflanzen | |
förderte. Sollte Lemke sich durchsetzen, blieben für die | |
Agrosprit-Herstellung im Wesentlichen nur noch Pflanzenabfälle übrig. | |
1 Feb 2023 | |
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## AUTOREN | |
Hannes Koch | |
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