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# taz.de -- Papst Franziskus auf Afrikareise: Kongo im Papstfieber
> Das Oberhaupt des Vatikans besucht die Demokratische Republik Kongo. Die
> katholische Kirche dort ist eine der aktivsten und mutigsten der Welt.
Bild: Nach Goma kommt der Papst nicht, aber sein Besuch soll auch dorthin ausst…
Berlin taz | Heilsbringer sind dünn gesät in der Demokratischen Republik
Kongo. Immense Erwartungen knüpfen sich an den Besuch von Papst Franziskus,
der an diesem Dienstag in Kinshasa landen soll. Bis Freitag bleibt er in
der Hauptstadt des Landes mit der größten katholischen Gemeinde Afrikas,
knapp die Hälfte der 90 bis 100 Millionen Einwohner. Dann reist er nach
Südsudan weiter, eines der wenigen Länder der Welt mit noch mehr Elend als
Kongo.
Die katholische Kirche, seit dem 16. Jahrhundert in Teilen des heutigen
kongolesischen Staatsgebietes präsent, ist neben dem Staat Kongos einzige
landesweit präsente Institution. Sie betreibt auch in Gebieten ohne
staatliche Präsenz Bildungs- und Gesundheitseinrichtungen. Sie hat
historisch für die Verschriftlichung der afrikanischen Sprachen gesorgt,
ihre moralische Autorität im Kontrast zu einem notorisch korrupten und
gewalttätigen Staatswesen ist enorm.
Hirtenbriefe der [1][katholischen Bischofskonferenz], landesweit auf der
Sonntagsmesse verlesen, erzeugen mehr Eindruck als Reden von Präsidenten.
Die Bischöfe treffen mit ihren sorgfältig ausgewählten Bibelsprüchen
regelmäßig den Nerv der Zeit, ob es um Korruption geht oder wie zuletzt um
Krieg. Katholische Laienaktivisten verbreiten Zuversicht bei Protesten
gegen den Staat. In ihren besten Zeiten ist Kongos katholische Kirche mit
der Parole „Die Angst besiegen“ die größte Bürgerrechtsorganisation des
Landes.
Der Papstbesuch, schon einmal verschoben, findet nun in einer Zeit statt,
wo die Demokratische Republik Kongo sich bereits im Vorwahlkampf für die
Wahlen Ende 2023 befindet und im Osten des Landes ein neuer blutiger Krieg
tobt, der die Streichung der Reiseetappe Goma erzwingt.
## Durch die Regierung vereinnahmt
Nicht ganz zufällig kommt der Papst zum Todestag des Gründervaters der
kongolesischen Demokratiebewegung, [2][Étienne Tshisekedi], der am 1.
Februar 2017 hochbetagt im belgischen Exil starb. Der gemeinsame Kampf der
katholischen Kirche und der Tshisekedi-Partei UDPS (Union für Demokratie
und Sozialen Fortschritt) bezwang in den 1990er Jahren die finstere
Diktatur des Militärherrschers Mobutu Sese Seko, der christliche Namen
verboten und die Kirche verfolgt hatte; bis heute wird in Kinshasa jedes
Jahr eines Massakers an Dutzenden Gläubigen durch Mobutus Schergen am 16.
Februar 1992 gedacht und das Erbe der Demokratiebewegung wachgehalten.
Als im Jahr 2011 Étienne Tshisekedi erstmals zu Präsidentschaftswahlen
antrat, war es die katholische Bischofskonferenz, die dank ihres
landesweiten Netzes an Wahlbeobachtern zum Schluss kam, die Wiederwahl des
damaligen Präsidenten, Joseph Kabila, 2011 entspreche „weder der Wahrheit
noch der Gerechtigkeit“. Die Konfrontation zwischen Kirche und Staat
begleitete Kabilas gesamte zweite Amtszeit. Ab 2015 stellte sich der
katholische Laienverband an die Spitze einer [3][neuen Protestbewegung]
gegen Kabilas ständige Wahlverschiebungen, worauf der Staat mit Schüssen
und Tränengas reagierte.
Aber als die Wahlen schließlich 2018 stattfanden und zur allgemeinen
Überraschung Étienne Tshisekedis Sohn Félix zum Sieger erklärt wurde, wies
erneut die katholische Kirche nach, dass dieses Ergebnis gefälscht war. Der
neue Präsident versuchte zwar 2020 mit einem Vatikanbesuch den Neuanfang,
aber der Bruch sitzt tief.
Es entbehrt somit nicht der Ironie, dass jetzt André Mbata,
Parlamentsvizepräsident aus den Reihen der UDPS, behauptete, der Papst
komme „auf Einladung des Staatschefs, um ihn für seine zweite Amtszeit zu
segnen“, und sein Besuch werde Tshisekedi viele Stimmen bringen.
Kardinal Fridolin Ambongo, Erzbischof von Kinshasa, stellte klar, dass
Papst Franziskus nicht die Machthaber besuche. Auch der päpstliche Nuntius
in Kinshasa, Ettore Balestrero, erklärte: „Der Heilige Vater will mit
diesem Besuch die Liebe, Solidarität, Sympathie und Nähe der Weltkirche zur
katholischen Kirche von Kongo zeigen.“
Kongos Kirche hat sich bereits kritisch zu den Vorbereitungen auf die
nächsten Wahlen Ende 2023 geäußert. Ihre gemeinsame Wahlbeobachtungsmission
mit der evangelischen Kirche begleitet derzeit die landesweite
Wählerneuregistrierung und hat nach eigenen Angaben bereits über 370 Fälle
von Unregelmäßigkeiten festgestellt.
## Kinshasa steht kopf
Jenseits all dessen befindet sich Kinshasa in einem zumindest spirituellen
Ausnahmezustand. Die Stadt mit bis zu 12 Millionen Einwohnern ohne
Müllabfuhr und Kanalisation, in der erst im Dezember bei Überschwemmungen
nach heftigen Regenfällen mindestens 169 Menschen starben, macht sich schön
für ihren ersten Papstbesuch seit 1985.
Straßen werden geteert, gigantische Papstplakate prangen an wichtigen
Stellen. In einer innerstädtischen „Papstzone“ sind seit Sonntag Geschäfte
geschlossen. Der Innenstadtflughafen N’Dolo, wo bei den Wahlen 2006 die
deutsche Bundeswehr stand, wird fein gemacht für die Papstmesse am
Mittwoch, zu der Hunderttausende erwartet werden, da die Regierung einen
schulfreien Feiertag ausgerufen hat.
Auch einen Zwischenfall gab es schon. Die päpstliche Ehrentribüne im
Märtyrerstadion, wo am Donnerstag 80.000 Katechisten auf den Heiligen Vater
treffen sollen, ist in der Nacht zum Montag [4][einer Sturmböe zum Opfer
gefallen]. Selbst dies wird in sozialen Medien bejubelt: Indem die Tribüne
jetzt schon einstürzt und nicht erst, wenn der Papst draufsteht, habe man
ihm das Leben gerettet, hieß es. Dann wurden drei Kongolesen verhaftet,
weil sie Fotos vom Unglück verbreitet hatten.
31 Jan 2023
## LINKS
[1] https://twitter.com/CENCO__RDC
[2] /Stimmen-aus-Kongo-zu-Etienne-Tshisekedi/!5381070
[3] /Proteste-im-Kongo/!5023011
[4] https://twitter.com/VoiceOfCongo/status/1620004283046588416
## AUTOREN
Dominic Johnson
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