# taz.de -- CDU-Vorstandsklausur in Weimar: Christdemokratisches Klimagestolper | |
> Die Partei möchte ergrünen: Doch dann steht plötzlich die Prüfung neuer | |
> AKWs in einem Papier. Und Merz' „kleine Paschas“ gibt es ja auch noch. | |
Bild: Bei der CDU-Klausurtagung in Weimar: Mario Czaja muss immer ein wenig von… | |
WEIMAR taz | Als CDU-Parteichef Friedrich Merz am Samstag in einem Hotel am | |
Weimarer Goethepark vor der Presse steht, unterläuft ihm ein | |
bemerkenswerter Versprecher. „Wir sprechen uns ausdrücklich nicht gegen den | |
Bau neuer Kernkraftwerke aus“, sagt Merz. Dabei war während der Klausur des | |
CDU-Bundesvorstands nach einiger Aufregung genau die Passage, die dies | |
beinhaltet, aus einem Entwurf für eine gemeinsame Erklärung gestrichen | |
worden. | |
Merz selbst bemerkt den Fehler nicht, auch der Generalsekretär und die | |
Parteisprecherin, die neben ihm stehen, korrigieren ihn nicht. Erst als ein | |
Journalist irritiert nachfragt, sagt Merz, es müsse natürlich heißen, dass | |
sich die CDU nicht für den Bau neuer Kernkraftwerke ausspreche. Schließlich | |
sei der Bau von AKWs der modernsten Generation noch gar nicht möglich. | |
In dem Entwurf, der den Mitgliedern des Bundesvorstands zugegangen war, war | |
von einer „vorurteilsfreie(n) Prüfung des Baus neuer Kernkraftwerke der | |
modernsten Generation“ zu lesen. Das widerspricht einem | |
Parteitagsbeschluss, in dem sich die CDU für eine Verlängerung der | |
Laufzeiten bis 2024 ausgesprochen, aber auch an dem grundsätzlichen | |
Bekenntnis zum Ausstieg aus der Atomkraft festgehalten hatte. | |
Andreas Jung, Parteivize und Klimaexperte der CDU, forderte umgehend die | |
Streichung des Satzes, was auch geschah. „Der Ausstieg vom Ausstieg, den | |
gibt es nicht“, stellte Generalsekretär Mario Czaja noch vor Klausurbeginn | |
klar. Unklar aber blieb, wie der Satz überhaupt in das Papier gelangt war. | |
## Klima- und Wirtschaftspolitik nicht über Verbote regeln | |
Der Bundesvorstand der CDU war am Wochenende in Weimar zu einer zweitägigen | |
Klausur zusammengekommen, der inhaltliche Schwerpunkt lag bei den Themen | |
Wirtschaft, Energie und Klima. Das ist auch notwendig: Die Kompetenzwerte | |
der CDU beim Thema Wirtschaft, traditionell eines ihrer Kernthemen, sind | |
eingebrochen, beim Klima waren sie noch nie besonders hoch. Zu Gast waren | |
der Ökonom Clemens Fuest, Chef des Ifo-Instituts, und die Meeresbiologin | |
Antje Buetius von der Universität Bremen. Am Ende wurde, wie bei Klausuren | |
üblich, eine Erklärung verabschiedet. In der steht: „Die CDU ist | |
Klimaschutzpartei.“ | |
Merz sprach von einer „intensiven Debatte“ auf der Klausur. Diese hat | |
offenbar auch dazu geführt, dass das 1,5-Grad-Ziel und das Pariser | |
Klimaabkommen überhaupt in der Erklärung auftauchen. „Wir wissen, dass wir | |
mit dem Klimawandel leben müssen“, sagte Merz. Und dass eine | |
Resilienzstrategie entwickelt werden müsse. | |
Die CDU will Klimaschutz weniger über Verzicht und Verbote, sondern über | |
Innovation, Fortschritt und Gründergeist erreichen, wie Czaja es nannte. | |
Das Vermeiden von CO2-Emissionen werde nicht reichen, heißt es in der | |
Erklärung. Emissionen müssten auch „abgeschieden, gespeichert und genutzt“ | |
werden. | |
Hinzu kommt vieles, was die CDU bereits seit geraumer Zeit propagiert: | |
„Bürokratiefesseln“ müssten gelöst, Vorschriften, Nachweispflichten und | |
Verbote verringert werden. Deutschland habe alle Potenziale, [1][ein echtes | |
„Wasserstoffland“] zu werden. Außerdem sollen alle Energiequellen in den | |
Blick genommen werden, auch die Nutzung „heimischer Gasvorkommen“ solle | |
„vorurteilsfrei und mit sorgfältiger Risikoabwägung“ geprüft werden. | |
Fracking ist in der CDU durchaus umstritten. | |
Natürlich ging es aber auch um die Äußerungen von Merz, der arabische Jungs | |
als „kleine Paschas“ bezeichnet hatte, und die Frage der Berliner CDU nach | |
den Vornamen von Tatverdächtigen mit deutscher Staatsangehörigkeit aus der | |
Silvesternacht. Beides hatte auch einen Teil der CDU verstört; andere sind | |
der Ansicht, dass Merz endlich die Probleme anspricht. Auf den Gängen war | |
dies ohnehin Thema, in der Klausur sprach sich laut Teilnehmer*innen | |
Generalsekretär Czaja für eine sensible Sprache gegenüber Menschen mit | |
Migrationsgeschichte aus. | |
Das ist bemerkenswert, weil der Generalsekretär eigentlich die Rolle hat, | |
die Position des Vorsitzenden zuzuspitzen; Mario Czaja aber scheint sich | |
von Merz eher abzusetzen. Auch der ehemalige Gesundheitsminister Hermann | |
Gröhe und die frühere NRW-Integrationsstaatssekretärin Serap Güler sollen | |
sich unter wenigen kritisch geäußert haben. Beide sitzen im Bundestag | |
[2][und werben immer wieder für eine weniger ausgrenzende und weniger | |
polarisierende Rhetorik]. | |
14 Jan 2023 | |
## LINKS | |
[1] /Energiewende-in-Deutschland/!5903340 | |
[2] /Lagebericht-Rassismus-in-Deutschland/!5905123 | |
## AUTOREN | |
Sabine am Orde | |
## TAGS | |
Friedrich Merz | |
Schwerpunkt Atomkraft | |
Schwerpunkt Klimawandel | |
CDU | |
Mario Czaja | |
CDU | |
Schwerpunkt Klimawandel | |
CDU/CSU | |
CDU/CSU | |
Michael Kretschmer | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Die CDU unter Friedrich Merz: Er kann nicht anders | |
Merz ist seit einem Jahr Chef der Christdemokraten. Wie läuft es, wenn | |
jemand mit dem Hang zum Polarisieren eine Partei einen soll? | |
Klima, Masken und Christdemokraten: Schlammschlachten der Woche | |
In Lützerath räumt die Polizei. Haben die Aktivsten also verloren? Und: | |
Friedrich Merz versucht der Macht näher zu kommen. | |
CSU-Landesgruppe Klausurtagung: Selbstbeschwörung im Kloster | |
Im Kloster Seeon läutet die CSU ein entscheidendes Jahr für die Partei ein: | |
Im Oktober wird in Bayern neu gewählt. Doch die alte Größe ist dahin. | |
Söders Absage an die Kanzlerkandidatur: Leere Worte | |
Dass CSU-Chef Söder CDU-Chef Merz den Vortritt für die Kanzlerkandidatur | |
lassen will, sollte Letzterer mit Vorsicht genießen. Es könnte zum Déjà-vu | |
kommen. | |
CDU im Osten: Ein riesiges Problem | |
Ein sächsischer CDU-Landrat versendet flüchtlingsfeindliche | |
Weihnachtsgrüße: Warum die Bundes-CDU ihr Problem im Osten endlich angehen | |
muss. |