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# taz.de -- Filmtipps für Berlin: Über Jahre bewahrt
> Das Kino Arsenal zeigt Tagebuchfilme und O-Töne des Filmemachers und
> Kurators Jonas Mekas. Im Wedding laufen Stummfilmhits mit mechanischen
> Puppen.
Bild: Nahm sich für Aufnahmen auch mal Jahrzehnte Zeit: Jonas Mekas
Als Jonas Mekas 2019 im Alter von 96 Jahren verstarb, war dem Filmemacher
und Kurator sein Platz als eine der einflussreichsten Persönlichkeiten in
der Welt des internationalen Avantgarde- und Dokumentarfilms sicher. Als
Mekas' bekannteste Regiearbeiten gelten die über Jahrzehnte hinweg
entstandenen verschiedenen Tagebuchfilme, in denen der Begriff Heimat eine
große Rolle spielt; darüber hinaus kümmerte sich der 1922 in Litauen
geborene Regisseur und Autor als Mitbegründer der Film-Makers’ Cinematheque
und des Anthology Film Archives in New York auch um die Aufführung und das
Bewahren von Avantgardefilmen.
Damit steht er letztlich auch dem Grundgedanken des [1][Kinos Arsenal] sehr
nahe, das jetzt die Filmreihe „Jonas Mekas. 100 Years of Cinema, Arts, and
Politics“ zeigt. Zum inoffiziellen Auftakt der Reihe läuft – bei freiem
Eintritt im Arsenal 2 – das 2018 im Auftrag des United States Holocaust
Memorial Museum Washington als Video-File entstandene „Oral History
Interview: Jonas Mekas“, in dem der Künstler ausführlich (sechs Stunden
lang!) über seine Erlebnisse in Litauen und Deutschland während des Zweiten
Weltkriegs erzählt, als er unter anderem in Untergrundaktivitäten
verwickelt war, für einige Monate in einem Arbeitslager nahe Elmshorn
interniert wurde und nach dem Krieg als „displaced person“ in Deutschland
lebte, ehe er 1949 in die USA emigrierte.
An diese Zeit schließt dann der bei der Eröffnungsveranstaltung gezeigte
Tagebuchfilm „Reminiscences of a Journey to Lithuania“ (1972) an, der
titelgemäß zwar von einer Reise in Mekas' Heimatland Litauen im Jahr 1971
handelt – aber zunächst mit 1950 in Brooklyn aufgenommenen 16mm-Bildern
beginnt – sowie seinen Überlegungen über alte und neue Immigranten und dem
Gefühl, jetzt doch vielleicht in der neuen Heimat angekommen zu sein.
Was Mekas dann bei seinem ersten Besuch in Litauen seit 25 Jahren filmt,
ist – ausgenommen von einigen Bildern vom kollektivierten
Landwirtschaftsbetrieb – vor allem die Erinnerung an die „alte“ Heimat: d…
verbliebenen Verwandten, die ihm einst „Go west!“ mit auf den Weg gaben,
die Beeren und die Birken, das Brunnenwasser, das schmeckt wie kein anderes
Wasser auf der Welt. Die insgesamt [2][19 Programme umfassende Reihe], die
sich vor allem dem politisch-historischen Aspekt in den Arbeiten von Jonas
Mekas widmet, läuft vom 18. bis 25. Januar (Oral History Interview: Jonas
Mekas, 18.1., 16 Uhr, Kino Arsenal 2; Reminiscences of a Journey to
Lithuania, 18.1., 18 Uhr, Kino Arsenal 1).
## Wie mechanisch ist die Puppe?
In eine weitere Runde gehen die Stummfilmveranstaltungen im [3][Ballhaus
Wedding]. Diesmal mit Ernst Lubitsch überaus amüsanter Groteske „Die
Puppe“, die von Anna Vavilkina am Flügel musikalisch begleitet wird. Im
Film gibt es einen heiratsscheuen jungen Mann, einen reichen Erbonkel, der
legale Nachkommenschaft einfordert, geldgierige Mönche sowie eine
mechanische Frauenpuppe, die in Wirklichkeit die quirlige Tochter des
Konstrukteurs ist: Neben Ossi Oswaldas frecher Verkörperung des
vermeintlichen Maschinenwesens besticht „Die Puppe“ vor allem mit den
stilisierten Kulissen aus Pappmaschee, deren Modelle Ernst Lubitsch im
Prolog in einer Miniaturlandschaft aufstellt (17.1., 19.30 Uhr, Ballhaus
Wedding).
Absolut ungewöhnlich und brilliant: „De Humani Corporis Fabrica“, ein Film,
in dem die Anthropolog:innen und Filmemacher:innen Lucien
Castaing-Taylor und Véréna Pavarel mit endoskopischen Kameras das Innere
von Menschen erkunden: Kaiserschnittgeburt, Prostataoperation und das
Zusammenschrauben einer Wirbelsäule sorgen für ein invasives Filmerlebnis,
ziemlich blutig, dabei aber nicht ohne Feingefühl und trockenen Humor
(12.1., 20 Uhr, [4][Kino Arsenal]).
12 Jan 2023
## LINKS
[1] https://www.arsenal-berlin.de/
[2] https://www.arsenal-berlin.de/kino/filmreihe/jonas-mekas-100-years-of-cinem…
[3] https://www.ballhauswedding.de/
[4] https://www.arsenal-berlin.de/kino/filmvorfuehrung/de-humani-corporis-fabri…
## AUTOREN
Lars Penning
## TAGS
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