Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Neue Professur für Holzbau in Lübeck: Unser Freund, der Baum
> Lübecks Technische Hochschule bekommt eine Professur für Holzbau, weil
> Bauen mit Holz öko und angesagt ist. Die Frage ist nur: Woher kommt das
> Holz?
Bild: Gestresster Wald: gefällte Kiefernstämme in Brandenburg
Osnabrück taz | Holzhaus: Nicht nur im Norden Deutschlands war die erste
Assoziation zu diesem Wort lange: Armseligkeit. Holz als Baustoff galt als
Gegensatz zur Moderne, zu Stahl, Beton, Aluminium, Ziegel und Glas. Für
Instabilität stand das pflanzliche Material, für raschen Zerfall, entgegen
allen Fakten.
Aber das hat sich inzwischen geändert. Lange mit Vorurteilen behaftet,
erlebt das Holz derzeit in der Architektur eine regelrechte Wiedergeburt.
Einer der Hauptgründe ist die Klimakrise: Holz wächst nach, speichert CO2.
Und es hat noch andere Vorteile: Konstruktionen aus Holz wiegen wenig, sind
gut vorzufertigen, erfordern wenig Bauzeit. Für ein gesundes Raumklima
sorgt Holz auch.
Aber eine solche Wiedergeburt ist nicht einfach. Sie braucht Fachkräfte,
und die sind rar. Die Technische Hochschule (TH) in Lübeck hat deshalb Ende
2022 eine Professur für Holzbau ins Leben gerufen; im Wintersemester
2023/2024 nimmt sie ihre Arbeit auf. Sie startet als Stiftungsprofessur,
gefördert durch das Kieler Holzbauzentrum*Nord (HBZ*Nord), in dem der
Baugewerbeverband Schleswig-Holstein den Ton angibt, neben dem Landesbeirat
Forst- und Holzwirtschaft für Schleswig-Holstein und Hamburg. Nach einem
Jahr läuft die Anschubfinanzierung aus, dann wird die Professur verstetigt.
Wer sie besetzt, ist noch offen.
„Unser Fokus liegt dabei auf der [1][Nachhaltigkeit]“, sagt Sebastian
Fiedler, Professor an der TH Lübeck und Dekan des Fachbereichs Bauwesen.
„Dazu arbeiten wir ja ohnehin schon stark.“ Die neue
Bauingenieurs-Professur ist auf Konstruktionstechnik ausgelegt und setzt
auf „angewandte Forschung und Transfer“, auf Wirtschaftsnähe also.
Aber der ökologische Anspruch sei hoch, betont Fiedler: „Natürlich ist
nicht jeder Holzbau nachhaltig, nur weil er ein Holzbau ist. Wichtig ist,
dass das Holz aus nachhaltiger, zertifizierter Forstwirtschaft stammt, dass
sein Einsatz materialsparend erfolgt.“
Jeder Baum, der im Wald bleibe, als natürliche CO2-Senke und also CO2
speichere, sei gut. Und jeder, der gefällt werde, müsse möglichst langlebig
genutzt werden, um eine technische CO2-Senke zu bleiben. „Das Beste ist
deshalb, man baut mit diesem Rohstoff. Das Schlechteste ist, ihn zu
verbrennen – es sei denn, als letzte Stufe einer Kaskadennutzung.“
Und dann erzählt Fiedler: Dass Holzbau nicht nur den Einsatz von
Stechbeiteln bedeutet, sondern dass digitale Fertigung hilfreich ist,
robotergestützt. Von den Synergieeffekten, die er sich zwischen seinem
neuen Studiengang und den schon existenten Studiengängen Architektur und
Stadtplanung erhofft. Dass Holz gerade für urbane Gebäudeaufstockungen
sinnvoll ist, in der Montage nur eine geringe Belastung für die Anwohner.
Dass es wichtig ist, Holz so zu verbauen, dass man es sortenrein recyclen
kann.
„Wir brauchen eine feste Anlaufstelle, an der die zukünftigen Fachkräfte im
Holzbau ausgebildet werden“, sagt Erik Preuß, Geschäftsleiter des HBZ*Nord.
Es gelte „in die Zukunft zu schauen und den Holzbau technisch
weiterzuentwickeln“.
Aber gibt Deutschlands Waldfläche das Holz für diese neuen Bauten
mengenmäßig überhaupt her? Elf Millionen Hektar Wald gibt es derzeit in
Deutschland, sie bedecken rund 30 Prozent des Bundesgebietes. Fast 90
Millionen Kubikmeter Holz werden pro Jahr eingeschlagen, mit immensen
Zuwachsraten.
## Greenpeace fordert Renaturierung
Christoph Thies, Experte für Holzwirtschaft bei Greenpeace Deutschland in
Hamburg sieht das mit Grausen. „Das ist viel zu viel. Wir müssen dringend
auf 50 bis 60 Millionen runter, mindestens“, sagt er der taz. „Unsere
[2][Forstwirtschaft] ist wirklich schlimm. Gemessen an dem, was wir unserem
Wald pro Hektar zumuten, ist Deutschlands Holzeinschlag weltweit fast der
intensivste.“ Renaturierung sei dringend nötig. „Es muss mehr Holz
nachwachsen, als wir entnehmen. Aber unser Wald ist [3][schwer derangiert],
bei viel zu kleinen Schutzzonen. Die deutsche Forstwirtschaft produziert
alles, was die Holzlobby will.“
Thies ist kein Gegner des Holzbaus. Er würde von Deutschlands Holz am
liebsten „alles, was geht“ in Holzgebäude stecken – und in Möbel, in
langlebige Nutzung. Aber viel Holz geht in die Kurzlebigkeit. „Furchtbar,
daraus Brennholz zu machen“, bekräftigt Thies. „Vor allem aus schönen,
großen Stämmen.“
## Raubbau in Osteuropa
Holz könne beim Bauen [4][große ökologische Vorteile haben]. „Aber es kommt
sehr darauf an, wie der Wald bewirtschaftet ist, dem ich es entnehme. Je
naturnaher und extensiver, desto besser.“ Die gängigen Holzsiegel mit ihren
klangvollen Namen, vom „Programme for the Endorsement of Forest
Certification Schemes“ (PEFC) bis „Forest Stewardship Council“ (FSC) hält
er für Augenwischerei – aus dem FSC-System ist Greenpeace, einst
Gründungsmitglied, inzwischen ausgestiegen. Zudem gelte: Je kürzer die
Transportwege vom Einschlagplatz zum Einsatzort, desto besser – regionales
Holz ist also meist besser als ein Import.
Es brauche eine „viel revolutionärere Waldnutzung“, sagt Thies.
Deutschlands Wald stehe „unter vielfältigem Stress“, von der immer öfter
und länger auftretenden Trockenheit bis zur Jagd. Aber auch im Ausland
müsse naturnaher gewirtschaftet werden. In Schweden und Finnland, Kanada
und Russland sei Kahlschlag immer noch an der Tagesordnung.
„Auch in Osteuropa sind die Zustände oft sehr schlecht“, bestätigt Fiedle…
„Da muss man genau hinschauen.“ Ob genug Holz da ist für die Wiedergeburt
des Holzbaus, wenn der derzeitige Raubbau an Deutschlands Wäldern weiter
anhält? „Das wird unsere neue Professur nicht beantworten können“, sagt
Dekan Fiedler. „Der Einsatz von Holz ist sinnvoll. Aber nur, wenn wir
dadurch nicht unsere natürlichen CO2-Lager kaputt machen.“ Anders gesagt:
unsere Wälder.
23 Jan 2023
## LINKS
[1] /Forscherin-ueber-Klimaschutz-im-Bausektor/!5891879
[2] /Forstwirtschaft/!t5363284
[3] /Zunahme-von-Holzschaeden/!5902801
[4] /Holzarchitektur-gegen-die-Klimakrise/!5768977
## AUTOREN
Harff-Peter Schönherr
## TAGS
Holz
Baustoffe
Lübeck
Nachhaltigkeit
Wald
Holzindustrie
Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung
wochentaz
Schwerpunkt Klimawandel
Lesestück Interview
Bauen
Schwerpunkt Klimawandel
## ARTIKEL ZUM THEMA
Kompetenzzentrum für Holzherkünfte: Die Zurückverfolger
Im Hamburger Kompetenzzentrum für Holzherkünfte prüfen Forschende die
Herkunft von Hölzern aus aller Welt. Oft ist das Holz nicht richtig
deklariert.
Forschung zu Kieselalgen: Optimales Bauprinzip
Christian Hamm erforscht am Bremerhavener Alfred-Wegener-Institut, wie die
Struktur der Kieselalgen zum Vorbild für die Bauwirtschaft werden könnte.
Tatort Wald: In Brandenburg ist Holzauktion
Der Diebstahl in den Wäldern hat zugenommen. Wegen steigender Holzpreise
ist vor allem Brennholz begehrt. Aber auch der gewerbliche Diebstahl boomt.
Aktivistin über Klimakrise und Widerstand: „Der Wald war schöner als die Di…
Vandana Shiva ist eine der berühmtesten Umweltaktivistinnen. Ein Gespräch
über Gandhi als Vorbild, grüne Gentechnik und Angriffe auf ihre Person.
Forscherin über Klimaschutz im Bausektor: „Fehler der Gegenwart korrigieren�…
Lamia Messari-Becker ist Expertin für nachhaltiges Bauen. Sie erklärt,
worauf es dabei ankommt und wie sich das mit bezahlbarem Wohnen vereinen
lässt.
Serielles Bauen feiert Comeback: Lego für die Großen
Bauen, bauen, bauen – so lautet das Mantra gegen die Wohnungsnot. Nur ist
das gar nicht so einfach. Helfen Häuser vom Fließband?
Holzarchitektur gegen die Klimakrise: Worauf wir bauen können
Der Klimaforscher Schellnhuber will eine Architekturbewegung, die auf
Holzbau setzt. Aktuell aber lohnt sich Holzverkauf in Deutschland kaum.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.