# taz.de -- Kompetenzzentrum für Holzherkünfte: Die Zurückverfolger | |
> Im Hamburger Kompetenzzentrum für Holzherkünfte prüfen Forschende die | |
> Herkunft von Hölzern aus aller Welt. Oft ist das Holz nicht richtig | |
> deklariert. | |
Bild: Korrekt beschriftet und legal verkauft? Tropenholzstämme in Paramaribo (… | |
Hamburg taz | Eine Sperrholzplatte besteht aus mehreren Holzlagen und meist | |
auch aus mehreren Hölzern. Woher soll man jedoch wissen, ob in einer | |
solchen Platte wirklich nur jenes Holz ist, mit dem sie deklariert ist? Und | |
wie soll man erkennen, wo das Holz herkommt und ob es legal in die EU | |
importiert wurde? | |
Unter anderem solche Fragen beantworten die Holzwissenschaftler*innen | |
am Hamburger Thünen-Kompetenzzentrum für Holzherkünfte, das zum | |
Thünen-Institut für Holzforschung gehört. Die Mitarbeiter*innen werden | |
mit der Untersuchung von Hölzern beauftragt um herauszufinden, um welches | |
Holz es sich handelt und ob es korrekt deklariert ist. Neben hoheitlichen | |
Aufträgen des Bundes erreichen das Institut viele gewerbliche Anfragen von | |
Holz-Importeuren, Holzhändlern und Privatpersonen. | |
All diese Kunden wollen sicherstellen, dass das Holz, das sie importieren, | |
verarbeiten, verkaufen oder besitzen, eine legale Provenienz hat. Im dem | |
idyllisch zwischen Bäumen gelegenen Institut in Hamburg-Bergedorf schauen | |
die Forschenden detailliert in die Welt der Hölzer und auf die | |
Holzabbaugebiete der Welt. | |
Gerald Koch ist Wissenschaftler an dem seit 2013 bestehenden | |
Kompetenzzentrum. Er betrachtet gerade eine Sperrholzprobe. „Allein das | |
Präparieren solcher Sperrholzmuster erfordert genaueste technische Arbeit“, | |
sagt er. „Zunächst muss ein kleiner Abschnitt mit den gesamten Lagen | |
herausgeschnitten werden, der dann gekocht wird, um das Holzgewebe weich zu | |
machen. Anschließend werden Dünnschnitte von den Lagen hergestellt und auf | |
Objektträger gelegt, um das Gewebe mikroskopisch zu untersuchen“, erklärt | |
Koch. Dafür sind mehrere Mitarbeiter*innen angestellt, die die | |
eingesandten Präparate in einem Labor vorbereiten. | |
Neben dem Labor schließt sich eine große Sammlung an, die Holzbibliothek | |
(Xylothek). 35.000 Holzmuster von 11.500 Arten lagern dort, um mit | |
eingesandten Proben abgeglichen werden zu können. Unter den eingereichten | |
Objekten seien wertvolle Exponate und Kulturgüter mit am spannendsten, | |
findet Koch. „Wir haben zum Beispiel ein Holzbauteil aus einer ägyptischen | |
Pyramide für amerikanische Archäologen untersucht“, sagt er. | |
Auch auf die Bestimmung von Hölzern in Musikinstrumenten sei man im | |
Institut spezialisiert. „Ein besonderes Highlight war die Untersuchung des | |
Barjansky-Cellos aus der Manufaktur des [1][legendären Geigenbaumeisters | |
Antonio Stradivari]. Solch wertvolle Instrumente dürfen nur sehr vorsichtig | |
und zerstörungsfrei untersucht werden“, sagt Koch. In solchen Fällen | |
arbeite man mit einem 3-D-Mikroskop, das nur auf die Objekte aufgelegt | |
werde, um die Oberfläche zu scannen. | |
Unter einem Mikroskop im nächsten Raum zieht Koch einige Schubladen heraus. | |
Knapp 50.000 Objektträger mit Dünnschnitten lagern hier, die als | |
Vergleichsmuster dienen. Für die Bestimmung der Hölzer können bis zu 60 | |
anatomische Strukturmerkmale verwendet werden. „Die Arbeit ist sehr | |
kleinteilig. Gerade bei sehr verwandten Hölzern ist es teils nur möglich, | |
deren Gattung oder Familie zu bestimmen. Doch in über 80 Prozent der Fälle | |
kommen wir zu klaren Ergebnissen und können verlässlich sagen, um was für | |
eine Art oder Handelssortiment es sich handelt und ob eine Deklaration | |
stimmt.“ | |
Basis der Arbeit hier sind Artenschutzabkommen, die Europäische | |
Holzhandelsverordnung sowie die europäische [2][Entwaldungsverordnung]. | |
Letztere trat 2013 in Kraft, um das Problem illegaler Holzverwendung | |
einzugrenzen. Ihr zufolge durfte Holz aus illegalem Einschlag nicht mehr in | |
die EU eingeführt werden. 2023 wurde sie von der strengeren EU | |
Deforestation Regulation abgelöst, die neben Holz weitere Waren umfasst. | |
Andrea Olbrich forscht ebenfalls am Institut und befasst sich hauptsächlich | |
mit der Holzartenbestimmung in Papier und Faserplatten. Nach Einführung der | |
Entwaldungsverordnung hätten zunächst kaum Deklarationen dieser | |
Fasermaterialien gestimmt. In den letzten Jahren sei das aber besser | |
geworden, sagt sie. Papier, das aus Zellstoffen, also bereits verarbeitetem | |
Holz gefertigt werde, habe einen langen Handelsweg und sei in der | |
Untersuchung unter dem Mikroskop komplex, sagt Olbrich, während sie die | |
Probe eines To-go-Becherdeckels untersucht. | |
In ihrer Arbeit widmet sie sich auch der Weiterentwicklung der | |
Forschungsmethoden durch den Einsatz [3][künstlicher Intelligenz]. Dabei | |
werde in einer Kooperation mit dem Fraunhofer-Institut für Techno- und | |
Wirtschaftsmathematik derzeit ein lernendes System trainiert, das | |
Holzzellen digital automatisiert erkenne, sagt sie. Diese KI sollen künftig | |
Forschungsinstitute weltweit nutzen können. | |
Um Wissen weiterzugeben, schult das Institut international auch | |
Zöllner*innen für die Kontrolle von Holzimporten. Auch | |
Mitarbeiter*innen von Forschungseinrichtungen in tropischen | |
Holzerzeugerländern hat man bereits in der Holzartenbestimmung ausgebildet. | |
„Das Problem der Entwaldung löst Deutschland nicht allein. Hierfür sind | |
[4][internationale Kooperationen] insbesondere mit den Erzeugerländern | |
erforderlich“, sagt Koch. | |
Einige wenige der Gutachten des Instituts haben auch direkte juristische | |
Folgen: „Bei Artenschutzfällen müssen wir uns sehr sicher sein, denn da | |
können auf Basis unserer Gutachten rechtliche Schritte ausgelöst werden. | |
Das sind die sensiblen Fälle, die großer Sorgfalt und Erfahrung bedürfen“, | |
sagt Koch. | |
Das besonders geschützte Tropenholz Rio-Palisander etwa wurde bereits in | |
den 1990er-Jahren in den höchsten Artenschutz eingestuft. Es finde sich | |
trotzdem in etlichen Möbeln, die inzwischen zum Vintage-Trend geworden | |
seien. Dabei dürfe das Holz nur mit einer individuellen | |
Vermarktungsgenehmigung verkauft werden, wenn die Produkte vor 1992 | |
gefertigt worden seien. Diese besonderen Artenschutzrichtlinien erforderten | |
eine zweifelsfreie Bestimmung und Aufklärung, um Strafen zu verhindern. „Da | |
gerade viele solcher Möbel vererbt werden, ist der Rio-Palisander bei uns | |
derzeit fast Tagesgeschäft“, sagt Koch. | |
Der Anteil an Gutachten, die in einem Strafbefehl mündeten, sei dennoch | |
gering. „Wir sind nicht die Ankläger, sondern die Wissenschaftler, die dazu | |
beitragen aufzuklären. Wir können sagen, ob die Hölzer und Holzprodukte | |
richtig oder falsch deklariert sind. Ob ein Risiko besteht, dass das Holz | |
aus illegalen Herkünften stammt oder die lokalen Gesetze gegen Entwaldung | |
erfüllt, da sind wir vorsichtig in der Interpretation.“ | |
20 Nov 2023 | |
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## AUTOREN | |
Emmy Thume | |
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