Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- EU-Subventionen für Pellets: Europa auf dem Holzweg
> In Europas Kohlekraftwerken werden immer mehr Pellets verbrannt –
> subventioniert durch die EU. Dass das so bleibt, dafür sorgt auch die
> Holzlobby.
Bild: Nachhaltiger als Kohle? Dank dieses Mythos werden Holzpellets immer belie…
Man muss nicht lange suchen, um das Kraftwerk Amercentrale im beschaulichen
Örtchen Geertruidenberg zu finden. Der große Rauchschwaden, der aus dem
175 Meter hohen Schornstein von „Unit 9“ aufsteigt, ist unübersehbar.
Inmitten der kleinen Backsteinhäuser und akkurat gepflegten Vorgärten
sticht der Anblick hervor. Geertruidenberg liegt in der niederländischen
Provinz Noord-Brabant, nur etwa 50 Kilometer von Rotterdam entfernt.
Marjanne van Ginkel-Vroom ist Pressesprecherin des Energiekonzerns RWE in
den Niederlanden, der Amercentrale betreibt, und zeigt auf ein beladenes
Schiff am kraftwerkseigenen Hafen. „Jeden Tag legt hier ein solches Boot
an. Das sind im Schnitt 2.500 Tonnen Holzpellets. So viel verfeuern wir
manchmal an einem Tag.“
Das Amer-Kraftwerk verbrennt jährlich 1,7 Millionen Tonnen der kleinen
Holzstäbchen. Mit einem Durchmesser von weniger als 7 Millimeter sehen sie
fast aus wie Tierfutter. Nur noch etwa 15 Prozent des im Amer-Kraftwerk
erzeugten Stroms stammt aus Kohle. „Die Pellets lassen sich ähnlich wie
Steinkohle verarbeiten und sind zudem viel sauberer. Ab Sommer 2024 wollen
wir gar keine Kohle mehr verwenden“, erklärt die Holländerin stolz.
Doch was ist dran an der Sauberkeit der Pellets? Ziemlich wenig, wenn es
nach dem Wetterexperten Jörg Kachelmann geht. „Nichts ist dreckiger als die
Verbrennung von Holz oder Pellets.“ Es war 1984, als Kachelmann oberhalb
der Gotthard-Autobahn in der Schweiz die erste Ozon-Messstation
eingerichtet hat. Heute twittert er fast täglich Feinstaubdiagramme. Dabei
prophezeit er Unheilvolles. „Wir steuern geradewegs auf eine
lufthygienische Feinstaubkatastrophe zu. Die Obsession, Sachen zu
verbrennen, hat katastrophale Auswirkungen auf Mensch, Umwelt und Klima.“
Der 64-Jährige sieht sich als Teil einer „Grünen Öko-Guerilla“ und wird
nicht müde, Überzeugungsarbeit zu leisten. Was er von der Verbrennung von
Holzpellets in Kraftwerken halte? „Nichts“, antwortet er knapp gegenüber
der taz.
RWE hat bereits in den 1990ern erkannt, dass sich Holzpellets nicht nur als
Wärmequelle in Privathäusern eignen, sondern auch zur Stromerzeugung in
großen Kraftwerken genutzt werden können. Eine willkommene Möglichkeit,
Kohlekraftwerke, die im Zuge der Energiewende abgeschaltet werden sollten,
am Netz zu lassen und auf die Pelletverbrennung umzurüsten.
Das Kraftwerk in Geertruidenberg ist nicht das einzige, das der Konzern
auf Biomasse umstellt. Ein zweites niederländisches Kraftwerk, in Eemshaven
an der Nordsee, soll in Zukunft ebenfalls ausschließlich organische Stoffe
verbrennen – pünktlich zum in den Niederlanden für 2030 angepeilten
Kohleausstieg. Der Konzern wolle schnellstmöglich weg von der schmutzigen
Kohle, investiere auch viel in Solar und Wind.
„Doch was, wenn die Sonne nicht scheint oder der Wind nicht weht?“, fragt
van Ginkel-Vroom. Es brauche eine verlässliche Strom- und Wärmequelle und
„die Verbrennung von Holz ist eine CO2-neutrale Alternative“, behauptet
sie. Bei der Verbrennung werde „nur so viel Kohlenstoff freigesetzt, wie
die Bäume vorher aufgenommen haben“.
## Viel schlimmer als Gas oder Kohle
Michaela Kruse vom Naturschutzbund Deutschland [1][Nabu weist das zurück].
„Das Verbrennen von Holz setzt pro Energieeinheit sogar mehr CO2 frei als
Kohle.“ Auf Webseiten der Holzlobby sind dazu Werte von nur 22 Gramm CO2
pro Kilowattstunde zu finden. Wolfgang Lucht vom Potsdam-Institut für
Klimafolgenforschung sagt hingegen, Pellets verursachen tatsächlich bei der
Verbrennung die dreifache CO2-Menge wie Gas und doppelt so viel wie Kohle –
rund 750 Gramm pro Kilowattstunde.
Kruse kämpft seit Jahren für den Kohleausstieg und eine nachhaltige
Energiewende. „Es dauert Jahrzehnte, bis das ausgestoßene CO2 wieder in
nachwachsenden Bäumen gebunden ist. Diese Zeit haben wir bei der Bekämpfung
der Klimakrise nicht“, sagt sie. Doch da die Verbrennung von Holz in der EU
„auf dem Papier klimaneutral ist, lassen sich so Klimabilanzen
aufhübschen“.
Mehrere große Kohlekraftwerke, die auf Holzverbrennung umgerüstet wurden,
wurden dabei durch staatliche Subventionen unterstützt. Darunter jene von
RWE in den Niederlanden, das Kraftwerk Drax in England oder Ørsted in
Dänemark. Dabei ist die Stromgewinnung aus Holzverbrennung sehr
ineffizient. Das Kraftwerk Drax, welches die Prozesswärme einfach in die
Außenluft ableitet, schneidet mit einem Wirkungsgrad von weniger als 40
Prozent besonders schlecht ab. Das bedeutet, dass sehr große Mengen Holz
verbrannt werden müssen, um einen vergleichsweise geringen Teil an Strom zu
erzeugen.
Die Genehmigung zur Kohleverbrennung der niederländischen Regierung für das
Amer-Kraftwerk läuft 2025 aus. Ob der Umstieg auf alternative Energien –
und der Kohleausstieg – wirklich so freiwillig ist, wie die RWE-Sprecherin
van Ginkel-Vroom suggeriert, ist fraglich. Von dem 2019 gefassten Beschluss
des niederländischen Parlaments zum Kohleausstieg war RWE jedenfalls wenig
begeistert. Der Konzern verklagte die Niederlande deshalb 2021 auf
Schadenersatz in Milliardenhöhe. „Ein Eingriff in Eigentum, ohne eine
Entschädigung dafür zu erhalten, ist nicht akzeptabel“, so RWE. Die Klage
wurde abgewiesen.
## Zu schnell und zu viel abgeholzt
Die industriellen Kraftwerke verschlingen riesige Mengen an Holzpellets. In
der gestiegenen Nachfrage auf dem Holzmarkt sieht Kruse eine Gefahr für die
Wälder, die als eine der wichtigsten Treibhausgas-Senken, also Systeme, die
Kohlenstoff binden können, unverzichtbar sind. Einige europäische Länder
haben seit 2018 ihre Wald-CO2-Senken effektiv verloren: Die Entwaldung und
der beanspruchte Boden setzen mehr Emissionen frei, als die Wälder binden.
Das passiert dann, wenn zu viel abgeholzt wird und sich die Wälder nicht
schnell genug erholen können.
Zum Beispiel in Estland, Europas größter Pellet-Exporteur, in dem jährlich
zehn bis zwölf Millionen Kubikmeter Holz eingeschlagen werden. Hier, wie
auch in den anderen baltischen Staaten, treibt die estnische Pellet-Firma
Graanul Invest die Abholzung voran, um europäische Kohlekraftwerke zu
beliefern. Auch in Finnland, das zu drei Vierteln von Wald bedeckt ist,
ging die Waldsenke bereits verloren. In Rumänien, berühmt für Europas
letzte Urwälder, droht das Szenario ebenfalls einzutreten.
Und nicht nur europäische Wälder leiden. „Drax, eines der weltweit größten
auf Holzpellets umgerüsteten Kohlekraftwerke, verbrennt jedes Jahr mehr
Holz, als im gesamten Vereinigten Königreich geerntet wird. Es handelt sich
dementsprechend hauptsächlich um importierte Holzpellets“, so Kruse.
Auch RWE ist auf Lieferungen aus dem Ausland angewiesen: Estland, Lettland,
Finnland und Nordamerika gehören zu den Hauptlieferanten. Alles Regionen,
die wegen übermäßiger Rodungen in der Kritik stehen. Auf den Websites von
RWE und Drax stehen neben Fotos von sattgrünen Wäldern vor allem
Nachhaltigkeitsversprechen. Die verwendeten Holzpellets bestünden fast
ausnahmslos aus gepressten Sägespänen und Holzresten.
## Ganze Baumstämme gehen drauf
Dasselbe behauptet der US-amerikanische Pelletgigant Enviva, der sowohl RWE
als auch Drax mit tonnenweise Pellets versorgt. Der Konzern ist auf
Erfolgskurs, seit 2009 die Erneuerbare-Energien-Richtlinie der EU in Kraft
trat. Die Richtlinie stufte die Verbrennung von Holz pauschal als
klimaneutral ein – die Nachfrage nach Holzpellets schoss in die Höhe und
der ehemals kleine Pelletproduzent wurde zum Weltmarktführer.
Aber nicht nur Enviva ist seither gewachsen. Laut der Waldschutz-NGO FERN
stieg auch der CO2-Ausstoß, der auf die Verbrennung von Biomasse in der EU
zurückzuführen ist, seither um 50 Prozent an.
Heute produziert Enviva knappe 6,2 Millionen Tonnen Pellets pro Jahr – und
zwar auf Kosten der Wälder, wie Recherchen des Deforestation Inc.-Projekts
zeigen. Das internationale Rechercheteam deckte auf, dass nur wenig hinter
den Versprechen der Konzerne steckt, und zeigt, wie Enviva in North
Carolina Wälder kahlschlägt, ganze Baumstämme zerhäckselt und nebenher
seine Fabriken in die direkte Nachbarschaft von vorwiegend schwarzen und
armen Gemeinden setzt. RWE und Drax sind gute Kunden.
Nirgendwo ist die Nachfrage nach Holzpellets so hoch wie in den Ländern der
EU und Großbritannien. Die Energiekrise und die hohen Energiepreise sorgen
ebenso für hohe Pelletpreise. Das macht das Geschäft für
Pellethersteller:innen lukrativ. Im letzten Jahr trieb der
Ukrainekrieg die Preise sogar derart in die Höhe, dass „es für Sägewerke
sinnvoller war, ihre Sägenebenprodukte an Pellethersteller:innen als
an Spanwerke zur Herstellung von MDF-Platten zu verkaufen“, so Anemon
Strohmeyer, Geschäftsführerin vom Verband der deutschen
Holzwerkstoffindustrie.
## Falschinformation und Unsicherheit
Mit der Mitte Juni vom Rat beschlossenen Überarbeitung der
Erneuerbare-Energien-Richtlinie (RED III) hätte sich vieles ändern können.
Es wurde neu verhandelt, ob und wie Holzverbrennung in Zukunft als
erneuerbare Energie gezählt und gefördert werden kann.
„Doch die Holzlobby hatte einen starken Einfluss auf das Ergebnis“, sagt
Martin Häusling. Der EU-Abgeordnete vertrat bei den RED-III-Verhandlugen
die Anliegen der Grünen im EU-Umweltausschuss. „Zum einen waren da die
Interessen von Schweden und Finnland. Das sind Länder, in denen die
Forstwirtschaft eine so wichtige Bedeutung hat wie die Automobilindustrie
in Deutschland.“ Schweden führte bis vor Kurzem den Vorsitz im EU-Rat.
„Doch auch die Kampagne der Waldbesitzer in Bayern und Österreich sorgte
durch Falschinformationen für viel Unsicherheit“, so Häusling. Der
Vorschlag des Parlaments richtete sich weitgehend nach den Empfehlungen des
Umweltausschusses. Der wollte unter anderem Subventionen für die
Verbrennung von Primärholz – also Holz, das weder Neben- noch Abfallprodukt
ist – zukünftig nicht mehr erlauben. Außerdem sollten die
EU-Mitgliedstaaten ihren Holzanteil am Erneuerbaren-Mix bis 2030
reduzieren.
Die Arbeitsgemeinschaft Deutscher Waldbesitzer setzte dagegen ein
Protestschreiben auf, das von mehr als 250.000 Mitgliedern unterzeichnet
wurde. Immer mehr besorgte Waldbesitzer:innen meldeten sich bei den
Abgeordneten. Martin Häusling schüttelt den Kopf. „Zu keinem Zeitpunkt
wollten wir die Holzverbrennung verbieten. Kleinere Verbrennungsanlagen
unter 5 Megawatt wären ohnehin unter eine Sonderregelung gefallen.“
## Wachstum durch Kahlschlag?
Josef Ziegler sieht das anders. Er biegt mit seinem Geländewagen in ein
Waldstück im Landkreis Cham in Bayern ab. Es ist still. Und düster. Dicht
an dicht reihen sich hier hochgewachsene Fichten. Die Fichte ist mit einem
Anteil von über 40 Prozent die am häufigsten vorkommende Baumart in
Bayern. Bis in die 70er Jahre herrschte Konsens darüber, dass dieser Baum
die Lösung sei, um kahle Flächen wieder zu bewalden. Doch heute führen die
Monokulturen zu Problemen.
Josef Ziegler ist studierter Forstwirt und selbst Besitzer eines 2,3 Hektar
großen Waldstücks. Er und andere Waldbesitzer:innen in der Region
seien dem Wald stark verbunden, schließlich würden die Waldstücke über
Generationen weitervererbt. Doch in die Zukunft blickt er pessimistisch.
„In 30 Jahren wird von diesen Bäumen nicht mehr viel übrig sein. Unsere
Fichten sterben. Das 1,5-Grad-Ziel, von dem immer alle sprechen, haben wir
hier schon überschritten. Die Natur macht das nicht mehr mit. Die meisten
dieser Bäume werden der Dürre und Hitze zum Opfer fallen. Den Rest erledigt
dann der Borkenkäfer.“
Ziegler setzt sich seit mehr als 20 Jahren für die Interessen der
Kleinwaldbesitzenden ein. Eine letzte Hoffnung für die Wälder sieht der
55-Jährige in einem radikalen Waldumbau. Der Wald brauche mehr Vielfalt, um
unter den neuen klimatischen Bedingungen zu überleben. Dafür müssen
optimale Voraussetzungen für neue Baumarten wie die Eiche, Buche und Tanne
geschaffen werden. Das Fällen von Bäumen sei dafür unbedingt nötig, alleine
schon, um für Lichteinfall zu sorgen und so neues Wachstum zu fördern.
Ziegler, der selbst immer wieder in Brüssel war, um die Anliegen der
Waldbesitzenden hinsichtlich der RED-III-Verhandlungen zu vertreten, ist
aufgebracht. Er zeigt auf einen Holzhaufen am Wegrand: „Der
Umweltausschuss, beeinflusst von radikalen Naturschutzverbänden, wollte uns
mit der Wegdefinierung von Holz als erneuerbare Ressource das Verbrennen
von Holz langfristig gesehen verbieten“, sagt er.
## Unklare Herkunft, schwammige Formulierungen
Er selbst sei „auch kritisch hinsichtlich des enormen Verbrauchs von
Industriepellets“. Doch die Diskussion über Holzenergie werde „zu pauschal
betrieben“. Ziegler sieht in der energetischen Nutzung des Holzes einen
Anreiz für die Waldbesitzer:innen, ihren Wald nachhaltiger zu
bewirtschaften und so am Waldumbau mitzuwirken. Viele in der Region heizen
ihre Häuser mit Holz. Geschlagenes Holz nicht verbrennen zu dürfen, wäre
„irrsinnig“, so Ziegler.
Im Gegensatz zu Ziegler war Michaela Kruse vom Nabu mit dem Vorschlag des
Parlaments zufrieden. „Wenn die Mitgliedstaaten zukünftig nicht noch mehr
Holz als erneuerbar anrechnen dürfen, dann dürften keine Subventionen mehr
gezahlt werden. In den Niederlanden ist das ein großes Thema, da gab es in
der Vergangenheit sehr hohe Subventionen.“
Trotzdem war der EU-Entscheid auch für deutsche
Kraftwerksbetreiber:innen äußerst interessant. Denn bisher gibt es
hierzulande nur sogenanntes Co-Firing, also das Mitverbrennen von Holz in
Kohlekraftwerken – wie zum Beispiel bei Vattenfall im Berliner Stadtteil
Moabit. Kraftwerksumrüstungen liegen noch in der Zukunft: So möchte der
[2][Energiepark Tiefstack], betrieben von den kommunalen Hamburger
Energiewerken, zukünftig einen Teil der Fernwärme durch Pelletverbrennung
decken.
Michaela Kruse ist besorgt über unscharfe Formulierungen bei der benötigten
Menge und Herkunft der Holzpellets. Der veröffentlichte Biomasse-Kodex sei
zu lasch und würde auch Pellets von Enviva und Graanul Invest nicht
ausschließen.
## Holzlobby am Werk
Eine noch höhere Menge an Pellets würde das neue Kraftwerk in Wilhelmshaven
des Betreibers Onyx benötigen. Der Nabu schätzt den Verbrauch auf drei
Millionen Tonnen pro Jahr. Da Deutschland aber insgesamt nur rund 3,5
Millionen Tonnen Pellets produziert, müsse man importieren. Eigentümer von
Onyx ist die Riverstone Holding – und die gleichzeitig Hauptaktionär des
weltweit größten Pelletunternehmens Enviva. Es liegt nahe, dass
Enviva-Pellets verbrannt werden. „In Wilhelmshaven haben sie das schon
zugegeben“, sagt Michaela Kruse vom Nabu.
Würde die Verbrennung von Holz nicht mehr pauschal als „erneuerbare
Energie“ gelten, fiele eine CO2-Abgabe an. Viele große Kraftwerke wären
dann schlichtweg nicht mehr rentabel. Um das abzuwenden, lobbyierten
zahlreiche Verbände für eine Abschwächung der Nachhaltigkeitskriterien. Mit
dabei war das „Forum für nachhaltige Holzenergie“, das vor allem die
Interessen von Kraftwerksbetreiber:innen und
Pellethersteller:innen vertritt.
Mitglieder sind etwa Enviva, Onyx und Wismar Pellets. Letzteres ist mit
einer Produktionskapazität von 250.000 Tonnen im Jahr das größte Pelletwerk
in Nord- und Ostdeutschland. Wismar Pellets gehört seit Frühjahr 2023 zum
Braunkohlekonzern LEAG. Die Naturschutzorganisation Robin Wood wirft dem
Unternehmen vor, auch aus Holzstämmen, mit denen sich langlebige Produkte
herstellen ließen, Pellets zu produzieren.
Nach taz-Informationen war das „Forum für nachhaltige Holzenergie“
besonders gegen Ende der Verhandlungen sehr aktiv dabei, Abgeordnete davon
zu überzeugen, Primärholz weiterhin als klimaneutral zu werten. Ihr
Argument: Würde die Nutzung von minderwertigem Stamm- und Rundholz
eingeschränkt, würden die Klimaziele nicht erreicht.
## Gefakte Klimaneutralität
Der letzte Trilog zwischen EU-Parlament, -Rat und -Kommission fand Ende
März statt. Verhandelt wurde hinter verschlossenen Türen. „Unsere
Forderung, Primärholz als nicht nachhaltig einzustufen, wurde komplett
gestrichen“, so Michaela Kruse. Zwar wurde das europäische Ziel, den Anteil
erneuerbarer Energien bis 2030 von 32,5 auf 45 Prozent anzuheben,
festgelegt. „Aber die Ziele können auch durch den Ausbau von
Holzverbrennung erreicht werden“, sagt sie.
Einzig Industrieholz bekomme keine direkte finanzielle Unterstützung mehr.
„Die Frage ist, wie das von den Mitgliedstaaten definiert wird. ‚Rundholz,
das industriell genutzt werden kann‘ – das ist eine schwammige Definition.�…
Kruse befürchtet, dass so auch viele Naturwälder eingeschlagen werden
könnten. Denn dort würde man besonders viele Bäume finden, die nicht so
hochgewachsen und gerade sind wie Kiefern oder Fichten aus ehemaligen
Forstplantagen.
Auch der grüne Abgeordnete Martin Häusling sieht das Ergebnis kritisch. „Es
war fatal, dass Schweden die Verhandlungen geführt hat. Schweden hat eine
sehr starke und [3][bekanntlich wenig nachhaltige Forstwirtschaft] und von
Anfang an klar dafür plädiert, dass kein Interesse daran besteht, die
Verbrennung von Holz irgendwie einzuschränken. Jetzt werden weiterhin
massenweise Pellets importiert, die dann in Holland und Dänemark in
Kraftwerken verschwinden.“
Die Mitgliedstaaten haben 18 Monate Zeit, um die Richtlinie in nationales
Recht zu überführen. Hier könnte man laut Kruse ansetzen. „Deutschland hat
während der Verhandlungen eine ganz gute Position vertreten und sich stark
dafür eingesetzt, dass die Holzverbrennung nicht mehr als erneuerbar gelten
soll.“ Und in der Umsetzung können die Mitgliedsländer über die Richtlinie
hinausgehen. Der Nabu fordert von der Ampel strengere
Nachhaltigkeitskriterien oder aber einen Einbezug der Kraftwerksemissionen
in den nationalen CO₂-Preis.
10 Jul 2023
## LINKS
[1] /Energiewende-in-Hamburg/!5878900
[2] /Waermewende-in-Hamburg/!5927316
[3] /Schwedens-Umgang-mit-Waldgebieten/!5786633
## AUTOREN
Franziska Gerneth
## TAGS
Schwerpunkt Klimasabotage
Schwerpunkt Klimawandel
Holzindustrie
Abholzung
Kohleausstieg
Energiewende
Lesestück Recherche und Reportage
GNS
Wald
Energiewende
Südafrika
Holzindustrie
Fernwärme
Energiekrise
Energiewende
Forstwirtschaft
## ARTIKEL ZUM THEMA
Entwaldungsverordnung der EU: Waldschutz soll warten
Neue Regeln sollen verbieten, dass Wälder für Warenproduktion gerodet
werden. Doch Minister Özdemir will die Verordnung verschieben.
Debatte um Holzheizungen: Klimaneutral mit Fragezeichen
Holzheizungen sind weniger öko, als viele annehmen. Die Bundesregierung
hält trotzdem an der Förderung als klimaneutrale Wärmequelle fest.
Kohleindustrie in Südafrika: Schmutziges schwarzes Gold
Rund 80 Prozent des Stroms wird in Südafrika aus Kohle erzeugt. Das Land
exportiert zudem immer mehr Kohle nach Europa – auch nach Deutschland.
Kompetenzzentrum für Holzherkünfte: Die Zurückverfolger
Im Hamburger Kompetenzzentrum für Holzherkünfte prüfen Forschende die
Herkunft von Hölzern aus aller Welt. Oft ist das Holz nicht richtig
deklariert.
Baustoffexperte über Pelletheizungen: „Wir müssen das Holz klüger nutzen“
Die Bundesregierung fördert Pelletheizungen und möchte zeitgleich den
Holzbau ankurbeln. Das ist ein Widerspruch, sagt Baustoffexperte Frank
Herrmann.
Holz als Alternative zum teuren Gas: Platte oder Pellet?
Energie ist so teuer, dass inzwischen sogar Möbelholz im Kraftwerk landet.
Das Europaparlament will nun aus Klimagründen gegensteuern.
Energiewende in Hamburg: Proteste gegen Holzverbrennung
Der Hamburger Senat will angeblich „klimaneutrale“ Fernwärme aus Holz
erzeugen. Umweltorganisationen protestieren gegen die Pläne.
Waldpartnerschaften: Holznutzung kontra Urwald
Forstämter versuchen mit Unternehmenspartnerschaften ihre Flächen
nachhaltig zu bewirtschaften und trotzdem Geld zu verdienen.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.