# taz.de -- EU-Subventionen für Pellets: Europa auf dem Holzweg | |
> In Europas Kohlekraftwerken werden immer mehr Pellets verbrannt – | |
> subventioniert durch die EU. Dass das so bleibt, dafür sorgt auch die | |
> Holzlobby. | |
Bild: Nachhaltiger als Kohle? Dank dieses Mythos werden Holzpellets immer belie… | |
Man muss nicht lange suchen, um das Kraftwerk Amercentrale im beschaulichen | |
Örtchen Geertruidenberg zu finden. Der große Rauchschwaden, der aus dem | |
175 Meter hohen Schornstein von „Unit 9“ aufsteigt, ist unübersehbar. | |
Inmitten der kleinen Backsteinhäuser und akkurat gepflegten Vorgärten | |
sticht der Anblick hervor. Geertruidenberg liegt in der niederländischen | |
Provinz Noord-Brabant, nur etwa 50 Kilometer von Rotterdam entfernt. | |
Marjanne van Ginkel-Vroom ist Pressesprecherin des Energiekonzerns RWE in | |
den Niederlanden, der Amercentrale betreibt, und zeigt auf ein beladenes | |
Schiff am kraftwerkseigenen Hafen. „Jeden Tag legt hier ein solches Boot | |
an. Das sind im Schnitt 2.500 Tonnen Holzpellets. So viel verfeuern wir | |
manchmal an einem Tag.“ | |
Das Amer-Kraftwerk verbrennt jährlich 1,7 Millionen Tonnen der kleinen | |
Holzstäbchen. Mit einem Durchmesser von weniger als 7 Millimeter sehen sie | |
fast aus wie Tierfutter. Nur noch etwa 15 Prozent des im Amer-Kraftwerk | |
erzeugten Stroms stammt aus Kohle. „Die Pellets lassen sich ähnlich wie | |
Steinkohle verarbeiten und sind zudem viel sauberer. Ab Sommer 2024 wollen | |
wir gar keine Kohle mehr verwenden“, erklärt die Holländerin stolz. | |
Doch was ist dran an der Sauberkeit der Pellets? Ziemlich wenig, wenn es | |
nach dem Wetterexperten Jörg Kachelmann geht. „Nichts ist dreckiger als die | |
Verbrennung von Holz oder Pellets.“ Es war 1984, als Kachelmann oberhalb | |
der Gotthard-Autobahn in der Schweiz die erste Ozon-Messstation | |
eingerichtet hat. Heute twittert er fast täglich Feinstaubdiagramme. Dabei | |
prophezeit er Unheilvolles. „Wir steuern geradewegs auf eine | |
lufthygienische Feinstaubkatastrophe zu. Die Obsession, Sachen zu | |
verbrennen, hat katastrophale Auswirkungen auf Mensch, Umwelt und Klima.“ | |
Der 64-Jährige sieht sich als Teil einer „Grünen Öko-Guerilla“ und wird | |
nicht müde, Überzeugungsarbeit zu leisten. Was er von der Verbrennung von | |
Holzpellets in Kraftwerken halte? „Nichts“, antwortet er knapp gegenüber | |
der taz. | |
RWE hat bereits in den 1990ern erkannt, dass sich Holzpellets nicht nur als | |
Wärmequelle in Privathäusern eignen, sondern auch zur Stromerzeugung in | |
großen Kraftwerken genutzt werden können. Eine willkommene Möglichkeit, | |
Kohlekraftwerke, die im Zuge der Energiewende abgeschaltet werden sollten, | |
am Netz zu lassen und auf die Pelletverbrennung umzurüsten. | |
Das Kraftwerk in Geertruidenberg ist nicht das einzige, das der Konzern | |
auf Biomasse umstellt. Ein zweites niederländisches Kraftwerk, in Eemshaven | |
an der Nordsee, soll in Zukunft ebenfalls ausschließlich organische Stoffe | |
verbrennen – pünktlich zum in den Niederlanden für 2030 angepeilten | |
Kohleausstieg. Der Konzern wolle schnellstmöglich weg von der schmutzigen | |
Kohle, investiere auch viel in Solar und Wind. | |
„Doch was, wenn die Sonne nicht scheint oder der Wind nicht weht?“, fragt | |
van Ginkel-Vroom. Es brauche eine verlässliche Strom- und Wärmequelle und | |
„die Verbrennung von Holz ist eine CO2-neutrale Alternative“, behauptet | |
sie. Bei der Verbrennung werde „nur so viel Kohlenstoff freigesetzt, wie | |
die Bäume vorher aufgenommen haben“. | |
## Viel schlimmer als Gas oder Kohle | |
Michaela Kruse vom Naturschutzbund Deutschland [1][Nabu weist das zurück]. | |
„Das Verbrennen von Holz setzt pro Energieeinheit sogar mehr CO2 frei als | |
Kohle.“ Auf Webseiten der Holzlobby sind dazu Werte von nur 22 Gramm CO2 | |
pro Kilowattstunde zu finden. Wolfgang Lucht vom Potsdam-Institut für | |
Klimafolgenforschung sagt hingegen, Pellets verursachen tatsächlich bei der | |
Verbrennung die dreifache CO2-Menge wie Gas und doppelt so viel wie Kohle – | |
rund 750 Gramm pro Kilowattstunde. | |
Kruse kämpft seit Jahren für den Kohleausstieg und eine nachhaltige | |
Energiewende. „Es dauert Jahrzehnte, bis das ausgestoßene CO2 wieder in | |
nachwachsenden Bäumen gebunden ist. Diese Zeit haben wir bei der Bekämpfung | |
der Klimakrise nicht“, sagt sie. Doch da die Verbrennung von Holz in der EU | |
„auf dem Papier klimaneutral ist, lassen sich so Klimabilanzen | |
aufhübschen“. | |
Mehrere große Kohlekraftwerke, die auf Holzverbrennung umgerüstet wurden, | |
wurden dabei durch staatliche Subventionen unterstützt. Darunter jene von | |
RWE in den Niederlanden, das Kraftwerk Drax in England oder Ørsted in | |
Dänemark. Dabei ist die Stromgewinnung aus Holzverbrennung sehr | |
ineffizient. Das Kraftwerk Drax, welches die Prozesswärme einfach in die | |
Außenluft ableitet, schneidet mit einem Wirkungsgrad von weniger als 40 | |
Prozent besonders schlecht ab. Das bedeutet, dass sehr große Mengen Holz | |
verbrannt werden müssen, um einen vergleichsweise geringen Teil an Strom zu | |
erzeugen. | |
Die Genehmigung zur Kohleverbrennung der niederländischen Regierung für das | |
Amer-Kraftwerk läuft 2025 aus. Ob der Umstieg auf alternative Energien – | |
und der Kohleausstieg – wirklich so freiwillig ist, wie die RWE-Sprecherin | |
van Ginkel-Vroom suggeriert, ist fraglich. Von dem 2019 gefassten Beschluss | |
des niederländischen Parlaments zum Kohleausstieg war RWE jedenfalls wenig | |
begeistert. Der Konzern verklagte die Niederlande deshalb 2021 auf | |
Schadenersatz in Milliardenhöhe. „Ein Eingriff in Eigentum, ohne eine | |
Entschädigung dafür zu erhalten, ist nicht akzeptabel“, so RWE. Die Klage | |
wurde abgewiesen. | |
## Zu schnell und zu viel abgeholzt | |
Die industriellen Kraftwerke verschlingen riesige Mengen an Holzpellets. In | |
der gestiegenen Nachfrage auf dem Holzmarkt sieht Kruse eine Gefahr für die | |
Wälder, die als eine der wichtigsten Treibhausgas-Senken, also Systeme, die | |
Kohlenstoff binden können, unverzichtbar sind. Einige europäische Länder | |
haben seit 2018 ihre Wald-CO2-Senken effektiv verloren: Die Entwaldung und | |
der beanspruchte Boden setzen mehr Emissionen frei, als die Wälder binden. | |
Das passiert dann, wenn zu viel abgeholzt wird und sich die Wälder nicht | |
schnell genug erholen können. | |
Zum Beispiel in Estland, Europas größter Pellet-Exporteur, in dem jährlich | |
zehn bis zwölf Millionen Kubikmeter Holz eingeschlagen werden. Hier, wie | |
auch in den anderen baltischen Staaten, treibt die estnische Pellet-Firma | |
Graanul Invest die Abholzung voran, um europäische Kohlekraftwerke zu | |
beliefern. Auch in Finnland, das zu drei Vierteln von Wald bedeckt ist, | |
ging die Waldsenke bereits verloren. In Rumänien, berühmt für Europas | |
letzte Urwälder, droht das Szenario ebenfalls einzutreten. | |
Und nicht nur europäische Wälder leiden. „Drax, eines der weltweit größten | |
auf Holzpellets umgerüsteten Kohlekraftwerke, verbrennt jedes Jahr mehr | |
Holz, als im gesamten Vereinigten Königreich geerntet wird. Es handelt sich | |
dementsprechend hauptsächlich um importierte Holzpellets“, so Kruse. | |
Auch RWE ist auf Lieferungen aus dem Ausland angewiesen: Estland, Lettland, | |
Finnland und Nordamerika gehören zu den Hauptlieferanten. Alles Regionen, | |
die wegen übermäßiger Rodungen in der Kritik stehen. Auf den Websites von | |
RWE und Drax stehen neben Fotos von sattgrünen Wäldern vor allem | |
Nachhaltigkeitsversprechen. Die verwendeten Holzpellets bestünden fast | |
ausnahmslos aus gepressten Sägespänen und Holzresten. | |
## Ganze Baumstämme gehen drauf | |
Dasselbe behauptet der US-amerikanische Pelletgigant Enviva, der sowohl RWE | |
als auch Drax mit tonnenweise Pellets versorgt. Der Konzern ist auf | |
Erfolgskurs, seit 2009 die Erneuerbare-Energien-Richtlinie der EU in Kraft | |
trat. Die Richtlinie stufte die Verbrennung von Holz pauschal als | |
klimaneutral ein – die Nachfrage nach Holzpellets schoss in die Höhe und | |
der ehemals kleine Pelletproduzent wurde zum Weltmarktführer. | |
Aber nicht nur Enviva ist seither gewachsen. Laut der Waldschutz-NGO FERN | |
stieg auch der CO2-Ausstoß, der auf die Verbrennung von Biomasse in der EU | |
zurückzuführen ist, seither um 50 Prozent an. | |
Heute produziert Enviva knappe 6,2 Millionen Tonnen Pellets pro Jahr – und | |
zwar auf Kosten der Wälder, wie Recherchen des Deforestation Inc.-Projekts | |
zeigen. Das internationale Rechercheteam deckte auf, dass nur wenig hinter | |
den Versprechen der Konzerne steckt, und zeigt, wie Enviva in North | |
Carolina Wälder kahlschlägt, ganze Baumstämme zerhäckselt und nebenher | |
seine Fabriken in die direkte Nachbarschaft von vorwiegend schwarzen und | |
armen Gemeinden setzt. RWE und Drax sind gute Kunden. | |
Nirgendwo ist die Nachfrage nach Holzpellets so hoch wie in den Ländern der | |
EU und Großbritannien. Die Energiekrise und die hohen Energiepreise sorgen | |
ebenso für hohe Pelletpreise. Das macht das Geschäft für | |
Pellethersteller:innen lukrativ. Im letzten Jahr trieb der | |
Ukrainekrieg die Preise sogar derart in die Höhe, dass „es für Sägewerke | |
sinnvoller war, ihre Sägenebenprodukte an Pellethersteller:innen als | |
an Spanwerke zur Herstellung von MDF-Platten zu verkaufen“, so Anemon | |
Strohmeyer, Geschäftsführerin vom Verband der deutschen | |
Holzwerkstoffindustrie. | |
## Falschinformation und Unsicherheit | |
Mit der Mitte Juni vom Rat beschlossenen Überarbeitung der | |
Erneuerbare-Energien-Richtlinie (RED III) hätte sich vieles ändern können. | |
Es wurde neu verhandelt, ob und wie Holzverbrennung in Zukunft als | |
erneuerbare Energie gezählt und gefördert werden kann. | |
„Doch die Holzlobby hatte einen starken Einfluss auf das Ergebnis“, sagt | |
Martin Häusling. Der EU-Abgeordnete vertrat bei den RED-III-Verhandlugen | |
die Anliegen der Grünen im EU-Umweltausschuss. „Zum einen waren da die | |
Interessen von Schweden und Finnland. Das sind Länder, in denen die | |
Forstwirtschaft eine so wichtige Bedeutung hat wie die Automobilindustrie | |
in Deutschland.“ Schweden führte bis vor Kurzem den Vorsitz im EU-Rat. | |
„Doch auch die Kampagne der Waldbesitzer in Bayern und Österreich sorgte | |
durch Falschinformationen für viel Unsicherheit“, so Häusling. Der | |
Vorschlag des Parlaments richtete sich weitgehend nach den Empfehlungen des | |
Umweltausschusses. Der wollte unter anderem Subventionen für die | |
Verbrennung von Primärholz – also Holz, das weder Neben- noch Abfallprodukt | |
ist – zukünftig nicht mehr erlauben. Außerdem sollten die | |
EU-Mitgliedstaaten ihren Holzanteil am Erneuerbaren-Mix bis 2030 | |
reduzieren. | |
Die Arbeitsgemeinschaft Deutscher Waldbesitzer setzte dagegen ein | |
Protestschreiben auf, das von mehr als 250.000 Mitgliedern unterzeichnet | |
wurde. Immer mehr besorgte Waldbesitzer:innen meldeten sich bei den | |
Abgeordneten. Martin Häusling schüttelt den Kopf. „Zu keinem Zeitpunkt | |
wollten wir die Holzverbrennung verbieten. Kleinere Verbrennungsanlagen | |
unter 5 Megawatt wären ohnehin unter eine Sonderregelung gefallen.“ | |
## Wachstum durch Kahlschlag? | |
Josef Ziegler sieht das anders. Er biegt mit seinem Geländewagen in ein | |
Waldstück im Landkreis Cham in Bayern ab. Es ist still. Und düster. Dicht | |
an dicht reihen sich hier hochgewachsene Fichten. Die Fichte ist mit einem | |
Anteil von über 40 Prozent die am häufigsten vorkommende Baumart in | |
Bayern. Bis in die 70er Jahre herrschte Konsens darüber, dass dieser Baum | |
die Lösung sei, um kahle Flächen wieder zu bewalden. Doch heute führen die | |
Monokulturen zu Problemen. | |
Josef Ziegler ist studierter Forstwirt und selbst Besitzer eines 2,3 Hektar | |
großen Waldstücks. Er und andere Waldbesitzer:innen in der Region | |
seien dem Wald stark verbunden, schließlich würden die Waldstücke über | |
Generationen weitervererbt. Doch in die Zukunft blickt er pessimistisch. | |
„In 30 Jahren wird von diesen Bäumen nicht mehr viel übrig sein. Unsere | |
Fichten sterben. Das 1,5-Grad-Ziel, von dem immer alle sprechen, haben wir | |
hier schon überschritten. Die Natur macht das nicht mehr mit. Die meisten | |
dieser Bäume werden der Dürre und Hitze zum Opfer fallen. Den Rest erledigt | |
dann der Borkenkäfer.“ | |
Ziegler setzt sich seit mehr als 20 Jahren für die Interessen der | |
Kleinwaldbesitzenden ein. Eine letzte Hoffnung für die Wälder sieht der | |
55-Jährige in einem radikalen Waldumbau. Der Wald brauche mehr Vielfalt, um | |
unter den neuen klimatischen Bedingungen zu überleben. Dafür müssen | |
optimale Voraussetzungen für neue Baumarten wie die Eiche, Buche und Tanne | |
geschaffen werden. Das Fällen von Bäumen sei dafür unbedingt nötig, alleine | |
schon, um für Lichteinfall zu sorgen und so neues Wachstum zu fördern. | |
Ziegler, der selbst immer wieder in Brüssel war, um die Anliegen der | |
Waldbesitzenden hinsichtlich der RED-III-Verhandlungen zu vertreten, ist | |
aufgebracht. Er zeigt auf einen Holzhaufen am Wegrand: „Der | |
Umweltausschuss, beeinflusst von radikalen Naturschutzverbänden, wollte uns | |
mit der Wegdefinierung von Holz als erneuerbare Ressource das Verbrennen | |
von Holz langfristig gesehen verbieten“, sagt er. | |
## Unklare Herkunft, schwammige Formulierungen | |
Er selbst sei „auch kritisch hinsichtlich des enormen Verbrauchs von | |
Industriepellets“. Doch die Diskussion über Holzenergie werde „zu pauschal | |
betrieben“. Ziegler sieht in der energetischen Nutzung des Holzes einen | |
Anreiz für die Waldbesitzer:innen, ihren Wald nachhaltiger zu | |
bewirtschaften und so am Waldumbau mitzuwirken. Viele in der Region heizen | |
ihre Häuser mit Holz. Geschlagenes Holz nicht verbrennen zu dürfen, wäre | |
„irrsinnig“, so Ziegler. | |
Im Gegensatz zu Ziegler war Michaela Kruse vom Nabu mit dem Vorschlag des | |
Parlaments zufrieden. „Wenn die Mitgliedstaaten zukünftig nicht noch mehr | |
Holz als erneuerbar anrechnen dürfen, dann dürften keine Subventionen mehr | |
gezahlt werden. In den Niederlanden ist das ein großes Thema, da gab es in | |
der Vergangenheit sehr hohe Subventionen.“ | |
Trotzdem war der EU-Entscheid auch für deutsche | |
Kraftwerksbetreiber:innen äußerst interessant. Denn bisher gibt es | |
hierzulande nur sogenanntes Co-Firing, also das Mitverbrennen von Holz in | |
Kohlekraftwerken – wie zum Beispiel bei Vattenfall im Berliner Stadtteil | |
Moabit. Kraftwerksumrüstungen liegen noch in der Zukunft: So möchte der | |
[2][Energiepark Tiefstack], betrieben von den kommunalen Hamburger | |
Energiewerken, zukünftig einen Teil der Fernwärme durch Pelletverbrennung | |
decken. | |
Michaela Kruse ist besorgt über unscharfe Formulierungen bei der benötigten | |
Menge und Herkunft der Holzpellets. Der veröffentlichte Biomasse-Kodex sei | |
zu lasch und würde auch Pellets von Enviva und Graanul Invest nicht | |
ausschließen. | |
## Holzlobby am Werk | |
Eine noch höhere Menge an Pellets würde das neue Kraftwerk in Wilhelmshaven | |
des Betreibers Onyx benötigen. Der Nabu schätzt den Verbrauch auf drei | |
Millionen Tonnen pro Jahr. Da Deutschland aber insgesamt nur rund 3,5 | |
Millionen Tonnen Pellets produziert, müsse man importieren. Eigentümer von | |
Onyx ist die Riverstone Holding – und die gleichzeitig Hauptaktionär des | |
weltweit größten Pelletunternehmens Enviva. Es liegt nahe, dass | |
Enviva-Pellets verbrannt werden. „In Wilhelmshaven haben sie das schon | |
zugegeben“, sagt Michaela Kruse vom Nabu. | |
Würde die Verbrennung von Holz nicht mehr pauschal als „erneuerbare | |
Energie“ gelten, fiele eine CO2-Abgabe an. Viele große Kraftwerke wären | |
dann schlichtweg nicht mehr rentabel. Um das abzuwenden, lobbyierten | |
zahlreiche Verbände für eine Abschwächung der Nachhaltigkeitskriterien. Mit | |
dabei war das „Forum für nachhaltige Holzenergie“, das vor allem die | |
Interessen von Kraftwerksbetreiber:innen und | |
Pellethersteller:innen vertritt. | |
Mitglieder sind etwa Enviva, Onyx und Wismar Pellets. Letzteres ist mit | |
einer Produktionskapazität von 250.000 Tonnen im Jahr das größte Pelletwerk | |
in Nord- und Ostdeutschland. Wismar Pellets gehört seit Frühjahr 2023 zum | |
Braunkohlekonzern LEAG. Die Naturschutzorganisation Robin Wood wirft dem | |
Unternehmen vor, auch aus Holzstämmen, mit denen sich langlebige Produkte | |
herstellen ließen, Pellets zu produzieren. | |
Nach taz-Informationen war das „Forum für nachhaltige Holzenergie“ | |
besonders gegen Ende der Verhandlungen sehr aktiv dabei, Abgeordnete davon | |
zu überzeugen, Primärholz weiterhin als klimaneutral zu werten. Ihr | |
Argument: Würde die Nutzung von minderwertigem Stamm- und Rundholz | |
eingeschränkt, würden die Klimaziele nicht erreicht. | |
## Gefakte Klimaneutralität | |
Der letzte Trilog zwischen EU-Parlament, -Rat und -Kommission fand Ende | |
März statt. Verhandelt wurde hinter verschlossenen Türen. „Unsere | |
Forderung, Primärholz als nicht nachhaltig einzustufen, wurde komplett | |
gestrichen“, so Michaela Kruse. Zwar wurde das europäische Ziel, den Anteil | |
erneuerbarer Energien bis 2030 von 32,5 auf 45 Prozent anzuheben, | |
festgelegt. „Aber die Ziele können auch durch den Ausbau von | |
Holzverbrennung erreicht werden“, sagt sie. | |
Einzig Industrieholz bekomme keine direkte finanzielle Unterstützung mehr. | |
„Die Frage ist, wie das von den Mitgliedstaaten definiert wird. ‚Rundholz, | |
das industriell genutzt werden kann‘ – das ist eine schwammige Definition.�… | |
Kruse befürchtet, dass so auch viele Naturwälder eingeschlagen werden | |
könnten. Denn dort würde man besonders viele Bäume finden, die nicht so | |
hochgewachsen und gerade sind wie Kiefern oder Fichten aus ehemaligen | |
Forstplantagen. | |
Auch der grüne Abgeordnete Martin Häusling sieht das Ergebnis kritisch. „Es | |
war fatal, dass Schweden die Verhandlungen geführt hat. Schweden hat eine | |
sehr starke und [3][bekanntlich wenig nachhaltige Forstwirtschaft] und von | |
Anfang an klar dafür plädiert, dass kein Interesse daran besteht, die | |
Verbrennung von Holz irgendwie einzuschränken. Jetzt werden weiterhin | |
massenweise Pellets importiert, die dann in Holland und Dänemark in | |
Kraftwerken verschwinden.“ | |
Die Mitgliedstaaten haben 18 Monate Zeit, um die Richtlinie in nationales | |
Recht zu überführen. Hier könnte man laut Kruse ansetzen. „Deutschland hat | |
während der Verhandlungen eine ganz gute Position vertreten und sich stark | |
dafür eingesetzt, dass die Holzverbrennung nicht mehr als erneuerbar gelten | |
soll.“ Und in der Umsetzung können die Mitgliedsländer über die Richtlinie | |
hinausgehen. Der Nabu fordert von der Ampel strengere | |
Nachhaltigkeitskriterien oder aber einen Einbezug der Kraftwerksemissionen | |
in den nationalen CO₂-Preis. | |
10 Jul 2023 | |
## LINKS | |
[1] /Energiewende-in-Hamburg/!5878900 | |
[2] /Waermewende-in-Hamburg/!5927316 | |
[3] /Schwedens-Umgang-mit-Waldgebieten/!5786633 | |
## AUTOREN | |
Franziska Gerneth | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Klimasabotage | |
Schwerpunkt Klimawandel | |
Holzindustrie | |
Abholzung | |
Kohleausstieg | |
Energiewende | |
Lesestück Recherche und Reportage | |
GNS | |
Wald | |
Energiewende | |
Südafrika | |
Holzindustrie | |
Fernwärme | |
Energiekrise | |
Energiewende | |
Forstwirtschaft | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Entwaldungsverordnung der EU: Waldschutz soll warten | |
Neue Regeln sollen verbieten, dass Wälder für Warenproduktion gerodet | |
werden. Doch Minister Özdemir will die Verordnung verschieben. | |
Debatte um Holzheizungen: Klimaneutral mit Fragezeichen | |
Holzheizungen sind weniger öko, als viele annehmen. Die Bundesregierung | |
hält trotzdem an der Förderung als klimaneutrale Wärmequelle fest. | |
Kohleindustrie in Südafrika: Schmutziges schwarzes Gold | |
Rund 80 Prozent des Stroms wird in Südafrika aus Kohle erzeugt. Das Land | |
exportiert zudem immer mehr Kohle nach Europa – auch nach Deutschland. | |
Kompetenzzentrum für Holzherkünfte: Die Zurückverfolger | |
Im Hamburger Kompetenzzentrum für Holzherkünfte prüfen Forschende die | |
Herkunft von Hölzern aus aller Welt. Oft ist das Holz nicht richtig | |
deklariert. | |
Baustoffexperte über Pelletheizungen: „Wir müssen das Holz klüger nutzen“ | |
Die Bundesregierung fördert Pelletheizungen und möchte zeitgleich den | |
Holzbau ankurbeln. Das ist ein Widerspruch, sagt Baustoffexperte Frank | |
Herrmann. | |
Holz als Alternative zum teuren Gas: Platte oder Pellet? | |
Energie ist so teuer, dass inzwischen sogar Möbelholz im Kraftwerk landet. | |
Das Europaparlament will nun aus Klimagründen gegensteuern. | |
Energiewende in Hamburg: Proteste gegen Holzverbrennung | |
Der Hamburger Senat will angeblich „klimaneutrale“ Fernwärme aus Holz | |
erzeugen. Umweltorganisationen protestieren gegen die Pläne. | |
Waldpartnerschaften: Holznutzung kontra Urwald | |
Forstämter versuchen mit Unternehmenspartnerschaften ihre Flächen | |
nachhaltig zu bewirtschaften und trotzdem Geld zu verdienen. |