Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Tatort Wald: In Brandenburg ist Holzauktion
> Der Diebstahl in den Wäldern hat zugenommen. Wegen steigender Holzpreise
> ist vor allem Brennholz begehrt. Aber auch der gewerbliche Diebstahl
> boomt.
Bild: Ein Polter am Waldweg: Meist hat der Käufer schon bezahlt
Siehdichum taz | Paul Terget ist immer noch sauer. „Zwanzig Festmeter Holz
waren das“, sagt der Landwirt aus der Gemeinde Siehdichum im Landkreis
Oder-Spree in Brandenburg. „Einfach weg. Und dann kommt die Polizei und
sagt: keine Spur.“
Zwei Jahre ist es nun her, dass die Holzdiebe bei Paul Terget zugeschlagen
haben. In seiner Gegend haben sie besonders leichtes Spiel. 48,1 Prozent
des Landkreises sind mit Wald bedeckt. [1][In der Gemeinde Siehdichum sind
es 80,3 Prozent.] Zum Vergleich: In Brandenburg sind 37 Prozent der
Landesfläche als Wald ausgewiesen, bundesweit sind es 32 Prozent.
Heute denkt Paul Terget, dass er die Diebe vielleicht auch eingeladen hat.
Mit der Holzernte hatte er polnische Waldarbeiter beauftragt. Sie haben die
Bäume gefällt, auf Länge gesägt und auf einen Polter gestapelt.
## Holz war weg
„Anschließend haben wir den Polter vermessen“, erinnert sich Terget, der
seinen richtigen Namen nicht in der Zeitung lesen will. Er sitzt im Büro
seines Hofs auf einem der ausgebauten Autositze, die um einen langen Tisch
angeordnet sind. Beim Vermessen des Polters habe es Unstimmigkeiten mit dem
Verkäufer gegeben, sagt er. Denn Terget ist kein Waldbesitzer, er hat das
Holz gekauft, um es irgendwann weiterzuverkaufen. Terget verlangte, dass
der Besitzer noch einmal nachmisst. „Und dann war das Holz weg.“ Zu diesem
Zeitpunkt hatte Terget schon bezahlt. 7.000 Euro betrug der Schaden.
Tergets Fall war 2021 einer von sieben, die im Landkreis Oder-Spree zur
Anzeige gebracht wurden. In ganz Brandenburg gab es im selben Jahr laut
polizeilicher Kriminalitätsstatistik 74 Holzdiebstähle. Schadenssummer
65.000 Euro.
Seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine sind die Zahlen gestiegen. Das
bestätigt Brandenburgs grüner Umwelt- und [2][Agrarminister Axel Vogel] in
der Antwort auf eine [3][kleine Anfrage der AfD]. „Vor dem Hintergrund der
stark gestiegenen Energiepreise hat der Holzdiebstahl in den Wäldern
Brandenburgs in den letzten Monaten sehr zugenommen“, schrieb Vogel im
Dezember 2022. Ob allerdings vorwiegend Brennholz geklaut wird oder, wie im
Falle von Paul Terget, ganze Polter gestohlen werden, bleibt offen.
Auch Jürgen Gaulke hat da keine Statistik zur Hand. Aber er kennt die
Meldungen, die von den Waldbesitzern auf seinem Schreibtisch landen. Gaulke
ist der Sprecher der [4][Arbeitsgemeinschaft Deutscher Waldbesitzer], einem
Verband, der vor allem die privaten Waldeigentümer in Deutschland vertritt.
„Die Zunahme der Holzdiebstähle“, sagt er in seinem Büro in Berlin-Mitte,
„betrifft sowohl den Kleindiebstahl als auch die gewerblichen Diebstähle.“
Auf „fifty-fifty“ schätzt Gaulke das Verhältnis. Die Dunkelziffer sei in
beiden Fällen hoch.
## Mit schwerem Gerät
Gern erzählt Gaulke die Geschichte vom wohl spektakulärsten Holzraub aus
Königs Wusterhausen. Mit schwerem Gerät sei jemand in ein Waldgebiet
gefahren und habe 100 Kiefern gefällt. Durch einen Anruf habe der Besitzer
von der Tat erfahren. Schnell habe er sich ins Auto gesetzt und den Täter,
einen Holzhändler aus Brandenburg, auf frischer Tat ertappt. Der Prozess
läuft noch.
„Wir haben im professionellen Bereich sehr oft Auftragsdiebstahl“, weiß
Jürgen Gaulke. „Manchmal haben die Banden auch Späher, die sagen: ‚Oh, da
ist ein interessanter Eichenbestand, ich frag mal den oder den, ob die das
haben wollen.‘ “ Das Holz werde nicht einfach so mitgenommen, betont
Gaulke. „So eine Menge muss ja auch wo hingeschafft werden, da braucht es
sofort einen Abnehmer.“
Es ist noch nicht lange her, da haben die Waldbesitzer nicht so gern über
den Holzklau gesprochen. Man wolle keine schlafenden Hunde wecken, sagten
die einen. Andere meinten, das sei gar kein Problem. „Doch das stimmt
natürlich nicht“, erklärt Gaulke den Sinneswandel. „Inzwischen ist es ein
wichtiges Thema geworden, deshalb haben wir uns auch entschlossen, uns dazu
zu positionieren.“
Schwerpunkt des Holzdiebstahls in Deutschland sind laut
Waldbesitzer-Verband Brandenburg und Nordrhein-Westfalen. „In Brandenburg
liegt es an der Grenze zu Polen“, sagt Jürgen Gaulke. In
Nordrhein-Westfalen sei vor allem der private Holzdiebstahl ein Problem. In
vielen Städten im Ruhrgebiet werde noch mit Holz geheizt.
Als die Preise für Gas und Öl durch die Decke gingen, boomte das Geschäft
mit den Kaminöfen. Gleichzeitig wurde das Brennholz knapp. „Die
Brennstoffhändler waren ausverkauft“, erklärt Jürgen Gaulke. „Und wenn
neues Holz kam, war es nach ein paar Stunden weg. Das war im Grunde wie
Klopapier. Da wurde gehortet, auf Teufel komm raus.“
Dazu kam der enorme Preissprung um teilweise bis das Fünffache.
Spitzenreiter bei der Preisspirale war Köln. Dort wurden statt 70 Euro für
den Kubikmeter bis zu 350 Euro bezahlt. Also hätten die Leute gemacht, was
sie nach dem Krieg auch getan haben, sagt Gaulke. „Sie sind fringseln
gegangen.“ Fringseln, das ist ein Begriff, der auf dem Kölner Kardinal
Josef Frings zurückgeht. „Der hat nach dem Krieg seinen Segen gegeben, dass
man im Wald Holz sammeln durfte.“
## Holzklau ist kein Kavaliersdelikt
Anders als damals ist Holzdiebstahl heute kein Kavaliersdelikt mehr. Auch
gibt es keine „haushaltsüblichen Mengen“, die man dem Wald entnehmen darf,
wie etwa beim Pilzesammeln. Im Grunde macht sich jeder schuldig, der einen
abgebrochenen Ast aus dem Wald nach Hause nimmt.
Für manche kommt dann die böse Überraschung, die inzwischen auch in die
Statistiken eingeht. Denn anders als die professionellen Holzdiebe werden
die Kleindiebe öfter geschnappt. „Wer mit dem Hackenporsche in den Wald
geht, erregt Verdacht“, warnt Gaulke. „Und wer mit dem Auto kommt, muss
damit rechnen, dass jemand sein Kennzeichen notiert und den Waldbesitzer
anruft. Dann gibt es eine Strafanzeige.“
Fährt dagegen jemand wie in Königs Wusterhausen mit dem Harvester in den
Wald oder lädt, wie bei Paul Terget, einen Polter auf den Laster, denkt
jeder, das habe schon seine Richtigkeit.
Vom zunehmenden Holzdiebstahl betroffen ist auch Boris Schnittker,
[5][Betriebsleiter Forst] bei der [6][Stiftung Stift Neuzelle]. Mit 9.100
Hektar Waldfläche ist sie eine der größten Waldbesitzerinnen in
Brandenburg. Nach der Wende hat die neu gegründete Stiftung viele der
Wälder zurückbekommen, die einst dem Kloster Neuzelle gehört hatten.
„Die Diebstähle betreffen vor allem Klein- und Kleinstmengen“, sagt
Schnittker. „Wenn mal ein Baum umfällt, ist er zwei Wochen später weg.“
Wegen des zunehmenden Holzdiebstahls seien die Förster und Mitarbeiter der
Stiftung angehalten, „eine starke Flächenpräsenz zu zeigen“.
Fälle wie in Königs Wusterhausen hat es bei der Stiftung bislang nicht
gegeben. „Was bei uns noch nicht gestohlen wurde, ist Rundholz in großen
Mengen“, erklärt Schnittker. Das habe auch mit der Vertragsgestaltung zu
tun. „Wir verkaufen das Holz in Selbstwerbung. Das heißt, der Käufer erntet
selbst. Mit dieser Vertragsform schützen wir uns selbst vor Holzdiebstahl.“
Dass die Waldeigentümer beim Holzdiebstahl nicht immer die Geschädigten
sind, weiß auch Waldbesitzer-Sprecher Gaulke. „Normalerweise ist es so,
dass der Waldbesitzer die Waldarbeiter mit der Ernte beauftragt.“ Dann
werde es mit dem Harvester geschält und auf Länge geschnitten. Anschließend
werde das Holz gestapelt. Sobald das Holz am Wegesrand liegt, gilt die Ware
als übergeben. „Dann hat der Waldbesitzer sein Geld“, sagt Gaulke. „Dem
Käufer steht es frei, die Ware abzuholen, wann er möchte. In der Regel tut
er das aber schnell.“
Auf diese Weise schützen sich die Waldbesitzer einigermaßen vor
gewerblichem Diebstahl. Doch wie sieht es mit dem Klau von Brennholz aus?
Brandenburgs Agrarminister Vogel hat angekündigt, im Landeswald auf die
Holzsammler zuzugehen. „Der Landesbetrieb Forst Brandenburg plant die
Brennholzbereitstellung ‚frei Waldweg‘ für Privatpersonen zu erhöhen“,
heißt es in der Antwort auf die AfD-Anfrage. Wer für kleines Geld einen
Sammelschein erwirbt, kann in den 26 Prozent der 1,1 Millionen Hektar Wald,
die dem Land Brandenburg gehören, Brennholz entnehmen.
Holzauktion in Brandenburg also, so wie zum Ende des 19. Jahrhunderts im
Berliner Grunewald. Damals hieß es in einem beliebten Gassenhauer: „Im
Grunewald, im Grunewald ist Holzauktion/Der ganze Klafter Süßholz kost’t
’nen Taler.“
29 Apr 2023
## LINKS
[1] https://www.niederlausitz-aktuell.de/brandenburg/65974/brandenburg-ist-eine…
[2] https://mluk.brandenburg.de/mluk/de/ueber-uns/minister/
[3] https://afd-fraktion-brandenburg.de/kleine-anfrage-der-abgeordneten-lars-gu…
[4] https://www.waldeigentuemer.de/
[5] https://www.stift-neuzelle.de/forstbetrieb/portrait
[6] https://www.stift-neuzelle.de/
## AUTOREN
Uwe Rada
## TAGS
wochentaz
Schwerpunkt Stadtland
Holz
Wald
Waldbrände
Mischwald
Mischwald
Schwerpunkt Stadtland
Holz
Wald
Energiepreise
## ARTIKEL ZUM THEMA
Waldbrand in Jüterbog: Löschen wird zum Randphänomen
Bei Jüterbog versucht die Feuerwehr, den Wald kontrolliert brennen zu
lassen. Eindämmen kann sie die erneuten Brände dort nicht.
Neue Wege beim Waldumbau: Vor dem Feuer
Was tun, wenn‘s brennt? Die Stiftung Stift Neuzelle will nicht warten, bis
das Feuer wütet. Waldbrandschutz und Waldumbau sollen Hand in Hand gehen.
Brandenburger Wald im Wandel: Förster als Bestatter
Wenn die Holzernte nicht mehr reicht: Die Stiftung Stift Neuzelle baut in
Ostbrandenburg ihre Wälder um – und gleichzeitig ihr Geschäftsmodell.
Holz als Energieträger: Hoffen auf den Wald
Mit der Energiekrise geht der Blick sehnsuchtsvoll Richtung Wald. Da wächst
doch ein Energieträger. Wenn die Sache mit dem Brennholz nur so einfach
wäre.
Neue Professur für Holzbau in Lübeck: Unser Freund, der Baum
Lübecks Technische Hochschule bekommt eine Professur für Holzbau, weil
Bauen mit Holz öko und angesagt ist. Die Frage ist nur: Woher kommt das
Holz?
Wald als Industriegebiet: Mehr Wald klingt besser, als es ist
Statistisch wächst Niedersachsens Waldfläche seit Jahren. Aber die Qualität
in puncto Klimaschutz und Naherholung sinkt ständig.
Die These: Sparen kann auch Spaß machen
Angesichts gestiegener Preise für Strom und Gas ist Sparen das Gebot der
Stunde – mitunter auch Hamstern, meint unser Autor. Er übt sich in beidem.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.