| # taz.de -- Die These: Sparen kann auch Spaß machen | |
| > Angesichts gestiegener Preise für Strom und Gas ist Sparen das Gebot der | |
| > Stunde – mitunter auch Hamstern, meint unser Autor. Er übt sich in | |
| > beidem. | |
| Bild: Wer wohnt, muss heizen | |
| Wer lebt, muss wohnen. Wer wohnt, muss heizen. Wer heizt, hat ein Problem. | |
| Wer das noch nicht bemerkt hat, dem wird es dämmern, sobald die | |
| Nebenkostenabrechnung ins Haus flattert. Ganz egal, ob die gewünschte Wärme | |
| nun auf dem Verheizen von Gas, Öl, Kohle oder Strom beruht, hinter dem sich | |
| dann doch fossile Energieträger verbergen – wenn nicht gar Atomkraft, diese | |
| Hydra mit hässlichem Haupt. | |
| Weil für alles aber Strom gebraucht wird, werden die Preise für alles | |
| steigen. | |
| Was tun in dieser Lage? Sparen? Oder Hamstern? Oder bestenfalls eine | |
| Kombination aus beidem? Hamstern lässt sich im Wettlauf um begrenzte | |
| Ressourcen als amplifizierter Konsum beschreiben. Und Konsumieren, das | |
| wurde uns ja im amplifizierten Kapitalismus eingebläut, ist keine Zumutung. | |
| Sparen, also nicht konsumieren, dagegen schon. Hamstern ist der hysterische | |
| Cousin der Verschwendung. Sparen ist Verzicht. | |
| Unabhängig von diesen Unterschieden und unabhängig auch von der „sozialen | |
| Frage“ ändert das aber nichts an der Tatsache, dass wir hamstern können und | |
| sparen müssen. Vielleicht sollte es ein neues Wort dafür geben. Spamstern | |
| beispielsweise. Da klingt dann sogar das Wort Spaß mit durch. Ein halber | |
| Spaß. | |
| Was meine Hütte im Wald betrifft, in der ich schreibe, ging das Hamstern, | |
| um den Winter zu überstehen, ganz leicht von der Hand. Hinter den | |
| stählernen Zähnen seiner Schaufel karrte ein Bagger Brennholz heran und | |
| kippte es aus – einen ganzen Festmeter. Schon das Wort Festmeter klingt, | |
| anders als Kubikmeter, es klingt wie eine Maßeinheit für Verlässlichkeit. | |
| Da fragte ich mich zum ersten Mal, was ich hier eigentlich mache. In dieser | |
| einsamen Hütte mitten im Wald. Ein Ort, der nicht im Konkreten, aber im | |
| Übertragenen als Sehnsuchtsort doch der eigentliche Fluchtpunkt aller | |
| ökologischen Mahnerinnen und Warner, der Traum jedes zauselbärtigen | |
| Aussteigers und seiner zivilisationsmüden Begleiterin ist. Mein Traum war | |
| es nie. Trotzdem: Jetzt kann ich mal sehen, wie das wirklich ist, auf die – | |
| nach der Sonne selbst und heißen Quellen – ursprünglichste aller | |
| Heizmethoden zurückgreifen zu müssen. | |
| Also füllte ich die Scheite in eine Schubkarre und rollte sie so zum | |
| Schuppen oberhalb der Hütte, um sie dort halbwegs säuberlich im Trockenen | |
| und Luftigen zu stapeln. | |
| Manche Holzscheite lagen ganz leicht in der Hand, vermutlich Fichte. Andere | |
| Stücke waren schwerer, vermutlich Buche, Esche oder Birke. Das Gewicht ist | |
| wichtig, weil es vom Brennwert des Holzes erzählt. Je schwerer, desto | |
| länger brennt es. Vorausgesetzt, es wird „trocken und luftig“ gelagert. Am | |
| Ende waren es genau 569 Holzscheite. Ich weiß das, weil ich jeden einzelnen | |
| davon in der Hand hatte. | |
| Das Hamstern des Holzes – dessen Wert sich inzwischen verdreifacht hat – | |
| verschaffte mir eine eigentümliche Befriedigung, wie sie schon der Mensch | |
| in der Jungsteinzeit empfunden haben muss, wenn er wusste, dass er eine | |
| Zeit lang nicht friert. Und etwas gelernt habe ich auch: Je ökonomischer | |
| ich die Scheite verheize, umso mehr habe ich vom Hamstern. | |
| Was unsere Mietwohnung in der Stadt betrifft, ist das Hamstern keine | |
| Option. Hamstern kann nur der Staat in seinen Gasspeichern. Bei uns aber | |
| geht’s direkt ans Eingemachte, also ans Sparen. | |
| Robert Habeck, Wirtschaftsminister, rät zum „kurzen Duschen“. Das mag | |
| einleuchtend sein, hilfreich ist es in seiner paternalistischen | |
| Bevormundung sicher nicht. Eine vergleichbare Arroganz spricht aus Thorsten | |
| Weckherlin, Intendant verschiedener Theater im Württembergischen. Er | |
| faselte vom wärmenden „Lagerfeuer der Kultur“ und forderte „Spaßspeiche… | |
| Leider lässt sich Spaß nicht speichern. Er muss als Nebenprodukt beim | |
| Sparen selbst anfallen. | |
| ## Mehr als eine moralische Turnübung | |
| Ulrike Herrmann, Wirtschaftsjournalistin dieser Zeitung, zieht in ihrem | |
| aktuellen Buch sogar Parallelen zur britischen Kriegswirtschaft von 1939 | |
| bis 1945. Was bisher grünes Klingelingeling war, ist jetzt ein Gebot der | |
| Vernunft. Neu ist auch in urbanen Milieus, dass Einübungen in die | |
| Einschränkung nicht mehr moralische Turnübung oder Teil einer progressiven | |
| Lebensführung sind, wie noch zu Zeiten, als es nur die Klimakrise gab. | |
| Es geht nicht um die Rettung der Welt. Sondern schlicht ums Geld – und | |
| damit in vielen Fällen um die Existenz. Zwar sind vervielfachte Heizkosten | |
| ein Skandal, entsprechen aber den vernünftigerseits schon lange | |
| beschworenen wahren Kosten für fossile Energieträger. Jetzt tritt ein, | |
| wovor die Grünen immer gewarnt haben. Ihr Dilemma ist, dass es jetzt so | |
| wirkt, als seien sie für die Kostenexplosion verantwortlich. | |
| ## Nicht Prassen, sondern Sparspassen | |
| Zurück zum Konkreten. Zum Sparen. Vielleicht sollte es auch dafür ein neues | |
| Wort geben. Sparspaß beispielsweise. Nicht als Widerspruch in sich, sondern | |
| als Tautologie. So als wäre Spaß haben und Sparen das Gleiche. | |
| Bei uns sieht das so aus: Gas erhitzt Wasser in Boilern, lauwarmes Wasser | |
| braucht kein Mensch, also ist die Warmwasserzufuhr in unserer Küche | |
| abgedreht. Bis jetzt hat das noch niemand gemerkt. | |
| Die Töchter duschen nun statt einer elegischen halben Stunde nur noch drei | |
| Minuten. Die Wärmflasche ersetzt die Heizung in der Nacht. Jeden Monat gibt | |
| es nur ein Vollbad. Wer es nehmen darf, entscheidet ein Kartenspiel. | |
| Gewiss, da spielen sich Dramen ab. Es ist aber auch ein Ansporn, sich | |
| intensiver mit Rommé zu beschäftigen. Die mehrfache Verwendung von | |
| Badewannenwasser, das „eigentlich noch warm genug“ ist, bleibt allerdings | |
| umstritten. | |
| ## Spielerische Kriegswirtschaft | |
| Spielerische Kriegswirtschaft bringt mit sich, dass demokratische | |
| Entscheidungsprozesse außer Kraft gesetzt werden müssen. Hin und wieder, | |
| vorübergehend – wenn etwa die Verwendung manipulatorischer Begriffe wie | |
| „russisches Blutgas“ bei den Kindern nicht mehr fruchtet. Anzustreben wäre | |
| eine gute Tyrannis im altgriechischen Sinne, eine unumschränkte | |
| Verfügungsgewalt über die Durchschnittstemperatur der Wohnung. | |
| Das nervt? Kann sein, wird sich aber auf Dauer bemerkbar machen. Und auf | |
| der Abrechnung der Nebenkosten. Keep calm and carry on. | |
| Die versuchsweise Drosselung des Unnötigen hat tatsächlich etwas | |
| Befriedigendes – vergleichbar dem Blick auf die Waage, wenn man es mit | |
| einer Diät ernst meint. Oder dem Gefühl, im Keller endlich mal aufzuräumen. | |
| Mein Anbieter meldet bereits, ich hätte mit nur 50 Kilowattstunden im | |
| August „89 Prozent weniger als vergleichbare Haushalte“ verbraucht. Daumen | |
| hoch! Endorphine! | |
| Wesentlich ist, sich jeden Aktivismus zu sparen. Kein Predigen, kein | |
| Pietismus. Kein Geschwätz vom individuellen „CO2-Fußabdruck“, einem extrem | |
| erfolgreichen PR-Trick von BP, um die eigene Verantwortung und die Größe | |
| des Problems zu verschleiern. | |
| ## Sparen, aber kein Dogma draus machen | |
| Nie werden wie jene, „die es schon immer gesagt haben“, weil – nochmal! �… | |
| das Sparen keine Gewissensfrage ist. Man verhalte sich wie jemand, der halt | |
| wenig bis kein Fleisch mehr isst – und keinesfalls so selbstgerecht und | |
| sendungsbewusst wie manche, die sich Vegetarier nennen. | |
| Wer’s Geld verballern will, soll’s doch verballern. Die Natur des Menschen | |
| ist einstweilen nicht zu ändern. Um ihr bisweilen entgegenzukommen, gibt es | |
| bei uns zu Hause bald auch „Fuck it!“-Abende, an denen alle Regeln außer | |
| Kraft gesetzt sind – und an denen es wieder so warm zugeht wie früher, vor | |
| der „Zeitenwende“. Es wird sich so exzessiv anfühlen, wie es das ja immer | |
| schon war. | |
| Wenn diese Sparbemühungen alle nicht reichen, bleibt uns immer noch die | |
| Rückkehr ins 17. Jahrhundert, in den Wald, in die Hütte mit ihren 560 | |
| Holzscheiten. Neun von ihnen habe ich schon verfeuert. | |
| 25 Sep 2022 | |
| ## AUTOREN | |
| Arno Frank | |
| ## TAGS | |
| Energiepreise | |
| Energiesparen | |
| Strompreis | |
| Hamstern | |
| Spaß | |
| Inflation | |
| wochentaz | |
| Kolumne Der rote Faden | |
| Energiekrise | |
| Energiesparen | |
| Recycling | |
| Wir retten die Welt | |
| Energiesparen | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Tatort Wald: In Brandenburg ist Holzauktion | |
| Der Diebstahl in den Wäldern hat zugenommen. Wegen steigender Holzpreise | |
| ist vor allem Brennholz begehrt. Aber auch der gewerbliche Diebstahl boomt. | |
| Aus mit 2022: Ningeltrienen und Pilleneinwerfer | |
| Das scheidende Jahr war wahrlich kein leichtes. Viele schafften es tapfer, | |
| andere meckernd und noch andere mit dem ein oder anderen Glücklichmacher. | |
| Nachhaltige Infrastruktur: Museen mit grünem Anstrich | |
| 20 Prozent Energie sollen deutsche Museen angesichts der Energiekrise | |
| sparen. Das ist gar nicht so einfach. Doch es gibt einige kreative Ideen. | |
| Energie sparen: Warme Waffe | |
| Sie hatte lange keinen guten Ruf. Nun verhilft Wladimir Putin der | |
| Wärmflasche zu neuem Ansehen. Von der Magie dieses Gummidings. | |
| Schöner Müll: Das Popolappen-Projekt | |
| Was tun mit einem Kuchenspringformrand ohne Boden? Unsere Autorin bastelt | |
| einen Hygienetuchspender daraus – passend zum neuen Waschlappentrend. | |
| Energiepolitik der CDU: Eine Todsünde nach der anderen | |
| Psst, weitersagen an die Union: Fehler erkennen und Buße tun gehören auch | |
| zum christlichen Glauben. In Sachen Energiepolitik wäre das bitter nötig. | |
| Tipps zum Energiesparen: Waschlappen war gestern | |
| Politiker*innen wollen Bürger*innen mit Empfehlungen aus dem | |
| eigenen Leben zum Stromsparen animieren. Acht Tipps, die dabei noch fehlen. |