| # taz.de -- Hamburger Ausstellung zum Ukraine-Krieg: „Die Kunst erzählt die … | |
| > In der Ausstellung „Sense of War“ im Frappant setzen sich die Kuratorin | |
| > Olga Barashykova und ihr Team künstlerisch mit dem Ukraine-Krieg | |
| > auseinander. | |
| Bild: In den Werken haben die Künstlerinnen die Erfahrungen und Geschichten de… | |
| taz: „Sense of War“: Was bedeutet der Titel der Ausstellung, Frau | |
| Barashykova? | |
| Olga Barashykova: Der Titel benennt das, was uns alle zusammengebracht hat: | |
| den Krieg. Diese besonderen Gefühle, die im Krieg entstehen, haben etwas | |
| Außergewöhnliches. Etwas, das uns so noch nie zuvor passiert ist. Diese | |
| unterschiedlichen Gefühle und Zustände versuchen wir, mit der Kunst | |
| auszudrücken. | |
| Was für Gefühle begleiten diesen Krieg? | |
| Die Menschen, die geflüchtet sind, nehmen den Krieg natürlich viel | |
| persönlicher und intensiver wahr. Wir, die jetzt in Deutschland sind, | |
| werden mehr zu Betrachter*innen, aber fühlen natürlich trotzdem weiter | |
| mit. | |
| Und die Menschen, die in der Ukraine bleiben? | |
| Auch die Menschen, zu denen der Krieg nach Hause gekommen ist, haben eine | |
| unterschiedliche Wahrnehmung und gehen anders damit um. Einige sind dadurch | |
| sehr produktiv geworden, andere fühlen sich total leer und geraten in einen | |
| Stillstand. | |
| Wie haben sich diese Gefühle seit dem Krieg verändert? | |
| Am Anfang hatten es viele nicht für möglich gehalten, dass so ein Krieg | |
| ausbricht. Man wusste überhaupt nicht, was man tun soll. Es war wie eine | |
| Leere in der Seele. | |
| Und jetzt? | |
| Mittlerweile sind die Menschen wieder hoffnungsvoller. [1][Gerade durch das | |
| Gefühl der Gemeinschaft.] Man hält zusammen und tut alles, damit der Sieg | |
| näher kommt. | |
| Wie das denn? | |
| Künstler*innen tun eine ganze Menge. Teilweise verkaufen sie ihre Bilder | |
| und spenden das Geld an das ukrainische Militär, obwohl sie selbst nichts | |
| mehr haben. [2][Es gibt mittlerweile viele Kunstwerke], die dafür in | |
| digitale „Non Fungible Tokens“ transformiert wurden, damit man sie in | |
| anderen Ländern verkaufen kann. | |
| Was kann die Kunst im Krieg leisten? | |
| Sehr viel. Aktuell herrschen überall Fake News. Nicht nur hier oder in | |
| Russland und den USA, sondern auch in der Ukraine. Hier kann die Kunst | |
| erzählen und vermitteln. Die Kunst erzählt die Wahrheit. | |
| Wurde denn trotz Krieg weiter Kunst gemacht? | |
| In den ersten Monaten stand die Kunst still. Die Menschen waren wie | |
| gelähmt. Das ist eine typische Situation für Künstler*innen. Viele meiner | |
| Freund*innen konnten eine lange Zeit gar keine Kunst machen. Mittlerweile | |
| gibt es vor allem in Kyiv wieder sehr bedeutende Ausstellungen. Das Thema | |
| des Friedens spielt dabei eine große Rolle. | |
| Also geht es in der Kunst, die in der Ukraine entsteht, mehr um den Frieden | |
| als um den Krieg? | |
| Nein, es geht nicht nur um Frieden. Ein großes Thema ist zum Beispiel, | |
| [3][was mit den Kindern passiert.] Viele haben bleibende Behinderungen | |
| infolge von Verletzungen, viele sind gestorben. Diese Motive tauchen immer | |
| wieder in der Malerei auf. Die Kunst ist durch den Krieg direkter geworden | |
| und blutiger. | |
| Wie war es für Sie, in Deutschland anzukommen? | |
| Am Anfang war es wirklich schwer hier. Man kommt in Deutschland an, alle | |
| leben ein normales Leben, haben Familien, einen Alltag und ich hatte | |
| nichts. Meine Familie ist aktuell noch in Kyiv. Ich konnte auch nicht | |
| malen, habe mich innerlich total leer gefühlt. Bei einem meiner ersten | |
| Bilder, die ich dann gemalt habe, konnte man eine Ukrainerin sehen, ohne | |
| Gesicht und mit ausgebranntem Loch in der Brust, stellvertretend für die | |
| Leere, die ich gespürt habe. | |
| Wie geht es Ihnen jetzt? | |
| Dieses Gefühl, künstlerisch gelähmt zu sein, hat bis zu der ersten | |
| Ausstellung im Juni im Mom Art Space im Gängeviertel angehalten. Erst da | |
| habe ich wieder angefangen, Kunst zu machen. Dabei ging es vor allem darum, | |
| Vergangenes zu verarbeiten und über die Zukunft nachzudenken. Diese | |
| Ausstellung war für mich wie eine Wiedergeburt. | |
| Welche Verbindung besteht zwischen den Künstler*innen bei „Sense of | |
| War“? | |
| Wir haben uns bei einer Ausstellung auf Kampnagel im Mai 2022 | |
| kennengelernt. Ziel war es, Menschen, die geflüchtet sind, mit den | |
| Kulturakteur*innen aus Hamburg in Kontakt zu bringen. Da haben wir vor | |
| allem dialogisch gearbeitet. Aus der Zusammenarbeit ist dann auch diese | |
| Ausstellung hervorgegangen. | |
| Was auffällt: Es werden fast nur Künstlerinnen ausgestellt. Wieso? | |
| Das hat den Grund, dass hauptsächlich Frauen geflüchtet sind. Die Männer | |
| müssen in der Ukraine bleiben und das Land verteidigen. Deswegen sind sie | |
| in der Ausstellung nicht vertreten. | |
| Welche Medien nutzen Sie in der Ausstellung, um sich dem Thema anzunähern? | |
| Es gibt Malereien, Videokunst, Fotografien. Unter anderem auch vom Künstler | |
| Dmytro Kozatskyi, ein ukrainischer Fotograf und Soldat. Er hat im Asowschen | |
| Bataillon der Nationalgarde der Ukraine gekämpft. Von ihm werden Bilder aus | |
| dem Stahlwerk Azovstal in Mariupol gezeigt. Er selbst ist jedoch nicht vor | |
| Ort. Es gibt außerdem auch eine Installation von Jenni Schur. Sie sagt, | |
| dass sie dabei vor allem „Machtpositionen und Privilegien aufzeigen“ | |
| möchte, die man mitdenken muss, wenn es um Krisen dieser Art geht. | |
| Wie sieht die Installation aus? | |
| Sie hat einen venezianischen Spiegel aufgestellt, der umgeben ist von | |
| Holzwänden, sodass sich ein Raum ergibt. Von außen sieht man sich selbst, | |
| geht man jedoch hinter die Wand, kann man die Menschen draußen beobachten, | |
| wird selbst aber nicht gesehen. Es gibt auch ein Telefon in dem Raum, mit | |
| dem man draußen anrufen kann, um Kontakt aufzunehmen. Hier wird die Rolle | |
| der Betrachter*innen thematisiert: Schaut man nur auf sich, beobachtet | |
| man oder nimmt kommunikativ teil? Dabei kommt zum Ausdruck: Welchen Krisen | |
| man auf welche Weise Beachtung schenkt, ist eine aktive Entscheidung. | |
| Am Samstag findet ein Künstlerinnengespräch mit Nadiia Mykhailiuk, Mascha | |
| Vyshedska und Alisa Sizykh statt. Um was wird es dabei gehen? | |
| Wir werden über die einzelnen Arbeiten der Ausstellung sprechen und welche | |
| Gefühle wir damit verbinden. Es soll außerdem um die Zukunft gehen und über | |
| das, was man dem Krieg entgegensetzen kann. Es geht darum, wie es die | |
| Malerin Dagmar Rauwald ausdrückt, „dialogisch miteinander in Kontakt zu | |
| treten“. | |
| 14 Jan 2023 | |
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| ## AUTOREN | |
| Paul Weinheimer | |
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