Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Aktive Zerstörung der Natur: Artensterben ist harte Arbeit
> Naturschutz wird nicht vergessen, der Urwald schrumpft nicht und auch
> Arten verschwinden nicht einfach so. Es geht um schweißtreibende
> Vernichtung.
Bild: Zwischen Neubausiedlung und Landwirtschaft bleibt nicht viel Platz für A…
Wenn dir in drei Wochen zwei Fahrräder geklaut werden, dann ist das selbst
für Berlin eine deftige Bilanz. Da kannste schon mal meckern. Erst war es
das Rennrad unseres Jüngsten: Am Nachmittag angekettet vor dem S-Bahnhof,
am Abend weg. Dann mein altgedientes und rot-rostfleckiges taz-Rad der
ersten Generation von 1994 – angeschlossen vor der Tür. Dann verschwunden.
Geklaut, gestohlen, gemopst, abgezogen.
Unsere aktiven Beiträge zur Verkehrswende wurden also entwendet. Vermutlich
von kriminellen Arschgeigen, die dafür in der Feinstaubhölle schmoren
sollen. Aber niemand würde sagen: Ich habe unsere Räder verloren. Das
klänge komisch. Irreführend, verharmlosend, passiv, feige. Genau so aber
reden wir, wenn wir an die zweite große Katastrophe denken, durch die wir
gerade stolpern. Und nein, ich rede nicht von Elon Musk und Twitter.
Sondern von der Artenvielfalt, die jetzt gerade ihre eigene – und sogar
[1][halbwegs erfolgreiche – COP] hatte. Aber wenn es für eine Sache eine
COP, also eine Vertragsstaatenkonferenz der UNO braucht, ist die Lage schon
ganz schön verzweifelt. So wie beim „Artensterben“.
Schon das Wort selbst ist ein Skandal: Die 150 Tier- und Pflanzenarten, die
täglich ausgelöscht werden (jeden Tag: 150!), sterben ja nicht einfach aus
Langeweile. Sie werden ermordet. Ausgemerzt, aufgegessen, vergiftet, aus
ihrer Heimat vertrieben. Aber selbst NaturschützerInnen reden davon, dass
wir sie „verlieren.“ Da kannste meckern: Nein! Wir verlieren sie nicht, so
wie ich letztens meinen linken Lieblingssocken nicht mehr finden konnte.
Die Szaferi-Birke, der Stephens-Island-Laufkäfer, der Alaotra-Tauchvogel,
Harlekinfrosch und Bodensee-Kilch sind ja nicht weg, weil wir zu schusselig
sind und uns nicht erinnern können, wo wir sie abgelegt haben. Das
„Artensterben“ ist harte Arbeit – wie die meisten Tätigkeiten, die unsere
Lebensgrundlagen und die Zukunft des Planeten ruinieren. Wir packen sie nur
gern in watteweiche Formulierungen, die die handelnden Akteure
verschleiern.
Die Arten VERSCHWINDEN nicht einfach, wie es immer heißt – sie werden
vernichtet. Und wir VERGESSEN den Naturschutz nicht mal eben, wenn wir
wieder ein wehrloses Moor für einen wertlosen Baumarkt zubetonieren – wir
entscheiden uns aktiv gegen das Feuchtgebiet. Die Fläche des
brasilianischen Regenwalds oder des rumänischen Urwalds SCHRUMPFT auch
nicht. Unser Hunger nach Holz und Fleisch dezimiert sie durch brutale
Zerstörung.
Wir VERTRÖDELN die weltweiten Ziele zur nachhaltigen Entwicklung nicht,
sondern strengen uns unglaublich an, Luft und Wasser durch rücksichtsloses
Wirtschaftswachstum zu verpesten. Wir VERPENNEN nicht den Klimaschutz,
sondern leisten uns im Bund und den Ländern Verkehrsministerien, die mit
viel Mühe und Aufwand den Straßenbau und Flughafenerweiterungen
vorantreiben. Und die globalen CO2-Emissionen [2][STEIGEN] auch nicht wie
Luftblasen im Wasser – sondern wir drücken sie jeden Tag und jede Woche mit
unglaublicher Energie nach oben.
Wie gesagt, es gibt kein Artensterben. Was wir mit unserer Landwirtschaft
vorantreiben, ist Artenmord. Es gibt keinen Waldverlust. Was wir planen und
umsetzen, ist großflächige Biotopverwüstung. Es gibt keinen Klimawandel.
Was wir mit viel Geld, Technik und Aufwand vorantreiben, ist
Klima-Vandalismus. Der Ast, auf dem wir sitzen, biegt sich nicht von selbst
nach unten. Wir sägen mit aller Kraft daran. Bis er bricht.
24 Dec 2022
## LINKS
[1] /Abkommen-zum-Schutz-der-Artenvielfalt/!5900896
[2] /Treibhausgas-Emissionen/!5904231
## AUTOREN
Bernhard Pötter
## TAGS
Wir retten die Welt
Biodiversität
Schwerpunkt Artenschutz
Klima
IG
Naturschutz
Wir retten die Welt
Zukunft
Schwerpunkt Klimawandel
Wir retten die Welt
Schwerpunkt Klimawandel
Buch
Schwerpunkt Klimawandel
## ARTIKEL ZUM THEMA
Inselverkauf in Bali: Nicht für Milliardäre
Ein New Yorker Auktionshaus wollte indonesische Inseln samt umweltbewusstem
Bebauungsrecht versteigern. Doch nun ist der Plan verschoben worden.
Klimaschutz im Kabinett: Zuuuuuuuuuuuurücktreten, bitte!
Arbeitsverweigerung? Kommt auch vor im Bundeskabinett. Da muss es gar nicht
um den Schutz von wilden Großkatzen gehen.
Forschung zu Nahrungsnetzen: Artensterben mit Dominoeffekt
Das sekundäre Aussterben ist nach dem Klimawandel der wichtigste Grund für
das Artensterben. Es müssen auch unscheinbare Arten gerettet werden.
Aktion zur Vogelbeobachtung: Wer piept denn da?
Verbände rufen zur „Stunde der Wintervögel“ auf. Heißt: Menschen sollen
Piepmätze zählen – und so Erkenntnisse über die Artenentwicklung liefern.
Gute Vorsätze fürs neue Jahr: Beitrag zur Polarisierung für 2023
Ernährungsumstellung und mehr Sport sind gute Vorsätze fürs neue Jahr.
Unser Autor rät, sich darüber hinaus noch Gedanken zu machen.
Warntag ist immer: Wann das Handy warnt. Und wann nicht
Unser Autor schreckte auf, als am Bundes-Warntag sein Handy brummte. Doch
Entwarnung kann er nicht geben. Denn: Klima-Alarm ist eigentlich immer.
Kohlethriller auf der Buchmesse: So geht True Crime
Stephen King oder Sebastian Fitzek haben so was von ausgedient. Wer das
volle Emo-Programm sucht, muss sich ganz andere Buchautoren suchen.
Satelliten versus Kohlekraftwerke: Mit dem Dart das Überleben sichern
Wenn die Menschen es schaffen, einen Asteroiden aus der Bahn zu werfen –
warum laufen dann noch Kohlekraftwerke?
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.