| # taz.de -- Kohlethriller auf der Buchmesse: So geht True Crime | |
| > Stephen King oder Sebastian Fitzek haben so was von ausgedient. Wer das | |
| > volle Emo-Programm sucht, muss sich ganz andere Buchautoren suchen. | |
| Bild: Umstrittener als Gold und Edelsteine: Alles dreht sich um Kohle | |
| Ratlos steht unser Sohn vor dem Bücherregal im Wohnzimmer. „Kannst du mir | |
| ein gutes Buch empfehlen?“, fragt er. Mal sehen: „Die Farm der Tiere“ hat | |
| er schon gelesen, den „Großen Gatsby“ in der Schule durchgenudelt. Bill | |
| Bryson ist lustig, aber ihm ist nach Spannung. Für Karl May ist der | |
| 18-Jährige eindeutig zu alt und zu jung. | |
| Und für meinen Favoriten, der leider nicht die Frankfurter Buchmesse | |
| dominiert hat, hat er nur Lachen übrig. Dabei ist es der Mega-Thriller: 333 | |
| Seiten pure Spannung, Drama, Intrigen, Wahnsinn. Jedes Kapitel voller | |
| Skandale. Lehrreich, fesselnd, deprimierend. Der Stil trocken, distanziert, | |
| die Akteure gefangen, verstrickt, zynisch. Man weint und lacht und staunt. | |
| Was Spannung angeht, können Sebastian Fitzek und Stephen King hier noch | |
| viel lernen. | |
| Dieser Knaller kommt von Michael Jakob und Jan C. Steckel, zwei bislang nur | |
| Eingeweihten bekannte Thriller-Autoren, die im Nebenjob als Forscher an den | |
| Thinktanks Ecologic Institute und Mercator Institut MCC arbeiten. Der | |
| schockierende Titel: „The Political Economy of Coal – Obstacles to Clean | |
| Energy Transitions“. | |
| Ich merke schon: Allein der Titel lässt Ihr Herz schneller pumpen und Ihre | |
| Stirn schweißnass werden: Ganz großer Krimistoff über einen Energiezombie. | |
| WissenschaftlerInnen aus 15 Ländern schreiben über den Ausstieg (oder auch | |
| nicht) aus der Kohle. | |
| ## Grusel, Spannung, Staunen | |
| Wir gruseln uns also vor Planungsbürokraten in China, die unnötige | |
| Kohlekraftwerke bauen, nur um den Plan zu erfüllen. Uns stockt der Atem, | |
| [1][wenn die deutsche Kohlekommission die geplanten 20 Milliarden Euro | |
| Subventionen heimlich verdoppelt]. Fassungslos lesen wir, wie in Indonesien | |
| Militärs zu Kohlebaronen werden, um ihre Pfründen zu sichern. Staunend | |
| lernen wir, wie in Chile der neoliberalste Kapitalismus die Energiewende | |
| voranbringt, weil es nur ums Geld geht – und die Erneuerbaren unschlagbar | |
| billig sind. | |
| Das Genre ist eindeutig True Crime. Korruption, Verfilzung von Politik und | |
| Wirtschaft, Geld und Macht Hand in Hand. Verschwörungstheorien werden wahr, | |
| aber dann auch wieder nicht – denn es kann logisch sein, im falschen System | |
| unökologisch zu handeln. Dann ist der Weltuntergang ziemlich banal. Und all | |
| das sauber recherchiert, wissenschaftlich gegengecheckt und mit Fußnoten | |
| abgesichert. | |
| „The political Economy of Coal“ legt man nur aus der Hand, [2][um ein | |
| Braunkohlebrikett] im Kachelofen nachzulegen. Dann verschwindet der Leser | |
| schon wieder im Korruptionssumpf von Kolumbien oder im Subventionsdschungel | |
| der Philippinen. Mag sein, dass auch Ihre Frau Sie als „Freak“ bezeichnet, | |
| wenn Sie an langen Winterabenden darin schmökern. Egal. Das Werk glänzt als | |
| Thriller, bei dem es Ihnen kalt den Rücken runterläuft; als Sachbuch, wenn | |
| Sie schon immer an indischer Innenpolitik interessiert waren; als | |
| Therapeutikum, wenn Ihr Blutdruck zu niedrig ist. Und als Ratgeber, wofür | |
| und wogegen Sie den Rest Ihres Lebens kämpfen müssen. Kaufen und Lesen! | |
| 28 Oct 2022 | |
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| ## AUTOREN | |
| Bernhard Pötter | |
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