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# taz.de -- Erben und der Wert von Immobilien: Das geerbte Haus
> Wird das Erben im neuen Jahr teurer? Einige müssen zumindest mehr zahlen,
> weil die Bewertung von Immobilien geändert wird.
Bild: Ab 2023 steigt steuerrechtlich der Wert von Immobilien. Was heißt das f�…
Berlin taz | Für Vermögende und ihre Erben ist Deutschland ein schöner Ort.
Während die reichsten 10 Prozent über zwei Drittel des Kapitals verfügen,
besitzt die ärmere Hälfte der Bevölkerung wenig – oder hat Schulden.
Unterstützt wird diese Polarisierung des Besitzes durch die vergleichsweise
niedrige [1][Besteuerung großer Erbschaften]. Wer zum Beispiel ein
Unternehmen übertragen bekommt, bezahlt kaum oder gar keine
Erbschaftsteuer.
Dass es dabei bleibt, betrachten CSU, CDU und [2][FDP traditionell als
ihre Aufgabe]. Aber ab 2023 wird die Wertberechnung für Immobilien
verändert.
Schon vor Jahren entschied das Bundesverfassungsgericht: Die Bewertung von
Immobilien darf nicht unrealistisch niedrig sein, sondern muss die
tatsächlichen Werte widerspiegeln. Um das umzusetzen, hat das
Finanzministerium vor Kurzem die Verfahren für die Berechnung der
Immobilienwerte angepasst. Bundestag und Bundesrat stimmten zu.
Das Ergebnis: Für einige Eigentumswohnungen, Einfamilien-, Mietshäuser und
Gewerbeimmobilien können höhere Schenkung- und Erbschaftsteuern anfallen.
Damit verantwortet FDP-Finanzminister Christian Lindner mittelbar eine
Steuererhöhung, obwohl er die doch grundsätzlich ablehnt. Der Effekt tritt
auch ein, weil die Freibeträge, die die Steuerzahlung begrenzen sollen,
erst mal nicht steigen.
## Immobilienwert berechnen
Für ein Einfamilienhaus in Wiesbaden, das etwa eine Million Euro kostet,
könnte die Steuer von 84.000 auf 159.000 Euro wachsen, rechnet der
Immobilienverband Haus & Grund vor. Sprünge wie dieser kommen zustande,
weil im sogenannten Sachwertverfahren – einem von drei Verfahren für die
Berechnung – ein Multiplikator angehoben wird. „Durch den höheren
Sachwertfaktor steigt der rechnerische Immobilienwert um beispielsweise 40
Prozent“, sagt Haus-&-Grund-Chef Kai Warnecke.
Auf eine höhere Erbschaft- und Schenkungsteuer gefasst machen müssen sich
die Erben von Villen, großen Häusern und Gewerbeimmobilien, für deren
Bewertung die Finanzämter keine vergleichbaren Objekte in der Nähe
heranziehen können. Auch eine städtische Lage mache sich bemerkbar, weil
der Bodenwert dort meist höher ausfalle als auf dem Land, heißt es beim
Verbraucherportal Finanztip.
Bei der zweiten Methode, dem Ertragswertverfahren, wächst der Wert von
Miethäusern, weil künftig weniger Betriebskosten abgezogen werden dürfen.
Erben von vermieteten Gebäuden können Kredite aufnehmen, um die Steuer zu
bezahlen, und die zusätzlichen Kosten aus den Mieteinnahmen refinanzieren.
Reichen die dafür aber nicht, seien die Erben zum Verkauf gezwungen,
befürchtet der Immobilienverband.
Beim Vergleichswertverfahren ändert sich schließlich nichts. Es wird
angewendet für Millionen Eigentumswohnungen in Städten, bei denen sich
der Wert durch den Nachbarschaftsvergleich relativ leicht bestimmen lässt.
Und das betrifft einen guten Teil der Erbschaften.
## Debatte um Freibeträge
Trotz höherer Immobilienwerte kommen viele Erben aber auch in Zukunft ohne
Steuer davon. Von Steuerfreiheit können alle profitieren, die die
übertragenen Wohnungen lange selbst nutzen. Und auch die bestehenden
Freibeträge sind erheblich. So dürfen Kinder Immobilienwerte bis zu
400.000 Euro steuerfrei erhalten, zehn Jahre später gilt das Gleiche noch
mal. Jörg Leine von Finanztip sagt: „Eine Wohnung im Wert von 800.000 Euro
lässt sich auf diese Art ohne Abgaben weiterreichen, wenn man eine
Schenkung in zwei Schritten rechtzeitig organisiert.“
[3][Die Debatte über Freibeträge läuft dennoch.] „Sie sind seit Jahren
nicht gestiegen“, sagt Haus-&-Grund-Chef Warnecke und fordert: „Die
Freibeträge sollten ungefähr verdoppelt werden.“ Stefan Bach vom Deutschen
Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) plädiert für 25 bis 50 Prozent
höhere Freibeträge. In dieser Richtung argumentierte auch Christian
Lindner. SPD und Grüne zogen aber nicht mit. Die Ampel einigte sich auf den
Trick, das Thema an die Länder weiterzureichen. Ob die sich auf höhere
Freibeträge einigen, ist ungewiss. Um eine Lösung zu erzwingen, klagt
Bayerns Landesregierung nun vor dem Bundesverfassungsgericht.
31 Dec 2022
## LINKS
[1] /Kritik-am-ungerechten-Erbschaftsrecht/!5890041
[2] /Lindners-Wirtschaftspapier/!5897525
[3] /Volkswirt-ueber-Erbschaftsteuer/!5902927
## AUTOREN
Hannes Koch
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