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# taz.de -- Dreikönigstreffen der FDP: Zerrissen in die Zukunft
> Die Liberalen wollen mit Zukunftsthemen punkten. Doch die Unzufriedenheit
> innerhalb der Partei und der Koalition lässt sich nur schwer übertünchen.
Bild: Stuttgart am Freitag: Lindner vor seiner Rede beim traditionellen Dreikö…
Stuttgart taz | Eigentlich sollte die traditionelle Neujahrskundgebung der
Liberalen gut durchchoreografiert ablaufen. Doch gleich der Auftritt von
Christian Lindner bringt eine Überraschung. Kaum dass der FDP-Chef zu
seiner Rede ansetzt, rollen Klimaaktivisten vom Balkon der Stuttgarter
Staatsoper Transparente aus: „Klima-Kollaps = Wirtschaftskollaps“ und
„Besser nicht regieren als falsch“ steht dort. Dazu singen sie „We shall
overcome“.
Doch das Parteipublikum reagiert gelassen. Der gewiefte Rhetoriker Lindner
lässt den Protest abperlen: „Ankleben war gestern, anpacken ist heute“ ruft
er den Aktivisten zu. Denn es brauche nicht nur Leute, die für Klimaschutz
demonstrieren, sondern auch welche, die ihn in Form von Wind, Solar und
Wärmepumpen montieren. Dafür gibt es den meisten Applaus im Auditorium. Das
gemeinsame Feindbild hilft, die eigenen Reihen zu schließen, und man kann
die eigenen Koalitionspartner, die sonst für solche Attacken herhalten
müssen, schonen.
Nach etwas mehr als einem Jahr nach dem Start der Ampelkoalition und
schlechten Ergebnissen bei Umfragen und Landtagswahlen fühlt sich die
FDP-Führung gegenüber den Mitgliedern unter Rechtfertigungsdruck. Während
die einen finden, die FDP müsste sich mehr an die Koaltion anpassen,
trauern andere der Oppositionszeit oder gar der traumatisierenden letzten
schwarz-gelben Koalition mit der CDU hinterher. Lindner erteilt beiden
Haltungen eine Absage: „Mit der Union zu regieren, wäre nicht einfacher,
nur anders.“ Und er betont staatstragend, mit der Regierungsbeteiligung
habe die FDP Schaden vom Land abgewandt, das zähle „vor dem Auge der
Geschichte“.
Dass man diese Zerrissenheit vielleicht auch in eine Strategie umwandeln
kann, um die streitenden Positionen in der FDP im Zaum zu halten, zeigt die
baden-württembergische FDP. Die hat, wie der Landesvorsitzende Michael
Theurer betont, mit ihrem 15-Prozent-Wahlergebnis wesentlich zur
Regierungsbeteiligung im Bund beigetragen. Während der
baden-württembergische Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke im Vorfeld des
Dreikönigstreffens trocken analysierte: „Ich stelle anhand der Umfragen und
Wahlergebnisse fest: Die FDP leidet an der Ampel“, hält Theurer dagegen.
Als Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium ist er direkt an dem
Regierungsbündnis beteiligt und sagt, man müsse die Regierungsarbeit vor
allem besser erklären. Auf dem Landesparteitag am Tag vor dem
Dreikönigstreffen forderte er sogar [1][den baden-württembergischen
Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann (Grüne)] auf, seine Koalition mit
der CDU zu kündigen und auf eine Ampel umzustellen, sozusagen als
Fortschrittskoalition, wie in Berlin.
## Kein Werben um die Grünen
Dass das kein ernst gemeinter Vorschlag sein kann, zeigt sich schon daran,
dass die Landespartei im vorgeschalteten Parteitag, wie auch die Redner
beim Dreikönigstreffen, nicht gerade um die Grünen werben. Zuverlässig
werden alle Themen, mit denen man die Grünen in Bund und Land auf die Palme
bringen kann, unerwähnt gelassen: Von [2][Gasförderung in Deutschland
mittels Fracking-Technologie] bis zum Weiterbetrieb von Kernkraftwerken.
Lindner und die Partei binden die eigenen Widersprüche in einem Schlagwort
zusammen: Zukunft. [3][Die Partei will den Fortschritt verkörpern] und
dafür Tabus in der Gentechnik und der Kernfusion schleifen. Als
Finanzminister verspricht Lindner seiner Parteifreundin, der
Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger, eine jährliche
Bildungsmilliarde als Investition in die nächste Generation.
Und er prophezeit, dass die Koalitionspartner der FDP für ihre Forderungen
nach Steuersenkungen und Maßhalten noch dankbar sein werden. Denn
angesichts des schleichenden Wohlstandsverlusts durch gebremstes Wachstum
und Inflation habe diese Regierung nur eine Chance auf Wiederwahl, „wenn
wir dieses Land wieder auf die Erfolgsspur führen“.
Aber: Die Koalitionspartner hätten das nur noch nicht gemerkt, sagt
Lindner. Glaubt man den Umfragen, viele FDP-Anhänger auch nicht.
6 Jan 2023
## LINKS
[1] /Winfried-Kretschmann-ueber-2022/!5901542
[2] /Christian-Lindners-Fracking-Traeume/!5898704
[3] /Lindners-Wirtschaftspapier/!5897525
## AUTOREN
Benno Stieber
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