# taz.de -- Wie „Gen Z“ über „Millennials“ denkt: Viel zu bemüht | |
> „Millennials“ und „Generation Z“ benutzen soziale Medien sehr | |
> unterschiedlich. Unsere Autorin beobachtet die feinen Differenzen bei den | |
> Altersgruppen. | |
Bild: Hashtag oder kein Hashtag, „Millennial“ oder „Generation Z“? | |
Wenn es um die Nutzung des Internets geht, denken viele immer noch vor | |
allem in den Kategorien „alt“ und „jung“. „Alte“ Menschen im Sinne … | |
„Boomer“, heißt es dann, benutzten das Internet wenig oder gar nicht, oder | |
sie fingen erst langsam damit an. „Junge“ dagegen seien ständig auf Social | |
Media, würden nur noch in Hashtags und Emojis denken und an Filter über | |
ihren Selfies. Mal abgesehen davon, dass das alles sowieso sehr pauschal | |
ist, stimmt es nicht mal ansatzweise. Wer ist „jung“? Ich habe Neuigkeiten: | |
Die Unterschiede, wie Millennials und [1][Generation Z] das Internet | |
benutzen, sind teils ebenso groß wie zwischen Boomern und „jungen Leuten“. | |
Als Content-Creatorin, also als Person, die viele Inhalte auf Instagram | |
oder Tiktok erstellt, und als Mitglied der „Gen Z“, fällt mir das | |
regelmäßig auf. Millennials scheinen es zum Beispiel oft für nötig zu | |
halten, ihre Videos mit einer Art Intro zu beginnen. Komplette | |
Zeitverschwendung. Im Gegensatz zu Gen Z sind Millennials noch mit linearem | |
Fernsehen und Radio aufgewachsen. Dort hing die Reichweite nicht von | |
Algorithmen ab, was für Gen Z absolut normal ist. Die meisten unter 25 | |
werden alles, was nicht sofort thematisch einsteigt, weiterscrollen. Der | |
entsprechende Inhalt wird also vom Algorithmus benachteiligt werden. Es | |
bleibt schlicht keine Zeit für eine Begrüßung und ein Intro. | |
Auch ein Klassiker: „Uhm, let’s talk about this …“, mit dem Millennials | |
gerne in Videos einsteigen. Dazu kommt, dass Millennials und ältere | |
Internetnutzer*innen dazu neigen, beim Aufnehmen eines Videos eine | |
kurze Pause zu lassen, bevor sie mit dem Sprechen anfangen. Diese | |
„Millennialpause“ kommt von der Wartezeit, die es bei älteren | |
Aufnahmegeräten brauchte, um die Aufzeichnung zu starten. Für die Gen Z | |
eine verschwendete Sekunde „Watchtime“, also wie lange Videos von | |
Zuschauer*innen angesehen werden. | |
Und dann ist da die Mühe und der Aufwand, den Millennials sich machen, wenn | |
sie etwas posten. Millennials schneiden ihre Tiktoks. Sie benutzen | |
VoiceOvers. Sie machen Thumbnails mit catchy Schlagwörtern und Symbolen | |
drin. Für die meisten Creator*innen meiner Generation wäre das peinlich | |
viel Aufwand. Das macht man einfach nicht – kommt streberhaft rüber, heißt | |
es, wenn ich unter Freund*innen nachfrage. Online müsse man spontan und | |
mühelos auftreten. | |
## Wer gehört überhaupt zur Gen Z? | |
Übrigens: Diese Generationsbegriffe werden viel benutzt, sind aber nicht | |
besonders genau. Wer zur Generation Z gehört, das definieren verschiedene | |
Quellen unterschiedlich. Geburtsjahr ab 1995, 1996, 1997? | |
Wirklich einheitlich ist das nicht. Und auf ein, zwei Jahre kommt es sicher | |
auch nicht an, bei diesen Begriffen. Wenn ich Gen Z sage, meine ich | |
jedenfalls alle, die 1997 oder später geboren sind. Die waren 10 Jahre alt, | |
als das erste iPhone auf den Markt kam. Sie hatten also bereits eine | |
komplett von Smartphones geprägte Jugend. | |
Die Jugend ist der Zeitraum, in dem Menschen beginnen, sich ihr eigenes | |
Sozialleben aufzubauen und in dem das Soziale erst so richtig spannend | |
wird. Für Social Media ist das also der entscheidende Zeitraum. Millennials | |
sind entsprechend die nächst ältere Generation, je nach Definition gehen | |
die Geburtsjahre hier zurück bis Anfang der Achtziger. | |
Aber zurück zum Thema. Die Millennials, die ohne ständigen Internetzugang | |
aufgewachsen sind, erstellen Online-Content, der aufwendig bearbeitet und | |
geplant ist. Die Gen Z hingegen will „im Moment sein“, damit sind wir beim | |
nächsten Unterschied: Authentizität. [2][Emojis] und [3][Hashtags]? Auf | |
keinen Fall. Wer Hashtags benutzt, heißt es von Gen Z, versucht zu sehr und | |
zu offensichtlich, Aufmerksamkeit zu generieren. Alles soll zufällig | |
wirken. Darum lassen viele der ganz jungen Internetnutzer*innen | |
Emojis komplett weg. Maximal werden die schriftzeichenbasierten „:)“ oder | |
„<3“ eingesetzt. Auch die automatische Großschreibung haben ich und viele | |
andere ausgeschaltet – wieder, um einen spontanen Eindruck zu erwecken. | |
Auf Instagram sieht man von Gen Zler*innen viele „photo dumps“, also | |
authentisch und wahllos wirkende Sammlungen von Schnappschüssen aus dem | |
Alltag. Oft mit starkem Zoom, um zu unterstreichen, dass es sich um | |
romantisierte Ausschnitte aus dem eigenen Leben handelt. | |
Entsprechend gilt der Gen Z das Benutzen von Filtern als verpönt, zumindest | |
wenn es erkennbar ist. Das höchste aller Schamgefühle sind voreingestellte | |
Filter. Auf Instagram tragen sie Namen wie Paris, Buenos Aires oder New | |
York. Sie sind fast ausschließlich auf Profilen von Millennials oder | |
älteren Nutzer*innen zu finden. Für viele Gen Zler*innen sind Filter | |
seit etwa 2019 nicht mehr der Zeitgeist – zu offensichtlich fake. | |
Eine Ausnahme bilden automatische Filter älterer Analog- und | |
Digitalkameras. Sie liefern Schnappschüsse, die gerne mal verwackelt sind, | |
sich weder planen noch rekonstruieren lassen, und erschaffen damit genau | |
die richtige Atmosphäre für den Instagram-Feed einer Gen Zler*in. Bei | |
Millennials fehlt meist die langfristige ästhetische Vision des Feeds. Oft | |
sieht er chaotisch aus. Der eigene Feed im Instagram der Gen Z ist dagegen | |
fast wie ein langfristig geplantes Kompositionskunstwerk. Er muss beim | |
Durchscrollen einheitlich, aber nicht langweilig sein, braucht eine | |
sorgfältig kuratierte Motiv- und Farbpalette, ohne wie ein Firmenaccount zu | |
wirken. Aber: man darf ihm das geplante natürlich trotzdem nicht ansehen! | |
Am Ende gilt also: Der Aufwand ist bei beiden Altersgruppen in etwa der | |
gleiche. Nur versucht Gen Z ihn aktiv zu verbergen. Gen Zler*innen sind | |
mit der offensichtlichen Fakeness der Inhalte von Millennials aufgewachsen | |
und wollen damit abschließen. Bewegungen wie „make Instagram casual again“, | |
also auf Deutsch: „macht Instagram wieder lässig“, sprechen für sich. Die | |
Ungezwungenheit, die man hatte, als man noch 42 Follower*innen hatte, | |
zurückzubringen. | |
Ein Wunsch nach Authentizität ist also da, nur: Den perfekten Schein möchte | |
man dafür trotzdem nicht aufgeben. Wenn man sich den Aufwand, der hinter | |
den „casual photo dumps“ der Generation Z steckt, ansieht, merkt man | |
schnell, dass „authentisch“ dann doch anders geht. | |
28 Dec 2022 | |
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## AUTOREN | |
Maya Seidel | |
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