# taz.de -- Gen Z auf dem Jobmarkt: Der Diskurs um Arbeitsmoral nervt | |
> Die Arbeitswelt ist im Wandel. Besonders sichtbar wird das an den | |
> Forderungen derjenigen, die gerade erst in sie eintreten. Wir sollten | |
> ihnen zuhören. | |
Bild: Berliner Jugendliche auf dem Tempelhofer Feld | |
Hiermit lade ich Sie ein zum Bullshit-Bingo, Edition „Junge Menschen auf | |
dem Arbeitsmarkt“. Was davon haben Sie auch schon mal gedacht? Die Jungen | |
sind faul, wollen nur Freizeit, haben keinen Bock aufs Büro / Sie sind | |
unfähig, richtig zu schuften / 4-Tage-Woche, was soll der Quatsch? / Mit | |
der Guavendicksaft-Truppe hatte Markus Lanz schon recht / Nur fordern, | |
aber nichts liefern. | |
Und? War was dabei? In der Debatte über die Arbeitsmoral in der | |
Gesellschaft wird konstant auf junge Menschen draufgehauen. Aktuell im | |
Fokus: Die Generation Z. Gemeint sind die zwischen 1995 und 2010 Geborenen. | |
Ihre jüngsten Vertreter*innen gehen mit 14 noch zur Schule, die | |
Ältesten sind mit 29 im Berufsleben angekommen. | |
Absurderweise rückt langsam aber sicher auch schon die nächste Generation | |
ins Visier, deren Mitglieder teils noch Windeln tragen: die Generation | |
Alpha. In den ersten Think Pieces fragt man sich, wer sie sind, wie sie | |
einkaufen werden, und, am wichtigsten – welche Einstellung zu Arbeit wohl | |
von ihnen zu erwarten ist. Jetzt schon wird gewarnt vor den „iPad-Kids“, | |
die nicht lesen könnten und zu keinem originären Gedanken mehr fähig seien. | |
Man merke also: Eine Generation ist schlimmer als die nächste, schon den | |
Millennials wurde schließlich ein fehlendes Arbeitsethos vorgeworfen. | |
Dieser Generationsdiskurs nervt! Und lenkt davon ab, worüber wir eigentlich | |
sprechen sollten. | |
Die Arbeitswelt ist im Wandel – und besonders sichtbar wird das eben an den | |
Forderungen und Einstellungen derjenigen, die gerade erst in sie eintreten. | |
Der Arbeitsmarkt braucht sie, muss sich an ihnen ausrichten. Im Gegensatz | |
zu den Jugendlichen der 2000er Jahre ist die Gen Z in einer viel besseren | |
Verhandlungsposition, um ihren Wunsch nach einer guten Mischung von Arbeit, | |
Freizeit und Sinn durchsetzen zu können. Das kann man unfair finden. Oder | |
sich als älterer Arbeitnehmer an ihnen ein Beispiel nehmen. | |
Dazu kommt, dass an dem Vorurteil, junge Leute hätten keinen Bock auf | |
Arbeit, überhaupt nichts dran ist. Die Generationenunterschiede sind | |
gering. Das haben zuletzt die [1][Jugend-Trendstudie] und das Deutsche | |
Institut für Wirtschaftsforschung festgestellt. [2][Im Schnitt arbeiten | |
alle Arbeitnehmer*innen heute etwas weniger, sind dabei aber | |
produktiver.] | |
Im Diskurs werden den verschiedenen Generationen viel zu schnell | |
vermeintliche Merkmale und Charakterzüge zugeschrieben. Bei den Jungen ist | |
das beispielsweise das Aufwachsen in einer hyperdigitalen Welt. Doch | |
tatsächlich ist es ja so, dass die Gleichzeitigkeit und Unmittelbarkeit der | |
Dinge im Jobkontext alle Altersgruppen zu spüren bekommen. Und so auch die | |
daraus resultierenden psychischen Belastungen. | |
Ins Zentrum diverser Arbeitskämpfe gerückt hat es die jüngere Generation. | |
Sie stehen am lautesten dafür ein, dass es nicht mehr nur darum geht, | |
Arbeitnehmer*innen vor kaputten Knien und Rücken zu schützen, sondern | |
auch vor mentalen Erkrankungen. Doch sowohl Arbeitgeber*innen als auch | |
ältere Kolleg*innen empfinden dieses Agendasetting oft als unnötigen | |
Radau. | |
Junge Menschen verdienen einen besonderen Fokus – aber nicht als | |
Sündenböcke für ein System, das sie bloß am vehementesten kritisieren. Es | |
ist Aufgabe der Politik, jetzt bessere Voraussetzungen für das Aufwachsen | |
junger Menschen zu schaffen. Insbesondere seit Corona ist sie ihrer | |
Verantwortung nicht nachgekommen, junge Menschen zu stärken. | |
Jugendforscher*innen fürchten eine steigende Zahl von | |
Schulabbrecher*innen wegen des pandemiebedingten Einschnitts. Und erst | |
kürzlich zeigte die Studie [3][„Jugend in Deutschland“], dass die Themen | |
Inflation, Altersarmut und teures Wohnen junge Leute ganz besonders | |
umtreiben. Da darf man sich nicht wundern, dass die Jugend sich mit | |
Forderungen nach mehr Geld und Ausbildungswohnraum auch an ihre | |
Arbeitgeber*innen wendet. | |
Denkt man an die Kinder der Gegenwart, muss die Politik nachsteuern, | |
Jugendangebote schaffen, auf sie zugehen und zuhören. Auf dem Programm | |
stehen: Armut bekämpfen, Rentenreform anpacken, Pandemie aufarbeiten! | |
Adefunmi Olanigan | |
27 Apr 2024 | |
## LINKS | |
[1] https://simon-schnetzer.com/blog/veroeffentlichung-trendstudie-jugend-in-de… | |
[2] https://www.diw.de/documents/publikationen/73/diw_01.c.899369.de/24-16-1.pdf | |
[3] /Umfrage-unter-Jugendlichen/!6006562 | |
## AUTOREN | |
Adefunmi Olanigan | |
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