| # taz.de -- Angriffe auf Social-Media-Plattformen: Blume siegt gegen Twitter | |
| > Immer wieder wird gegen den Antisemitismusbeauftragten gehetzt. Ein | |
| > Gericht verpflichtet Twitter nun, bestimmte Tweets zu suchen und zu | |
| > entfernen. | |
| Bild: 24.11.2022: Michael Blume im Gerichtssaal in Frankfurt am Main | |
| [1][Twitter] muss den [2][baden-württembergischen | |
| Antisemitismusbeauftragten Michael Blume] wirksam vor einer | |
| Verleumdungskampagne schützen. Das entschied am Mittwoch das | |
| Landgericht Frankfurt am Main in einem Eilverfahren. Bestimmte | |
| Anschuldigungen und auch „kerngleiche Äußerungen“ darf Twitter nicht mehr | |
| verbreiten. | |
| Im September 2022 hetzte der Jerusalemer Journalist Ben Weinthal, den | |
| viele für einen rechten Troll, also Mobber, halten, mit dutzenden Tweets | |
| gegen Blume. Unter anderem wurde Blume Nähe zur Pädophilie unterstellt und | |
| die Landesregierung gefragt, ob sie Blumes „sexuelles Fehlverhalten“ | |
| billige. | |
| Blume forderte von Twitter die Entfernung von 46 derartigen Tweets, doch | |
| Twitter kam dem nur bei 3 Tweets nach. Später sperrte der Konzern | |
| Weinthals Account, gab ihn aber nach drei Tagen wieder frei, um ihn nach | |
| drei weiteren Tagen erneut zu sperren. Derzeit ist der Account noch | |
| gesperrt. „Aber niemand weiß, wie lange das so bleibt“, sagte Blumes Anwalt | |
| Chan-jo Jun vor der Gerichtsverhandlung Ende November. [3][Deshalb | |
| beantragte Blume in einem Eilverfahren am Landgericht Frankfurt, dass sechs | |
| Äußerungen und „kerngleiche“ Abwandlungen von Twitter nicht mehr verbreit… | |
| werden dürfen.] | |
| ## Was nicht mehr verbreitet werden darf | |
| In fünf von sechs Fällen gab die Pressekammer des Landgerichts Blumes | |
| Anträgen nun statt, weil sein Persönlichkeitsrecht verletzt werde. So darf | |
| Twitter nicht mehr verbreiten, dass Blume „eine Nähe zur Pädophilie“ | |
| aufweise. „Das ist eine falsche Tatsachenbehauptung“, sagte die vorsitzende | |
| Richterin Ina Frost, „es gibt keinerlei Anhaltspunkte, dass Herr Blume | |
| pädophil ist.“ Auch die Aussage, Blume habe „einen Seitensprung gemacht“, | |
| darf Twitter nicht mehr verbreiten. Hier sei ebenfalls nichts dafür | |
| vorgetragen worden, dass die Aussage wahr ist. Außerdem gehe es dabei um | |
| die besonders geschützte Intimsphäre. | |
| Der dritte Komplex war diffiziler, aber auch hier obsiegte Kläger Blume. | |
| Die Behauptung, Blume sei „Teil eines antisemitischen Packs“, stufte das | |
| Gericht zwar als „Werturteil“ ein. Doch auch hier seien „wahre | |
| Anknüpfungstatsachen“ erforderlich, die Twitter nicht vorlegen konnte. Der | |
| „platte Antisemitismus-Vorwurf“ trage daher nichts zur öffentlichen | |
| Meinungsbildung bei und sei deshalb ebenfalls rechtswidrig. | |
| Da Twitter sich die Aussagen seiner 237 Millionen Nutzer:innen nicht zu | |
| eigen macht, sondern diese nur als Plattform weiterverbreitet, haftet das | |
| Unternehmen nur als sogenannter Störer für rechtswidrige Aussagen. Das | |
| heißt: Twitter muss nur reagieren, wenn sich ein Betroffener wie Blume | |
| beschwert. Diese Pflicht, einen angezeigten Vorfall angemessen zu prüfen, | |
| habe Twitter im Fall Blume verletzt, stellte Richterin Frost fest. | |
| Nur in einem Punkt hatte Twitter Erfolg. Auf die Eintragung Blumes in die | |
| Liste der 10 größten Antisemiten des Jahres 2021, die das rechtsgerichtete | |
| Simon-Wiesenthal-Zentrum in Los Angeles vornahm, darf Journalist Weinthal | |
| in seinen Tweets weiter hinweisen. Diese Eintragung sei zwar umstritten, | |
| aber ein Fakt. | |
| Als „neu“ bezeichnete Richterin Frost an ihrem Urteil die Ausweitung der | |
| Unterlassungspflicht auf „kerngleiche“ Äußerungen. Twitter hatte in der | |
| Verhandlung vor zwei Wochen zwar vorgetragen, es sei viel zu aufwendig und | |
| damit unzumutbar, nach Äußerungen zu suchen, die sich zwar im Wortlaut | |
| unterscheiden, aber den gleichen Inhalt transportieren. Die Bedenken | |
| Twitters seien aber zu unkonkret gewesen, so das Gericht. Die Gefahr eines | |
| [4][Overblockings, also des voreiligen Entfernens von Inhalten, die | |
| eigentlich zulässig sind,] kann Twitter laut Urteil vermeiden, wenn es die | |
| Betroffenen, hier Weinthal, beteilige, wie es im deutschen | |
| Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) vorgesehen ist. | |
| ## Konsequenzen | |
| Twitter muss nun also „kerngleiche“ Äußerungen immer dann stoppen, wenn s… | |
| binnen 24 Stunden mehr als zehnmal verbreitet werden – sei es als neue | |
| Äußerung oder als Weiterleitung. Diese Einschränkung hatte Anwalt Jun | |
| selbst vorgeschlagen. | |
| Sollte Twitter gegen die Pflicht verstoßen, droht dem Unternehmen ein | |
| Ordnungsgeld von 250.000 Euro. Wenn dieses nicht gezahlt wird, müsste der | |
| Geschäftsführer von Twitter International in Dublin, Laurence O’Brien, | |
| sechs Monate in Ordnungshaft. | |
| Das Urteil ist aber noch nicht rechtskräftig. Twitter kann noch Berufung | |
| beim Oberlandesgericht Frankfurt einlegen. | |
| 14 Dec 2022 | |
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| ## AUTOREN | |
| Christian Rath | |
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