# taz.de -- Solidarität mit Menschen in Iran: „Wir sind hier unter uns“ | |
> Welche Rolle spielt die deutsche Zivilgesellschaft beim Aufstand gegen | |
> die Mullahs? Eine zu kleine, wie eine Diskussionsrunde am Gorki Theater | |
> zeigt. | |
Bild: Proteste nach dem Tod von Mahsa Amini in Teheran am 21. September | |
BERLIN taz | Iraner:innen fordern mehr Solidarität und Aufmerksamkeit | |
von der deutschen Gesellschaft und Politik. Das konnte man am Dienstagabend | |
im Studio R des Gorki Theaters in Berlin erfahren. Dahin hatten der [1][PEN | |
Berlin und das iranische Netzwerk 6Rang zu einer Diskussionsrunde] | |
eingeladen. Dabei stand vor allem die Frage im Raum: Welche Rolle spielt | |
Deutschland und welchen Beitrag kann die deutsche Zivilgesellschaft | |
leisten? | |
Bisheriges Engagement reicht nicht aus. [2][Die Menschen im Iran wenden | |
sich gegen ihre Unterdrücker] und fordern den Sturz des Mullah-Regimes. | |
Dafür sind sie bereit, alles zu geben. Tausende junge Menschen wurden | |
verschleppt, ihnen droht die Todesstrafe. Hunderte haben bereits ihr Leben | |
verloren. | |
Doch die Aufmerksamkeit in Deutschland lässt zu wünschen übrig – auf | |
politischer, gesellschaftlicher und medialer Ebene. Darin sind sich die | |
Gäste im Studio R einig. Neben iranischen Aktivistinnen wie [3][Shadi Amin] | |
saßen unter anderem der FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai, taz-Autorin | |
Hengameh Yaghoobifarah und die kommissarische Frankfurter | |
Oberbürgermeisterin von den Grünen Nargess Eskandari-Grünberg auf dem | |
Podium. | |
Deutschland muss die Revolution als solche anerkennen | |
Ihre Kritik an der deutschen Politik ist scharf. „Es gibt einen Grund, | |
warum Deutschland schweigt. Die europäische Union hat lange bewusst | |
versucht, das Atomabkommen mit dem Iran zu retten“, stellt der | |
FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai fest. Über Wochen hinweg äußerte sich | |
die Bundesregierung nicht zu der Situation im Iran. | |
Für die Podiumsgäste ist das ein fataler Fehler, doch keineswegs eine | |
Überraschung. Immerhin stehe Deutschland auf Platz 5 der wichtigsten | |
Importländer des Iran. Die Forderung im Gorki ist klar: [4][Das | |
Atomabkommen muss weg.] Außerdem müsse die iranische Revolutionsgarde auf | |
die europäische Terrorliste aufgenommen werden und personenbezogene | |
Sanktionen in Kraft treten. | |
Es sei existentiell wichtig, dass Länder wie Deutschland klare Zeichen | |
setzen und die Revolution als diese anerkennen. „Manche Menschen im Iran | |
sagen: Die Politik im Iran wird nicht im Iran entschieden, sondern im | |
Ausland.“, so Eskandari-Grünberg. | |
Wo bleibt die Solidarität? | |
Auch die Solidarität der deutschen Zivilgesellschaft wird thematisiert. Auf | |
den Straßen sehe man kaum Deutsche. „Wir sind hier unter uns. Betroffene | |
solidarisieren sich mit uns, aber die anderen nicht“, erzählt | |
Eskandari-Grünberg. Es sei schön zu sehen, dass Menschen aus Afghanistan | |
und der Ukraine, Kurd:innen und Perser:innen zu den Kundgebungen | |
kommen. Der Anteil der Deutschen sei im Gegensatz zu diesen sehr gering. | |
„Ich wünsche mir, dass die Deutschstämmigen wirklich auch mit auf die | |
Straße gehen. Ich möchte, dass uns das alle betrifft.“ | |
[5][Außerdem beklagen die Gäste die mangelnde mediale Präsenz.] In Zeiten | |
vieler konkurrierender Krisen sehen sie den iranischen Kampf für | |
Menschenrechte und Freiheit nicht ausreichend thematisiert. | |
Zudem spricht Shadi Amin auch die iranischen Protestierenden an und warnt: | |
„Die Rechte der LGBTQIA-Community müssen in dieser Revolution geachtet | |
werden.“ Es sei wichtig, dass dieser Kampf auf Inklusivität basiere. Das | |
Momentum dürfe nicht verpasst werden. Im September wurden die lesbischen | |
Aktivistinnen Zahra Sedighi und Elham Choubdar zum Tode verurteilt, wegen | |
„Korruption auf Erden durch die Beförderung von Homosexualität“. | |
Während die Veranstaltung mit einer Schweigeminute begonnen hatte, in | |
Gedenken an die Opfer und Inhaftierten, stimmten die rund 100 Gäste am Ende | |
der Veranstaltung die Parole der Revolution an: „Jin, Jiyan, Azadi – | |
Frauen, Leben, Freiheit.“ | |
24 Nov 2022 | |
## LINKS | |
[1] https://www.gorki.de/de/azadi-in-progress | |
[2] /Proteste-in-Iran/!5893454 | |
[3] /Todesurteil-fuer-LGBTQI-Aktivistinnen/!5879380 | |
[4] /Atomverhandlungen-mit-Iran-ausgesetzt/!5892268 | |
[5] /Journalismus-in-Iran/!5894061 | |
## AUTOREN | |
Paula Gaess | |
## TAGS | |
Proteste in Iran | |
Atomabkommen mit Iran | |
Iran | |
Solidarität | |
Iranische Revolution | |
Menschenrechte | |
wochentaz | |
Ausstellung | |
Proteste in Iran | |
Proteste in Iran | |
wochentaz | |
Iran | |
Proteste in Iran | |
Proteste in Iran | |
Iran | |
Lesestück Recherche und Reportage | |
Proteste in Iran | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Konzert von Aida Shirazi in Berlin: Der Schatten der Gewalt | |
Prozesse der Natur haben die iranische Komponistin Aida Shirazi inspiriert. | |
Doch in ihrem Konzert in Berlin ging es auch um die Revolution in Iran. | |
Fotografinnen aus Afghanistan: Souveränität über das eigene Leben | |
Im Rathaus Neukölln ist eine sehenswerte Ausstellung von Fotografinnen aus | |
Afghanistan etwas versteckt präsentiert. | |
Der Hausbesuch: Es ist ein Aufstand der Frauen | |
Seit über 50 Tagen kampieren Frauen vor der Grünen-Parteizentrale. Sie | |
unterstützen die Protestbewegung im Iran. Wir haben drei von ihnen besucht. | |
Deutsche Kulturinstitutionen zum Iran: Wo bleibt die Debatte? | |
Journalistenverbände haben sich nach Drohungen des Iran gegen deutsche | |
Journalisten klar positioniert. Wo bleibt die Haltung der | |
Kulturinstitutionen? | |
Freiheitsbewegung in Iran: Der Schützengraben der Mullahs | |
Das Festhalten der Mullahs am Hidschab hat viel mit dem Islam zu tun. Aber | |
mehr noch mit Sexualität. | |
Terror in Iran: Ende der politischen Naivität | |
Es gibt Solidarität mit den Protestierenden in Iran und den Willen, die | |
Verbrechen des Mullah-Regimes zu untersuchen. Aber das reicht nicht. | |
Repression in Iran: Sexuelle Gewalt unter dem Mullah-Regime | |
In iranischen Gefängnissen wird systematisch sexuelle Gewalt ausgeübt. | |
Diese ist schon immer Bestandteil der Repression. Jetzt wird sie | |
öffentlich. | |
Beschluss des UN-Menschenrechtsrats: Gewalt in Iran wird untersucht | |
Die UN richten eine Untersuchungskommission zur Gewalt gegen Protestierende | |
in Iran ein. Die Mehrheit mussten sich Deutschland und Island erarbeiten. | |
Proteste gegen das Regime in Iran: U18 und gegen das System | |
In Iran protestieren die Minderjährigen mit. Das Regime steht vor einer | |
Herausforderung und läuft Gefahr, die Kontrolle über die Schulen zu | |
verlieren. | |
Proteste im Iran: Die große Kluft | |
In Iran kämpft eine alte, fundamentalistische Herrscherklasse gegen eine | |
junge, progressive Bevölkerung. Eindrücke aus Teheran und Isfahan. | |
Anthropologin über Feminismus in Iran: „Sie politisieren unseren Lippenstift… | |
Viele Iranerinnen unterstützten 1979 die Revolution, heute unterdrückt sie | |
das Regime. Mode war und ist Teil des Widerstands, sagt die Anthropologin | |
Homa Hoodfar. |