# taz.de -- Deutsche Kulturinstitutionen zum Iran: Wo bleibt die Debatte? | |
> Journalistenverbände haben sich nach Drohungen des Iran gegen deutsche | |
> Journalisten klar positioniert. Wo bleibt die Haltung der | |
> Kulturinstitutionen? | |
Bild: Solidaritätskundgebung mit dem Iran in Berlin Ende November 2022 – dra… | |
Es ist erstaunlich: In Iran findet eine der wichtigsten Revolutionen | |
unserer Zeit statt und deutsche Kulturinstitutionen sind vergleichsweise | |
still. Klar, es gibt Einzelaktionen. Hier mal eine obligatorische | |
Veranstaltung, man kann ja nicht nichts machen. Dort mal ein Banner, ein | |
Satz oder Tweet, der pflichtbewusst wirkt. Da ein offener [1][Brief, zwar | |
von mehr als 650 Kulturschaffenden], die Solidarität bekunden, die aber | |
keine politischen Forderungen stellen. Die zwar schreiben, dass sie | |
überzeugt seien, „dass auch unsere Regierungen und unsere Institutionen | |
euch sehen und unterstützen.“ Aber stimmt das? | |
Denn von vereinzelten Aktionen und unverfänglichen Solidaritätsbekundungen | |
mal abgesehen, hat man nicht das Gefühl, dass deutsche Kulturinstitutionen | |
politisch Stellung beziehen. Hat man dort jeglichen intellektuellen und | |
politischen Anspruch verloren? Geht es nur noch um Solidarität als | |
performativen Akt, damit auch bloß niemand sagen kann, man stehe nicht an | |
der Seite der Protestbewegung? | |
Jedenfalls wird in Anbetracht der Ereignisse in Iran und Kurdistan | |
deutlich, dass deutsche Kulturinstitutionen keine zugänglichen Orte | |
politischer Auseinandersetzung und Bildung für alle sind. Sie bewegen sich | |
nach Außen auf dem Niveau von Unions-Politiker*innen, die [2][Schilder | |
hochhalten, auf denen „Frauen – Leben – Freiheit“ steht, „Jin Jiyan A… | |
– ohne zu wissen, dass dies das Motto der kurdischen Freiheitsbewegung ist, | |
die sie kriminalisieren. | |
Mag sein, dass es innerhalb der Institutionen Debatten darüber gibt, wie | |
man sich positionieren sollte. Doch offenbar ist man sich seiner | |
Verantwortung nicht bewusst oder möchte inhaltliche Debatten nicht nach | |
außen tragen. Dabei liegt doch das Potenzial von Kulturinstitutionen gerade | |
auch in der Einbindung ihrer Umgebung und der gesellschaftlichen | |
Diskussion. Durch meine Arbeit und Freund*innen habe ich viele | |
Berührungspunkte mit der geschätzten Kulturbranche, der ich nicht kritiklos | |
gegenüberstehe. | |
Seit Jahren höre ich: „Wir wollten eine Person aus Iran einladen, aber sie | |
hat kein Visum erhalten, weil Deutschland sich nicht sicher ist, dass die | |
Person nicht hierbleibt.“ Jahr für Jahr bleiben so Besuche | |
Kulturschaffender aus Iran aus. Kulturinstitutionen wissen das. Sie sagen | |
aber öffentlich so gut wie nichts dazu. | |
Die Innenministerkonferenz tagt heute und in den nächsten Tagen. Bayerns | |
Ressortchef Hermann hat bereits verkündet, dass alle Landesinnenminister | |
[3][einen bundesweiten Abschiebestopp nach Iran fordern]. Gleichzeitig sind | |
allein im Oktober mehr als 340 Asylanträge von Iraner*innen abgelehnt | |
worden. | |
## Es braucht Einfluss auf die Politik | |
Während der Deutsche Journalistenverband die lebensbedrohliche Situation | |
für die Kolleg*innen aus Iran erkannt hat und die [4][Einbestellung des | |
iranischen Botschafters in Deutschland] fordert, herrscht Grillenzirpen bei | |
den Kulturinstitutionen, obwohl namhafte Kulturschaffende sich in | |
Lebensgefahr befinden. Ähnliches gilt für die Situation in Afghanistan und | |
China. | |
Der Internationale Museumsrat (ICOM) hat vor Kurzem nach fast 50 Jahren | |
seine [5][Definition von Museen] überarbeitet. Frei übersetzt aus dem | |
französischen Originaltext ist ein Museum demnach unter anderem ein für | |
alle zugänglicher Ort der Bildung und Teilhabe. | |
Als ich neulich eine Veranstaltung im Museum am Rothenbaum in Hamburg zu | |
Iran moderierte, nahm auch das „Woman* Life Freedom Collective Hamburg“ | |
teil. Eine ihrer vorgetragenen Forderungen an das „solidarische Museum“ | |
ist, dass es als Verbündeter agiert und zum Beispiel „seinen Einfluss | |
nutzt, um Druck auf die Politik auszuüben“. | |
Eine Person aus dem Publikum fragte, ob das Museum Interessierten nicht | |
einen Raum für Austausch zur Verfügung stellen könne. Das MARKK nahm die | |
Frage auf und vermutlich dauert es noch etwas, bis eine Antwort gefunden | |
wird. | |
Auch in Hamburg hat sich die Kulturstätte Kampnagel nach außen mit einem | |
Plakat mit den Demonstant*innen in Iran solidarisch gezeigt. Aber der | |
Ort, der sich sonst zu Recht mit tagelangen politischen | |
Auseinandersetzungen schmückt, hat bislang noch nichts zu Iran | |
veranstaltet. | |
Museen, Kinos, Theater könnten tolle, nicht-profitorientierte Orte sein, an | |
denen hitzige Debatten geführt werden, Solidarität gelebt und politischer | |
Druck erzeugt wird. Stattdessen wird das Publikum passiv berieselt. | |
30 Nov 2022 | |
## LINKS | |
[1] https://frauenlebenfreiheit.com/ | |
[2] https://twitter.com/AnjaFlach/status/1575234708556115969?s=20&t=AtTi6Z1… | |
[3] /Aufstand-in-Iran/!5895204 | |
[4] /Einschuechterung-von-DW-Mitarbeitern/!5895318 | |
[5] https://icom-deutschland.de/de/nachrichten/147-museumsdefinition.html | |
## AUTOREN | |
Amina Aziz | |
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