| # taz.de -- Das Lieferkettengesetz kommt: Unternehmen in der Pflicht | |
| > Kann das Lieferkettengesetz halten, was es verspricht? Es sei schlecht | |
| > gemacht und käme unpassend, argumentieren Wirtschaftsverbände. | |
| Bild: Das Lieferkettengesetz soll ihre Rechte besser schützen: Kakaofarmer in … | |
| Berlin taz | Kurz vor Inkrafttreten des sogenannten Lieferkettengesetzes | |
| gibt es noch mal heftige Kritik von Wirtschaftslobbyisten. Das | |
| [1][Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz], wie es richtig heißt, | |
| verpflichtet Unternehmen zu Sorgfalt bei Menschenrechts- und | |
| Umweltstandards entlang der Lieferkette. | |
| „Das Gesetz ist handwerklich schlecht gemacht und es kommt zur Unzeit. Wir | |
| sind extrem unzufrieden damit“, sagte etwa Dirk Jandura, Präsident des | |
| Bundesverbands Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen, der Deutschen | |
| Presse-Agentur kurz vor Weihnachten. Auch die Präsidenten vom Bundesverband | |
| der Deutschen Industrie (BDI), Siegfried Russwurm, und des Deutschen | |
| Industrie- und Handelskammertags (DIHK), Peter Adrian, meldeten sich zu | |
| Wort und verlangten zumindest eine Verschiebung des Gesetzes. | |
| Die Wirtschaftsverbände hatten sich zuvor stark gegen ein deutsches | |
| Lieferkettengesetz eingesetzt und lobbyieren weiterhin gegen ein | |
| europäisches. Ende September hatte bereits die [2][FDP] den | |
| Wirtschaftsverbänden beigestanden und sich ebenfalls für eine Verschiebung | |
| eingesetzt. Mitte Dezember kam dann Solidarität aus Bayern. Das Kabinett | |
| wolle eine Bundesratsentschließung gegen das Gesetz auf den Weg bringen, | |
| sagte Ministerpräsident Markus Söder (CSU) nach der Sitzung der | |
| Staatsregierung. | |
| Zwei Tage später beschloss auch die CDU/CSU-Bundestagsfraktion, die | |
| Aussetzung des Gesetzes für zwei Jahre zu fordern. Die Regierung bekennt | |
| sich weiterhin zu dem Gesetz. Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), | |
| Entwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) und Umweltministerin Steffi | |
| Lemke (Grüne) betonten noch am Donnerstag die Notwendigkeit des Gesetzes. | |
| ## Ab 2023 müssen Firmen Berichte abliefern | |
| Zunächst betrifft das Gesetz Unternehmen mit mehr als 3.000 Beschäftigten. | |
| Um Missstände entlang ihrer Lieferkette zu erkennen, müssen sie ab dem 1. | |
| Januar Risikoanalysen durchführen, ein Risikomanagement und | |
| Beschwerdemechanismen einrichten und öffentlich darüber berichten. Das | |
| Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Bafa) kontrolliert diese | |
| Berichte. Außerdem geht es Beschwerden nach. | |
| Aber auch ohne konkrete Hinweise auf Menschenrechtsverletzungen werde die | |
| Behörde stichprobenartig Unternehmen in bestimmten Risikobereichen | |
| untersuchen, sagte ein Sprecher des Bafa. So werden sie Personen vorladen | |
| und Geschäftsräume betreten, um zu rekonstruieren, ob Unternehmen das | |
| Nötige getan haben, um Missstände zu beenden. Im Falle von Verstößen kann | |
| die Behörde Bußgelder erheben. | |
| Was genau unter Risikobereichen zu verstehen ist, wollen die | |
| Entwicklungsorganisation Germanwatch, die Initiative Lieferkettengesetz und | |
| der entwicklungspolitische Dachverband Venro wissen und hatten von der | |
| [3][Behörde gefordert], konkrete Risikokriterien zu formulieren. Diese hat | |
| das Bafa bislang nicht vorgelegt. Auch seine Methode bleibt unklar. | |
| Das Amt will in seiner Prüfung auf nationale Behörden in Ländern entlang | |
| der Lieferkette zurückgreifen, sagt der Bafa-Sprecher. Fraglich ist, ob | |
| diese Stellen wirklich die Informationen teilen, die einem Unternehmen | |
| schaden könnten, das in eine Region investiert. Für die Überprüfung sei | |
| aktuell ein Team aus 50 Mitarbeitenden zuständig, schreibt das Bafa. Doch | |
| während das Gesetz schon in Kraft tritt, sind noch einige Stellen | |
| unbesetzt. Die Behörde sucht noch nach Prüfer:innen. | |
| ## Noch Prüfer:innen-Stellen unbesetzt | |
| Grund dafür sei, dass der Bedarf aus der Gesetzesfolgenabschätzung ohne | |
| Rücksprache mit dem Bafa ermittelt wurde, so eine Sprecherin von | |
| Germanwatch. Das Bafa selbst habe einen Stellenbedarf von 133 ermittelt und | |
| von der Bundesregierung vorerst nicht einmal die Hälfte bewilligt bekommen. | |
| Zu wenig, heißt es aus der Zivilgesellschaft. Bis Sommer 2023 will das Bafa | |
| aufstocken. | |
| Die Anzahl der Mitarbeitenden soll verdoppelt werden, wenn 2024 über 5.000 | |
| Unternehmen, die mehr als 1.000 Beschäftigte haben, gesetzlich verpflichtet | |
| sind, Sorgfaltspflichten einzuhalten. Für Furore bei den | |
| Wirtschaftsverbänden sorgte hingegen ein Fragenkatalog des Bafa, der im | |
| Oktober an die Unternehmen verschickt wurde und als Leitfaden dienen soll. | |
| Verbandspräsident Jandura kritisierte diesen als „ein rein theoretisches | |
| Konstrukt und praxisfern“. | |
| Es gibt aber auch andere Stimmen aus der Wirtschaft. Der | |
| Nahrungsmittelkonzern [4][Nestlé] etwa hat sich auf deutscher und | |
| europäischer Ebene für ein Lieferkettengesetz eingesetzt. Das Unternehmen | |
| wird immer wieder etwa wegen Menschenrechtsverletzungen auf seinen | |
| Kakaoplantagen angeprangert und erhofft sich wohl unter anderem | |
| Rechtssicherheit durch das Gesetz. | |
| „Wir befürworten den Fragenkatalog, da so Vergleichbarkeit und Transparenz | |
| hergestellt werden“, sagte eine Sprecherin von Nestlé Deutschland. | |
| Unklarheiten und Herausforderungen müssten gemeinsam angegangen werden. Der | |
| Fragenkatalog könne dabei als Leitfaden dienen. „Ob der bürokratische | |
| Aufwand höher ist als der letztendliche Nutzen für das gemeinsame Ziel, | |
| Menschenrechte zu schützen, muss daher regelmäßig überprüft werden“, sag… | |
| die Sprecherin. | |
| ## Alle Firmen sollten einbezogen sein | |
| Auch kleinere Unternehmen wie der niederländische Schokoladenhersteller | |
| Tony’s Chocolonely mit weltweit etwa 270 Beschäftigten betonen, dass die | |
| Anforderungen umsetzbar sind. „Wir sind der Meinung, dass es die Pflicht | |
| eines jeden Unternehmens ist, sich mit seiner Lieferkette und den | |
| Auswirkungen in den Anbau- oder Herstellungsländern auseinanderzusetzen. | |
| Egal ob groß oder klein, alle Unternehmen müssen an das Gesetz gebunden | |
| sein“, sagte eine Sprecherin. | |
| Ab 1. Januar werden rund 1.300 Unternehmen überprüft. Eine Auflistung der | |
| Firmen gibt es bisher nicht. Auch das hatten zivilgesellschaftlichen | |
| Akteure gefordert. | |
| 29 Dec 2022 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2021/kw23-de-lieferkettengese… | |
| [2] /Koalitionsstreit-um-Lieferkettengesetz/!5884742 | |
| [3] https://www.germanwatch.org/de/85260 | |
| [4] /Forderung-nach-Lieferkettengesetz/!5669323 | |
| ## AUTOREN | |
| Ann Esswein | |
| Leila van Rinsum | |
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