| # taz.de -- EU-Lieferkettengesetz: Dieser Standard wird Schule machen | |
| > EU-Firmen müssen künftig mehr Arbeitssicherheit, Bezahlung und | |
| > Umweltschutz in den Fertigungsländern garantieren. Warum das kein | |
| > Standortnachteil ist. | |
| Bild: Ein syrischer Teenager vor Garnrollen in einer türkischen Textilfabrik | |
| Die meisten Unternehmen arbeiten nachhaltig und bewahren den Planeten vor | |
| Unbill. Jedenfalls versprechen sie das. Die Wirklichkeit sieht oft ganz | |
| anders aus: Viele Firmen versuchen kaum, ihre ökonomische Praxis und die | |
| mehrheitlich akzeptierten moralischen Vorstellungen miteinander zu | |
| versöhnen. Daran könnte das [1][europäische Lieferkettengesetz], welches | |
| das EU-Parlament am Donnerstag beschloss, etwas ändern: Firmen aus | |
| EU-Ländern sind künftig verpflichtet, in ihren weltweiten Zulieferfabriken | |
| höhere soziale und ökologische Standards umzusetzen. | |
| Ethisch ist es richtig, Arbeitssicherheit, Bezahlung und Umweltschutz auch | |
| in armen Staaten zu verbessern. Nur gemeinsame Anstrengungen können | |
| verhindern, dass sich eine Katastrophe wie beim Einsturz der Textilfabrik | |
| Rana Plaza mit über 1.100 Toten wiederholt – das hat der sogenannte | |
| Bangladesch Accord bewiesen, ein Vertrag zwischen internationalen Konzernen | |
| und Gewerkschaften. Das EU-Lieferkettengesetz kann nun dazu beitragen, | |
| solche Fortschritte in viele weitere Länder auszudehnen. Hoffnung macht | |
| etwa, dass die hiesigen Auftraggeber künftig auch die Bezahlung der | |
| Beschäftigten in den Fertigungsländern berücksichtigen müssen. | |
| [2][Existenzsichernde Löhne] werden – endlich – zum Ziel erklärt. | |
| Auch wirtschaftspolitisch setzt die EU mit dem neuen Gesetz einen Standard, | |
| dem sich Firmen weltweit anschließen werden. Als größter Wirtschaftsblock | |
| der Erde neben den USA und China ist sie dazu in der Lage. Ausländische | |
| Betriebe, die in Europa arbeiten, müssen das Gesetz ebenfalls anwenden. | |
| Zudem machen EU-Gesetze international Schule, wie sich zum Beispiel an der | |
| Datenschutzgrundverordnung beobachten lässt. Schließlich wollen viele | |
| global tätige Konzerne nicht darauf verzichten, mit der EU Geschäfte zu | |
| betreiben. | |
| Unternehmen aus Europa werden also wohl weniger Kostennachteile gegenüber | |
| der Konkurrenz erleiden, als mancher Wirtschaftsverband jetzt befürchtet. | |
| Eher haben sie Vorteile, weil sie einen neuen Standard als erste | |
| beherrschen lernen. Wer will, kann all das nun als Wirtschaftsimperialismus | |
| in ethischem Gewand denunzieren. Die [3][Arbeiter*innen an den | |
| Nähmaschinen] jedoch werden die Fortschritte zu schätzen wissen. | |
| Wobei man sich immer mehr wünschen kann: Das Gesetz würde zwar | |
| Schadenersatzklagen gegen europäische Unternehmen erleichtern, dennoch | |
| existieren hohe Hürden. Abzuwarten bleibt auch, wie das Gesetz die | |
| anstehende Verhandlung mit den EU-Mitgliedstaaten übersteht. Immerhin: Die | |
| Auswüchse der Billigglobalisierung dürfte es etwas zurückdrängen. | |
| 1 Jun 2023 | |
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| ## AUTOREN | |
| Hannes Koch | |
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