# taz.de -- Spielfilm über queere Rapperin: Teenies lieben toxisch | |
> In „Heartbeast“, dem Spielfilmdebüt von Aino Suni, verliert eine queere | |
> Rapperin ihr Herz an ihre Stiefschwester. An der Figurenzeichnung hapert | |
> es. | |
Bild: Die 15-jährige Elina (Elsi Sloan) rappt. Sie scheint die Gute zu sein … | |
Sie hat raspelkurzes grünes Haar, ihren drahtigen Körper versteckt sie | |
meist unter weiten Klamotten. Die 15-jährige Elina (Elsi Sloan) gibt schon | |
allein ob ihrer äußeren Erscheinung eine außergewöhnliche Protagonistin ab. | |
Zumindest im Kino, wo – anders als jetzt in der Serienwelt – junge, | |
weibliche Hauptfiguren nur selten gängige Schönheitsvorstellungen | |
unterwandern. | |
Mit ihrem durchdringenden Blick und ihrer still beobachtenden Art zieht sie | |
unmittelbar in ihren Bann. Während der Eröffnungssequenz schlängelt sie | |
sich an betrunkenen Teenagern vorbei, lehnt die Aufforderung, vor den | |
Feiernden zu rappen, entschieden ab. Kurz darauf verlässt sie die | |
Hausparty, trägt ihren Song stattdessen nur der menschenleeren finnischen | |
Natur vor. | |
Man gewinnt den Eindruck, dass sich hinter ihrer Zurückhaltung etwas | |
Interessantes verbirgt. Etwas, das sie nicht etwa aus Scham geheim hält, | |
sondern weil es schlicht zu kostbar ist, um es mit jedermann zu teilen. | |
Der scharfe Kontrast, den Elina so zu ihrem Umfeld verkörpert, tritt mit | |
dem Umzug an die strahlend helle Côte d’Azur noch stärker zutage. Dort | |
quartiert sie sich in das rosafarbene Zimmer ihrer Stiefschwester Sofia | |
(Carmen Kassovitz) ein – und die zwei Jahre ältere Tochter des neuen | |
Partners ihrer Mutter scheint all das zu sein, was Elina nicht ist. | |
## Zu Techno in Tanzwut | |
Mit ihrer betont femininen Art ist sie an ihrer Schule überaus beliebt. | |
Durch das Ballett hat sie stets eine kleine Schar an gleichaltrigen | |
Bewunderern um sich. Selbstredend fühlt sich Elina von Sofia angezogen, | |
folgt ihr bald auf Schritt und Tritt. Eine erwartbare Machtdynamik spielt | |
sich ein: Elina ist ihr Schatten, Sofia steht im Licht. | |
Es scheint so, als ob Regisseurin und Drehbuchautorin Aino Suni den | |
altgedienten Grundsatz „Gegensätze ziehen sich an“ walten lässt. | |
Tatsächlich kommt es grundlegend anders: Hinter Sofias vorzeigbarer Fassade | |
lauern ein paar Abgründe. Anders als Elina blickt sie auf eine | |
Drogenhistorie zurück, schleicht sich nachts aus dem Haus und feiert | |
exzessiv. | |
In einer besonders apart arrangierten Szene fügt die finnische | |
Filmemacherin selbst dem eigentlich mit mädchenhafter Grazilität | |
assoziierten Ballett eine finstere Note hinzu: Mit nicht mehr als einem | |
ledernen Harness bekleidet, verfällt Sofia zu grimmem Techno in Tanzwut. | |
Das gekonnte Spiel mit Licht und Schatten, das dabei zum Einsatz kommt, ist | |
beispielhaft für Aino Sunis visuell imponierendes Spielfilmdebüt. | |
## Der Film gibt keine Erklärungen | |
Die Handlung von „Heartbeast“ bleibt hinter diesen kraftvollen Bildern | |
allerdings bald zurück. Nachdem Sofia auf einer Party einen Rap-Song | |
auflegen lässt, den Elina eigens für sie geschrieben hat, nimmt diese | |
grausame Rache an ihrer mittlerweile zur persönlichen Obsession gewordenen | |
Stiefschwester. Nun kommt auch an ihr eine bislang ungekannte Seite zum | |
Vorschein, eine, die wesentlich düsterer ist als Sofias. | |
Während von Elinas geheimnisvollem Seelenleben zu Beginn des Films noch ein | |
großer Reiz ausgeht, entwickelt sich das Fehlen von Erklärungen für ihr | |
zusehends radikaler werdendes Verhalten zu einem regelrechten Ärgernis. | |
Schritt um Schritt versucht sie Sofia unter ihre Kontrolle zu bringen, sie | |
abhängig von ihr zu machen. | |
Das komplexe thematische Terrain, auf das sich „Heartbeast“ damit begibt, | |
wird nicht durch eine entsprechende psychologische Tiefe in der | |
Figurenzeichnung aufgefangen. Weil zunächst so nachvollziehbar erzählt | |
wird, ist umso bedauerlicher, dass der Plot später in eine beinah beliebig | |
wirkende, schließlich ermüdende Aneinanderreihung von Grenzüberschreitungen | |
abgleitet. | |
Wem der Sinn nach einer lesbischen Coming-of-Age-Story samt Protagonistin | |
mit bunten Haaren steht, sehe sich also besser noch einmal [1][„Blau ist | |
eine warme Farbe“] an. Und für queeren Rap mit düsterem Musikvideo ist | |
„Zon“ von der Schwedin Silvana Imam ein lohnenswerter Geheimtipp. | |
6 Dec 2022 | |
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## AUTOREN | |
Arabella Wintermayr | |
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