# taz.de -- Debütfilm „Mein erster Sommer“ auf DVD: Ein helles Märchen mi… | |
> Der Spielfilm „Mein erster Sommer“ der australischen Regisseurin Katie | |
> Found spielt mit Traum und Wirklichkeit. Er erzählt von ersten | |
> Begegnungen. | |
Bild: Grace (Maiah Stewardson, links) und Claudia (Markella Kavenagh) lernen si… | |
Ein Haus, ein See, ein Wald. Im Haus im Wald am See ein Mädchen, eine junge | |
Frau, die Claudia heißt. Sie ist allein, mit Hund, sie hat die Außenwelt, | |
die Welt um den Wald, nie kennengelernt, sechzehn Jahre lang, hat nur von | |
ihrer Mutter, die Schriftstellerin war, Dinge erfahren. Düster, erfährt | |
man, sind die Bücher der Schriftstellerin, offenbar hat sie den Menschen | |
nur Schlimmes zugetraut und wollte ihre Tochter davor bewahren. | |
Nun ist die Mutter verschwunden, sie ist ins Wasser gegangen, im See im | |
Wald, im gelben Kleid, mit Steinen beschwert, die Tochter bleibt ganz | |
alleine im Haus mit den Büchern zurück. | |
Diese Geschichte, die die australische Regisseurin und Drehbuchautorin | |
Katie Found in ihrem Spielfilmdebüt erzählt, siedelt nahe am Märchen. | |
Verwunschener Ort, der Selbstmord der Mutter ein wiederkehrender, oder eher | |
ein sich nach und nach erst zu einem ganzen Bild zusammenfügender Alptraum. | |
Claudia ist nicht lange allein. Zwei Polizisten tauchen auf, dringen ein in | |
das Haus, als bedrohliche Außenwelt und Staatsmacht par excellence, aber es | |
ist nicht Claudia, die sie suchen, denn niemand weiß von ihrer Existenz. | |
Außer Grace. Eine junge Frau aus der nur einen längeren Waldweg entfernt | |
liegenden Siedlung. Sie lebt in der Welt, das Verhältnis zum neuen Freund | |
ihrer Mutter ist schwierig, die Wand ihres Zimmers ist mit [1][Popstars wie | |
Beyoncé] tapeziert, aber auch [2][Joan Didion] ist für sie eine Heldin. | |
Grace war zufällig Zeugin des Selbstmords, hat dabei auch Claudia gesehen, | |
sie in der Vernehmung erwähnt. Nun sucht sie sie auf, im Haus im Wald, und | |
zieht vor den Polizisten ihre Zeugenaussage zurück. | |
Sie will Claudias Schutzraum nicht zerstören, nachdem sie ohne bösen Willen | |
in ihn eingedrungen ist, als hätte der Selbstmord der Mutter die Unschuld | |
dieses Schutzraums nicht bereits zerstört. Nun macht sie die Tür zur | |
Außenwelt hinter sich wieder zu, nun sind die beiden im Märchen-Haus | |
alleine, alleine mit dem Hund namens Tilly. (Den wird die Polizei an sich | |
nehmen, Grace bringt ihn, als Freundschaftsbeweis, zu dem eine Lüge gehört, | |
wieder zurück.) | |
## Körper erkunden | |
So beginnt nun der erste Sommer, Claudias erster Sommer ohne die Mutter, | |
Claudias erste Begegnung mit einem anderen Menschen, auch mit einem anderen | |
Körper, denn es sind auch ihre Körper, die die beiden zu erkunden beginnen, | |
mit Blicken und später mit Küssen, beim gemeinsamen Bad in der Wanne, dann | |
rücken sie die Betten zusammen. | |
Das alles ist ohne jeden Voyeurismus in Szene gesetzt, wie überhaupt der | |
ganze Film stark davon lebt, dass der Film Bilder findet, mit flirrendem | |
Licht, und Tönen und schnell, aber sanft wechselnde Perspektiven, die | |
Sommer und Aufbruch evozieren, ohne dass darin etwas Verlogenes ist. | |
„Mein erster Sommer“ ist ein helles Märchen mit sehr dunklem Rand. Das | |
Szenario ist irreal, die Gefühle sind wahr, Transposition der Wirklichkeit | |
eines Begegnens in einen Traum. Es ist ein Film von, gar für ein Debüt, | |
schöner Selbstsicherheit. Katie Found nimmt sich das Recht, eine Welt zu | |
erfinden, deren Bezug zur Wirklichkeit auf Erwartungen an oberflächlichen | |
Realismus keine falschen Rücksichten nimmt. | |
Die richtigen Töne treffen auch die jungen Darstellerinnen Markella | |
Kavanagh (gerade als Nori Brandyfoot in der [3][Amazon-„Herr der | |
Ringe“-Serie] zu sehen) und Maiah Stewardson, deren Spiel die Regie | |
ihrerseits einen Schutzraum gewährt. Nicht so glücklich ist der Umgang mit | |
der Musik. Auf den ersten Blick passen die Indie-Singer-Songwriter-Songs | |
bestens zur Stimmung, auf die „Mein erster Sommer“ hinauswill. Sie tun es | |
nur leider zu gut. Dabei hat der Film die Mittel, leise zu evozieren, was | |
die Musik dann plump unterstreicht. | |
8 Dec 2022 | |
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## AUTOREN | |
Ekkehard Knörer | |
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