| # taz.de -- Thriller „Alice, Darling“ auf DVD: Ein Druck, den man kaum ahnt | |
| > Der Psychothriller „Alice, Darling“ ist das Regiedebüt der englischen | |
| > Schauspielerin Mary Nighy. Sie erzählt darin subtil von psychischem | |
| > Missbrauch. | |
| Bild: Freundinnen: Sophie (Wunmi Mosaku), Alice (Anna Kendrick) und Tess (Kanie… | |
| Von außen sieht alles bestens aus im Leben von Alice [1][(Anna Kendrick):] | |
| Sie hat einen guten Job, sie hat mit Simon (Charlie Carrick) einen | |
| erfolgreichen Künstler als Freund, sie lebt in einer prächtigen Wohnung in | |
| der Mitte der Stadt und sie hat zwei beste Freundinnen, Tess (Kaniethiio | |
| Horn) und Sophie (Wunmi Mosaku), die sie nicht hängen lassen, wenn es mal | |
| ein Problem gibt. Und es gibt ein Problem, nur dass Anna und den anderen | |
| nicht wirklich klar ist, worin es besteht. | |
| Zwar sieht man gleich zu Beginn, wie Alice sich auf dem Klo die Haare um | |
| den Finger wickelt und ausreißt, ein Symptom, dessen Ursache erst nach und | |
| nach deutlicher wird. Der Film, das Debüt der Regisseurin Mary Nighy, | |
| streut Andeutungen, gibt sich atmosphärisch als Thriller. Es dauert, bis | |
| man begreift, dass die Spannungen, die er erzeugt, eher innere sind. | |
| Tess, die auch Künstlerin ist, nur nicht sehr erfolgreich, hat eine | |
| Aversion gegen Simon, die sich Alice als Neid zu erklären versucht. Ihren | |
| dreißigsten Geburtstag will Tess auf dem Land feiern: abgelegenes Haus, ein | |
| See, Holz wird gehackt. Alice kommt mit, belügt aber Simon, dem sie etwas | |
| von einer Dienstreise erzählt. Nervös blickt sie auf das Telefon, wenn es | |
| pingt. Das tut es nicht selten, denn Simon meldet sich oft, mit | |
| Nachrichten, die harmlos klingen, es in der Summe jedoch nicht wirklich | |
| sind. | |
| „Alice, Darling“ erzählt von einer Beziehung, mit der etwas nicht stimmt. | |
| Es zeigt sich im Flashback beim Sex, auf den Alice nicht wirklich Lust hat; | |
| es ist aber nicht so, dass Simon sie nötigt. Als ihr ein Kellner in der | |
| Bar, der ihr gefällt, seine Adresse zusteckt, vernichtet sie den Zettel mit | |
| einem Eifer, an dem der Überschuss irritiert. Auch beim Essen, der | |
| Ablehnung von Zucker und Fett, übertreibt sie auf eine Weise, die auf | |
| Störungen deutet. | |
| Simon sitzt ihr im Genick noch da, wo sie fern von ihm ist, als schlechtes | |
| Gewissen, das er ihr macht. Die Dinge liegen jedoch nicht klar zu Tage und | |
| nicht auf der Hand. Nicht für Alice selbst, die fahrig wirkt und die | |
| Freundinnen ohne sichtbaren Grund anfährt; aber auch für die Freundinnen | |
| zunächst einmal nicht, die sich verletzt fühlen von ihren Aggressionen und | |
| darauf manchmal selbst aggressiv reagieren. | |
| ## Ein befreiender Schlag | |
| Simons Übergriffigkeit ist durchaus subtil. Er setzt sie so unter Druck, | |
| dass es ihr erscheinen muss, als wäre es der Stress, den sie selbst sich | |
| als Leistungsdruck macht, auch, aber nicht nur in der Beziehung. Er schlägt | |
| Alice nicht, überhaupt ist die Bedrohung nicht physischer Art. Nicht einmal | |
| die ständigen SMS-Nachrichten sind eindeutig drohend oder auch nur | |
| passiv-aggressiv. | |
| Der Film setzt ganz darauf, in erster Linie die Folgen zu zeigen, an denen | |
| man die Ursachen ablesen kann. Kurz scheint er im letzten Drittel in | |
| Richtung veritabler Thriller zu schwenken, der drohende Score will die | |
| ganze Zeit schon dahin. Klugerweise belässt es Nighy dann aber bei einem | |
| einzigen – befreienden – Schlag mit dem Beil. | |
| Und so rückt „Alice, Darling“ nicht den Missbrauch und die Verletzung, | |
| sondern die Freundschaft unter Frauen und die Möglichkeit eines Auswegs ins | |
| Zentrum. In einer entscheidenden Szene ist es der gebannte Blick von Alice | |
| zu Sophie, der den Bann des anderen bricht. | |
| Das alles funktioniert nur, weil Anna Kendrick, der vor allem aus den | |
| [2][Twilight-Filmen] und Komödien bekannte Star, sich in diesem weder | |
| spektakulären noch spekulativen Film nicht in den Vordergrund spielt. Sie | |
| fügt sich ins starke Ensemble, ein gutes Omen für „The Dating Game“, den | |
| ersten Film unter eigener Regie, den sie gerade abgedreht hat. | |
| 20 Apr 2023 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Science-Fiction-Thriller-Stowaway/!5816312 | |
| [2] /Biss-zum-Ende-der-Nacht--Teil-2/!5079035 | |
| ## AUTOREN | |
| Ekkehard Knörer | |
| ## TAGS | |
| Spielfilm | |
| DVD | |
| Debütfilm | |
| Thriller | |
| toxisch | |
| DVD | |
| USA | |
| Film | |
| DVD | |
| Debütfilm | |
| Mars | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Thriller „The Dating Game Killer“: Die Männer und der Staat sahen weg | |
| Der Film „The Dating Game Killer“ ist das Regiedebüt der Darstellerin Anna | |
| Kendrick. Sie erzählt den wahren Fall eines Frauenmörders aus Opfersicht. | |
| Psychothriller „Eileen“ im Kino: Eine junge Frau mit Abgründen | |
| „Eileen“ ist ein Psychothriller als surrealistische Groteske. Ottessa | |
| Moshfegh schrieb das Drehbuch für die Verfilmung ihres gleichnamigen | |
| Romans. | |
| Knast-Film „Prison 77“ auf DVD: Die Neonreklame verspricht Freiheit | |
| Draußen stirbt Diktator Franco, im Modelo-Gefängnis formieren sich die | |
| Gefangenen. „Prison 77“ erzählt eine Desillusionierungsgeschichte als | |
| Thriller. | |
| Debütfilm „Mein erster Sommer“ auf DVD: Ein helles Märchen mit dunklem Ra… | |
| Der Spielfilm „Mein erster Sommer“ der australischen Regisseurin Katie | |
| Found spielt mit Traum und Wirklichkeit. Er erzählt von ersten Begegnungen. | |
| Feministischer Rache-Film „Violation“: Ein furchtloses Debüt | |
| Die Regisseurin und Schauspielerin Madeleine Sims-Fewer hat einen Film | |
| über Rache gedreht. „Violation“ schlägt, reißt, sägt quer durch die | |
| Register. | |
| Science-Fiction-Thriller „Stowaway“: Blinder Passagier | |
| In der US-deutschen Koproduktion „Stowaway“ läuft ein Flug zum Mars aus dem | |
| Ruder. Ein schönes Kammerspiel – doch das Ende enttäuscht. |