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# taz.de -- Spionage in Griechenland: Griechenlands Watergate
> Journalisten enthüllen die Ausspähung von mehr als 100 Personen, darunter
> vieler Medienschaffender. Premier Mitsotakis ist im Zentrum des Skandals.
Bild: Hat Griechenlands Premier Mitsotakis missliebige Personen ausspähen lass…
Kostas Vaxevanis hat in Griechenland einen lebensgefährlichen Job. Er ist
Investigativjournalist. Im April vorigen Jahres richtete er sich über die
Webseite der von ihm ins Leben gerufenen Sonntagszeitung Documento in
eigener Sache an seine Leser. Es war ein Hilferuf.
„Ich bin dazu gezwungen, euch zu informieren. Denn ihr seid der einzige
Schutz“, so Vaxevanis. Eine glaubwürdige Person habe ihn angerufen. Kurz
zuvor waren zwei Bewaffnete von motorisierten Polizisten unweit seines
Wohnorts im Athener Norden entdeckt worden. Sie entkamen nach einem
Schusswechsel. Seine Quelle sagte ihm: „Kostas, sie wollten einen
Auftragsmord an dir ausführen, haben ihren Plan aber wegen des
Zusammenstoßes mit der Polizei abgebrochen. Sei vorsichtig.“
Der damalige Bürgerschutzminister ordnete „zusätzliche
Sicherheitsmaßnahmen“ für den Reporter an. Gut eineinhalb Jahre später, in
der Ausgabe vom 6. November von Vaxevanis’ Documento, befindet sich der
Name des Ex-Ministers auf einer Liste mit 33 Personen.
Deren Smartphones soll der griechische Geheimdienst EYP mit [1][der
Spähsoftware Predator (zu deutsch: „Raubtier“)] infiziert haben. Predator
ist sehr gefräßig. Nicht nur Telefonate werden abgehört, auch E-Mails und
ganze Smartphone-Archive schöpft der digitale Beutegreifer ab.
Documento legte nach, mit neuen Listen. Die Zahl der in Griechenland
mutmaßlich von Predator Ausgespähten ist so auf 106 angestiegen. Zu den
Opfern zählen neben griechischen Politikern, Funktionären und Unternehmern
auch 16 Medienschaffende.
## Mehrere Medienschaffende unter den Abgehörten
Der Fall des Wirtschaftsjournalisten Thanassis Koukakis wurde bereits im
Frühjahr aufgedeckt. Prominente Fälle sind ferner Alexis Papachelas,
Chefredakteur der konservativ-liberalen Athener Tageszeitung Kathimerini,
sowie der linke Verleger Antonis Dellatolas vom Satireblatt To Pontiki.
Andere dürften primär ob ihrer Kontakte ausgespäht worden sein. Der
Herausgeber der Wochenzeitung Parapolitika, Jannis Kourtakis, steht dem
Reeder Vangelis Marinakis nahe. Der Tycoon kontrolliert die
auflagenstärkste Athener Tageszeitung Ta Nea und die linksliberale
Sonntagszeitung To Vima.
Ins Visier von Predator soll obendrein der Journalist Spyros Sideris von
„euractiv.gr“ und „ieidiseis.gr“ geraten sein, Experte für Außenpolit…
die Energiebranche. Das will Sideris nicht auf sich sitzen lassen. Er erhob
wie sein Kollege Koukakis Klage wegen seiner Überwachung.
Bestätigt haben die hellenischen Behörden bisher nur die Lauschangriffe auf
Koukakis und den Chef der Pasok-Sozialisten, Nikos Androulakis. Sie seien
„legal“ und nicht mit Predator erfolgt.
Das sieht To Vima etwas anders. Das Blatt enthüllte nicht nur, in welchem
Gebäude im Athener Vorort Aghia Paraskewi das Predator-Überwachungssystem
von 2020 bis zuletzt stationiert war, sondern nannte auch die Namen der
dorthin versetzten Beamten.
## Premier Kyriakos Mitsotakis unter Beschuss
Ins Fadenkreuz geraten ist im „griechischen Watergate“ der konservative
Premier Kyriakos Mitsotakis. Kein Wunder: Als eine seiner ersten
Amtshandlungen hatte er im Juli 2019 den Geheimdienst unter seine direkte
Kontrolle gestellt.
Trotz Ladung glänzte er mit Abwesenheit, als der [2][Untersuchungsausschuss
Pega des Europaparlaments] über den Einsatz von Spähsoftware zuletzt in
Athen ermittelte. Mitsotakis beharrt darauf, die Sache sei für ihn
erledigt, nachdem seine rechte Hand sowie der EYP-Chef ihren Hut nahmen.
Für Vaxevanis und Co hat Mitsotakis nur Häme und Spott übrig: „Totaler
Blödsinn! Alles unglaubliche Lügen!“
Wirklich? Alles nur „Hirngespinste“? Die Athener Strafjustiz leitete in der
heiklen Causa schon ein halbes Dutzend Ermittlungsverfahren ein.
Vaxevanis, der unermüdliche Aufdecker, erhob am Donnerstag Klage gegen
Premier Mitsotakis. Der Regierungschef soll eine Geldstrafe von 100.000
Euro zahlen, weil Mitsotakis ihm einen Tag nach Publikation der ersten
Documento-Liste in einem Fernsehinterview unverhohlen unterstellt habe, im
Jahr 2016 Gelder eines russischen Oligarchen zum Aufbau einer Medienfirma
genutzt zu haben.
Griechenland ist in der unsäglichen Ära Mitsotakis in der Rangliste der
Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen auf [3][Platz 108 von 180 Ländern
abgerutscht]. Im neuen Ranking dürfte das EU-Schlusslicht Hellas noch
tiefer fallen.
28 Nov 2022
## LINKS
[1] /Abhoerskandal-in-Griechenland/!5874966
[2] https://www.europarl.europa.eu/committees/de/pega/about
[3] https://www.reporter-ohne-grenzen.de/fileadmin/Redaktion/Downloads/Ranglist…
## AUTOREN
Ferry Batzoglou
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