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# taz.de -- Steigende Preise in Griechenland: Athen führt „Food-Pass“ ein
> Auch in Griechenland sind die Lebensmittelpreise stark gestiegen. Die
> Regierung will Privathaushalten nun helfen – indem sie einen Teil der
> Kosten trägt.
Bild: Athen, Anfang Dezember: Vor allem die Lebensmittelpreise sind in Griechen…
Das wollte er sich nicht nehmen lassen: Höchstpersönlich verkündete der
griechische Premier Kyriakos Mitsotakis die Überraschung am Samstagabend in
seiner Rede im Athener Parlament vor der Verabschiedung des hellenischen
Staatshaushalts 2023. Der Staat werde, so Mitsotakis in fast pathetischer
Überhöhung, fortan „10 Prozent der Ausgaben eines griechischen Haushalts
für Lebensmittel und Getränke“ übernehmen. Das gelte für Einkäufe in
Supermärkten, Bäckereien, Minimärkten, Obst- und Gemüseläden, Metzgereien,
Fischgeschäften sowie Molkereien.
Die Maßnahme gelte ab Februar 2023 für sechs Monate – und damit bis
einschließlich Juli 2023. Damit die Griechen und Griechinnen hierzulande
wohl nicht plötzlich die Supermärkte und anderen
Lebensmitteleinzelhandelsgeschäfte stürmen, werde die monatliche
Einkaufsgrenze pro Haushalt, für die der Staatszuschuss gewährt wird, auf
220 Euro für einen Einpersonenhaushalt gedeckelt. Die Obergrenze in puncto
Bemessungsgrundlage erhöhe sich um weitere 100 Euro für jedes weitere
Haushaltsmitglied und schließlich bis zu einem maximalen Einkaufsbetrag von
1.000 Euro, egal wie viele Mitglieder der Haushalt hat.
Beispiel: Bei einem Ehepaar mit einem Kind wird von Einkäufen für
Lebensmittel und Getränke in Höhe von 420 Euro pro Monat ausgegangen. Davon
erstattet der Staat 42 Euro. Das geht so: Der staatliche Zuschuss wird
monatlich auf einer digitalen Debitkarte gutgeschrieben. Ein digitaler
Antrag reicht. Die Debitkarte kann ausschließlich im
Lebensmitteleinzelhandel verwendet werden. Entscheidet sich der oder die
Begünstigte für eine Einzahlung auf ein Bankkonto, werden die Beträge
vierteljährlich ausgezahlt und die Höhe der Beihilfe zugleich um ein
Fünftel gekürzt. Ein Ehepaar mit einem Kind erhält dann statt der 42 Euro
im Monat nur 33,60 Euro.
Anspruchsberechtigt sind die Privathaushalte, deren jährliches
Familiengesamteinkommen bis zu 16.000 Euro für einen Einpersonenhaushalt
und 24.000 Euro für Ehepaare oder Parteien einer Lebensgemeinschaft
beträgt, zuzüglich 5.000 Euro für jedes Kind oder Gastmitglied des
Haushalts. Da das Gros der Griechen ohnehin nicht mehr verdient, haben 3,2
Millionen der landesweit insgesamt 4,1 Millionen Privathaushalte in Hellas
Anspruch auf den „Food-Pass“. Das entspricht etwa 8,5 Millionen der
insgesamt 10,4 Millionen Griechen und Griechinnen.
## In Sachen Kaufkraft auf dem vorletzten Platz
Die Gesamtkosten für den „Food-Pass“ im Zeitraum Februar bis Juli 2023
werden auf 650 Millionen Euro geschätzt. Rechnet man die vermeintliche
Wohltat der Regierung Mitsotakis auf die veranschlagten 181 Tage herunter,
sind dies exakt 42 Cent pro Kopf und Kalendertag. Ein Souvlaki, der
populäre gegrillte Fleischspieß, kostet in Griechenland mittlerweile 3 bis
über 4 Euro.
Für die Athener Opposition sind das nur Almosen. Die linke „Mera25“ vom
Ex-Finanzminister Yanis Varoufakis ätzte, die Griechen und Griechinnen
würden „keinen Blödsinn essen“. Die führende Athener Oppositionspartei v…
„Bündnis der Radikalen Linken“ (Syriza) unter Ex-Premier Alexis Tsipras
sieht im mit viel Tamtam angekündigten „Food-Pass“ bloß einen „versucht…
Betrug“.
Fest steht: Die Inflationsrate in allen zwölf erfassten Kategorien wird
2022 in Griechenland im Jahresdurchschnitt knapp 10 Prozent betragen. In
der Kategorie „Essen und nichtalkoholische Getränke“ steigen die Preise am
Peloponnes aber noch viel stärker: Im November lagen sie im Vergleich zum
entsprechenden Vorjahresmonat um 15 Prozent höher, während die allgemeine
Inflationsrate bei 8,5 Prozent lag, wie das griechische Statistikamt Elstat
feststellte.
Fleisch verteuerte sich um 16,7 Prozent, Brot um 18,7 Prozent und Milch und
Käse sogar um 25,3 Prozent. Doch damit nicht genug: Die Preise für
Einfuhren in der einheimischen Lebensmittelindustrie legten im Oktober 2022
im Jahresvergleich laut Elstat um 17,4 Prozent zu. Was das über kurz oder
lang bedeutet: Ein neuerlicher Preisschub für Lebensmittel und Getränke in
Griechenland.
## Standing Ovations für den Pass
Das trifft die schon vor der Teuerung verarmten Griechen hart, zumal die
allermeisten Lohn- und Gehaltsempfänger im laufenden Jahr noch keinen
Anstieg ihrer Einkünfte gesehen haben. Die unweigerliche Folge: ein
(weiterer) massiver Kaufkraftverlust. Ohnehin liegen die Griechen und
Griechinnen in Sachen Kaufkraft in der EU-27 auf dem vorletzten Platz. Nur
die Bulgaren und Bulgarinnen können sich noch weniger leisten.
Dennoch weigert sich die Regierung Mitsotakis beharrlich, der Forderung der
Opposition nachzukommen, die Mehrwertsteuer zumindest auf Lebensmittel und
Getränke zu senken. Mitsotakis’ Kalkül: So sprudeln wenigstens die
Steuereinnahmen für den hellenischen Fiskus.
Für den „Food Pass“ erhielt Premier Mitsotakis am Samstagabend jedenfalls
stehende Ovationen seiner 155 Abgeordneten im 300 Sitze umfassenden Athener
Parlament. Der „Food-Pass“ soll im Endspurt seiner Amtszeit ein politischer
Befreiungsschlag sein. Ob der „Food-Pass“ aber reicht, um von dem seit
Monaten schwelenden Abhörskandal, sich häufenden Fällen offenkundiger
Bereicherung von Parteimitgliedern oder der massive Teuerung abzulenken?
Spätestens im Juli nächsten Jahres, wenn der ominöse „Food-Pass“ ausläu…
müssten Parlamentswahlen im Land stattfinden.
19 Dec 2022
## AUTOREN
Ferry Batzoglou
## TAGS
Inflation
Griechenland
Kyriakos Mitsotakis
Yanis Varoufakis
Griechenland
Schwerpunkt Korruption
Schwerpunkt Krise in Griechenland
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