| # taz.de -- Hochschulpolizei in Griechenland: Proteste gegen Cops auf dem Campus | |
| > Polizisten durften in Griechenland bis 2019 keine Unis betreten. Jetzt | |
| > will die Regierung sogar eine Campuspolizei schaffen. | |
| Bild: Nicht einschüchtern lassen: Demonstration gegen Polizeigewalt an griechi… | |
| Athen taz | Es ist ungewohnt ruhig an diesem Samstagmittag im Park am | |
| Klafthmonosplatz: Vögel zwitschern, eine Frau sitzt etwas abseits und | |
| liest, nur die ab und zu vorbeisausenden Mopeds erinnern daran, dass der | |
| Platz mitten in Athen liegt. Hier, unweit der Juristischen Fakultät der | |
| Nationalen Universität, haben der Biologiestudent Iosif T. und die | |
| Medizinstudentin Dimitra P. auf einer Parkbank Platz genommen. | |
| Die beiden regt ein Thema ganz besonders auf: [1][die Hochschulpolizei, die | |
| nach den Plänen der griechischen Regierung] bald auch an ihrer Uni, der | |
| Nationalen und Kapodistria-Universität Athen, patrouillieren wird. Iosif | |
| und Dimitra gehören linken Studierendenorganisationen an und haben in den | |
| vergangenen Monaten immer wieder gegen Polizeipräsenz an der Uni | |
| protestiert. Seit Bekanntwerden der Pläne vor mehr als einem Jahr gehen | |
| landesweit regelmäßig Tausende Studierende auf die Straße. | |
| Die auf Hochschulen spezialisierten Polizeieinheiten sollen zum Schutz der | |
| Studierenden und des Lehrpersonals eingesetzt werden. So rechtfertigt | |
| zumindest die Regierung unter dem konservativen Ministerpräsidenten | |
| Kyriakos Mitsotakis die Pläne. Der 22-jährige Iosif glaubt nicht daran. Die | |
| Polizei, dein Freund und Helfer? „Nicht in Griechenland“, meint er. „Das | |
| sage ich nicht einfach so, das habe ich schon oft erlebt.“ | |
| Regelmäßig werde er von der Polizei angehalten, nach seinem Ausweis gefragt | |
| und als illegaler Einwanderer beschimpft, weil sein Hautton etwas dunkler | |
| sei. Und wenn die Polizisten bei der Durchsuchung seines Rucksacks auch | |
| noch linke Literatur finden, bekomme er spöttische Kommentare zu hören. | |
| „Wie soll ich mich mit solchen Erfahrungen durch eine Hochschulpolizei | |
| sicher fühlen?“ | |
| ## Regierung will mehr Überwachung an Unis | |
| Seine Freundin Dimitra sagt, als junge Frau habe sie keine vergleichbaren | |
| Erfahrungen gemacht. Doch auch sie ist überzeugt, dass die Regierung mit | |
| der Hochschulpolizei weiterreichende Ziele verfolgt. Das zeige das | |
| Gesamtpaket, das vergangenes Jahr durchs Parlament ging und nun umgesetzt | |
| wird: „Das Gesetz sieht nicht nur Polizisten an den Unis vor, sondern auch | |
| Überwachungskameras, Einlasskontrollen und Drehkreuze“, erklärt die | |
| 23-Jährige. | |
| „Ich glaube, sie tun das, um uns Studierende einzuschüchtern, sodass wir | |
| uns nicht mehr gegen die Regierungspolitik auflehnen.“ Schließlich seien | |
| die Studierenden in Griechenland eine der politisch aktivsten | |
| Bevölkerungsgruppen. „Genau das wollen sie bekämpfen“, meint Dimitra. | |
| ## Erbe der Studentenrevolte von 1973 | |
| Dieser Kampfgeist ist ein Erbe der großen griechischen Studierendenproteste | |
| der 1970er Jahre, mit dem die konservative Regierungspartei Nea Dimokratia | |
| nur bedingt umgehen kann. Als unter der griechischen Militärjunta die | |
| Bevölkerung unterdrückt wurde, lehnten sich die Studierenden – beeinflusst | |
| von der weltweiten Studentenbewegung dieser Zeit – gegen die Diktatur auf. | |
| Höhepunkt der Proteste war die Besetzung des Athener Polytechnio, der | |
| Polytechnischen Hochschule im Herbst 1973. In der Nacht zum 17. November | |
| durchbrach ein Panzer das Eingangstor zur Hochschule, die Proteste wurden | |
| blutig niedergeschlagen, 24 Menschen wurden von Scharfschützen rund um das | |
| Hochschulgebäude getötet. | |
| Die sozialistische Pasok-Regierung erklärte 1981 den Tag der „Revolte des | |
| Polytechnio“ zum Nationalfeiertag. Das Datum ist auch heute noch vor allem | |
| für linke und sozialistische Parteien sowie Gewerkschaften ein [2][Anlass | |
| für Demonstrationen]. Konservative Parteien hingegen konnten sich nie mit | |
| dem Feiertag anfreunden. Als im vergangenen November zwei Abgeordnete der | |
| Nea Dimokratia ausnahmsweise an der traditionellen Kranzniederlegung | |
| teilnehmen wollten, wurden sie von linken Gruppierungen daran gehindert. | |
| ## Übergriffe gegen konservative Studierende? | |
| Das sei nur ein Beispiel für die Situation an den griechischen Hochschulen, | |
| beklagen Vertreter der DAP-NDFK, der Jugendpartei der Nea Dimokratia. Immer | |
| wieder würden Studierende, die der konservativen Regierungspartei | |
| nahestehen, von linksradikalen oder autonomen Gruppierungen angegriffen und | |
| sogar geschlagen, sagt die Sprecherin der Organisation, Katerina Koronia. | |
| So ein Angriff habe erst vor Kurzem an der Juristischen Fakultät der | |
| Universität Athen stattgefunden. Eine Studentin der DAP-NDFK habe deshalb | |
| ins Krankenhaus gebracht werden müssen. | |
| Die griechische Bildungsministerin Niki Kerameos verspricht, solche | |
| Vorfälle in Zukunft zu verhindern, ebenso wie den Drogenhandel und den | |
| Vandalismus. Dafür werde die Hochschulpolizei sorgen, so Kerameos. Zusammen | |
| mit anderen Maßnahmen – etwa der Abschaffung des Hochschulasyls – würden | |
| die Hochschulen wieder sicherer. | |
| Tatsächlich durfte die griechische Polizei bis 2019 den Campus einer | |
| Universität nur unter sehr strengen Bedingungen betreten: wenn eine schwere | |
| Straftat im Gange war und der Hochschulrektor sein Einverständnis gegeben | |
| hatte. Wegen der Studierendenrevolte von 1973 und ihres blutigen Ausgangs | |
| wurde diese Regelung lange Zeit nicht infrage gestellt. | |
| ## Unis als Zufluchtsorte von Randalierern | |
| Davon profitierten auch Gruppen, die nichts mit dem Hochschulleben zu tun | |
| hatten, etwa Randalierende, die sich nach Straßenschlachten mit der Polizei | |
| in den Hochschulgebäuden der Athener Innenstadt verbarrikadierten, so der | |
| Festnahme entkamen und oft die Einrichtung der Hochschulen beschädigten. | |
| Als die Nea Dimokratia 2019 an die Macht kam, schaffte sie dieses | |
| sogenannte Hochschulasyl umgehend ab. Dass die Universitäten dadurch | |
| sicherer geworden seien, wie die Regierung versprochen hat, bezweifeln | |
| jedoch viele. Erst kürzlich wurden durch einen Polizeieinsatz an der | |
| Aristoteles-Universität Thessaloniki mehrere Studierende verletzt. | |
| Die neuen Hochschulpolizisten hingegen seien „eine Spezialeinheit nur für | |
| die Unis, mit einer speziellen Ausbildung und ohne Schusswaffen, aber mit | |
| allen anderen Schutzmaßnahmen, die ein Polizist bei sich trägt“, sagt die | |
| Bildungsministerin Kerameos. Die ersten 400 hätten ihre viermonatige | |
| Ausbildung schon absolviert und seien nun einsatzbereit. | |
| ## Verwaltungsgericht gibt grünes Licht für Regierungspläne | |
| Die Oppositionsparteien Syriza (Linke), die Sozialisten (Pasok/Kinal) und | |
| die Kommunistische Partei (KKE) hatten im Parlament gegen die | |
| Hochschulpolizei gestimmt und diese als verfassungswidrig eingestuft. Das | |
| oberste griechische Verwaltungsgericht gab nun jedoch grünes Licht für die | |
| Pläne. Mitte Mai lehnte es zwei Sammelklagen gegen die Hochschulpolizei ab. | |
| In der Begründung heißt es, dass die Polizei an den Unis nicht gegen das | |
| verfassungsrechtliche Prinzip der Selbstverwaltung der Universitäten | |
| verstößt. | |
| Geklagt hatten Hochschulprofessorinnen und -professoren, | |
| Verwaltungspersonal und Studierende. Unter ihnen auch der Politikprofessor | |
| Dimitris Christopoulos, der an der Athener Pandeion-Universität lehrt. Das | |
| Urteil wundert Christopoulos nicht: „Wie bei allen gesellschaftlich | |
| besonders heiklen Themen basiert diese Entscheidung der obersten Richter | |
| vor allem auf politischen und weniger auf juristischen Argumenten.“ | |
| Immerhin hätten sich aber sechs Richter distanziert und die Verletzung des | |
| Selbstverwaltungsprinzips durch die Hochschulpolizei anerkannt. | |
| ## Ideologische Gründe für Einrichtung der Campuspolizei | |
| Der Politikprofessor sieht hinter dem Vorhaben vor allem ideologische | |
| Gründe. Die Regierung übertreibe bewusst mit kleineren | |
| Kriminalitätsproblemen an einigen Hochschulen, um die Notwendigkeit einer | |
| Hochschulpolizei begründen zu können. Auch die Auseinandersetzungen | |
| zwischen verschiedenen politischen Gruppen seien eher eine Ausnahme und | |
| würden eine permanente Präsenz von Polizistinnen und Polizisten an den | |
| Hochschulen auf keinen Fall rechtfertigen. | |
| Die griechische Regierung hält trotzdem an ihrem Vorhaben fest. Schon im | |
| Juni sollen die ersten Einheiten auf dem Campus der Aristoteles-Universität | |
| Thessaloniki eingesetzt werden und später auch an drei Hochschulen in | |
| Athen. Eine davon ist die Nationale und Kapodistria-Universität, an der | |
| Iosif und Dimitra studieren. Sie wollen sich damit nicht abfinden und | |
| werden weiterhin an den Protesten gegen die Hochschulpolizei teilnehmen, | |
| sagen sie. Die beiden hoffen, dass die Regierung einen Rückzieher macht und | |
| die Hochschulpolizei so schnell wie möglich wieder abschafft. | |
| Wie wenig realistisch das ist, zeigt die Reaktion von Bildungsministerin | |
| Niki Kerameos auf das Urteil des obersten Gerichts: „Wir machen dynamisch | |
| weiter mit unserer Politik für ein modernes, sicheres Wissens-, Lehr- und | |
| Forschungsumfeld, das unsere Hochschulen verdienen.“ | |
| 26 May 2022 | |
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| ## AUTOREN | |
| Rodothea Seralidou | |
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