# taz.de -- Entwurf für Hochschulgesetz: Athen will Extrapolizei für Unis | |
> Griechenlands Regierung will permanente Polizeipräsenz und | |
> Einlasskontrollen an Hochschulen. Das ärgert Studierende, Lehrende und | |
> Polizeigewerkschaft. | |
Bild: Am vergangenen Donnerstag demonstrierten in Athen Tausende Studierende ge… | |
Athen taz | Vergangenen Donnerstag: In der Athener Innenstadt demonstrieren | |
Tausende Studierende gegen die angehende Hochschulreform [1][der | |
konservativen Regierung]. Trotz des strengen Lockdowns im Land. Sie halten | |
Plakate, auf denen steht „Studierende sind keine Verbrecher!“ und rufen: | |
„Die Geschichte wird durch Ungehorsam geschrieben!“ | |
Mit einer permanenten Polizeipräsenz, einer | |
Rund-um-die-Uhr-Videoüberwachung und Einlasskontrollen will die griechische | |
Regierung für Recht und Ordnung an den Hochschulen sorgen. Am Mittwoch soll | |
das Parlament über den Gesetzentwurf abstimmen. | |
Unter den Demonstrierenden ist auch die 22-jährige Medizinstudentin Dimitra | |
Papanikolaou. Sie ist seit Wochen dabei. Jeden Donnerstag. Eine | |
Hochschulpolizei in Kombination mit dem strengen Disziplinarverfahren, dass | |
die Regierung einführen will, und das sogar „Lärmbelästigung“ und | |
„Verschmutzung der Hochschulen“ etwa durch Plakate unter Strafe stellt, | |
würde jeden Protest gegen die Politik im Keim ersticken, befürchtet | |
Papanikolaou. | |
Sie hat mit anderen Studierenden eine Onlinepetition ins Leben gerufen – | |
mit etwa 10.000 Unterschriften bis jetzt. Die Forderung: „Geld für die | |
Bildung und nicht für die Hochschulpolizei“. Die 30 Millionen Euro, die die | |
Regierung für die Hochschulpolizisten ausgeben will, könnten die | |
Universitäten nach Jahren der harten Austeritätspolitik für neues | |
Laborequipment, Gebäudesanierungen und mehr Personal gebrauchen, sagt die | |
Studentin. | |
## Viele Hochschulprofessoren schließen sich dem Protest an | |
Dem Studierendenprotest gegen die Polizei an den Hochschulen schließen sich | |
auch viele Hochschulprofessoren an und sogar die griechische | |
Rektorenkonferenz ist gegen den umstrittenen Gesetzentwurf. Sie äußert auch | |
verfassungsrechtliche Bedenken: Sowohl die Polizeieinheiten an den | |
Hochschulen als auch ein von der Regierung auferlegtes Disziplinarverfahren | |
für Studierende würden das von der griechischen Verfassung vorgesehene | |
Selbstverwaltungsprinzip verletzen, demnach sich die Regierung nicht in | |
Hochschulangelegenheiten einmischen darf. | |
Doch die griechische Bildungsministerin Niki Kerameos hält an ihrem | |
Vorhaben fest. Schließlich wären die Polizisten nicht an jeder Hochschule | |
präsent, sondern nur an denen, wo eine gewisse Kriminalität zu beobachten | |
sei. In der Tat würden die 1.000 Polizisten erst mal an drei Hochschulen in | |
Athen und einer in Thessaloniki im Einsatz sein. | |
Doch die Beispiele, die Kerameos nennt, haben weniger mit allgemeiner | |
Kriminalität zu tun als mit dem Verhalten einiger linksextremer | |
Gruppierungen: So könnten etwa bestimmte Tagungen nicht stattfinden, weil | |
anders gesinnte Studierende sie stürmen würden, sagt die Ministerin. Und im | |
Oktober vergangenen Jahres hätten Autonome das Büro des Rektors der Athener | |
Wirtschaftshochschule verwüstet. | |
„Solche Ereignisse sind klar zu verurteilen“, sagt die Athener | |
Hochschulprofessorin Alexandra Androusou, „aber sie sind wirklich sehr | |
selten“ und sie rechtfertigten auf keinen Fall so ein hartes Durchgreifen. | |
„Wir dürfen nicht vergessen, dass in Griechenland von 1967 bis 1974 eine | |
Militärdiktatur regierte, die Studierendenproteste blutig niederschlug.“ Es | |
sei immer noch ein Trauma aus dieser Zeit da. Deshalb durften lange Zeit | |
Polizisten im Rahmen des sogenannten Hochschulasyls nicht in die | |
griechischen Universitäten eintreten. [2][2019 kippte die aktuelle | |
Regierung dieses Verbot]. Nun geht sie mit einer eigenen Hochschulpolizei | |
noch einen Schritt weiter. | |
## Unterstützung kommt von der Polizeigewerkschaft | |
Statt Polizisten in die Unis zu bringen, könnte die Regierung den | |
Hochschulen erlauben, mehr eigenes Sicherheitspersonal einzustellen, sagt | |
Professorin Androusou. Unter „NoUniPolice“ sammeln auch die Hochschullehrer | |
Unterschriften: Mehr als 1.000 Lehrende an den Hochschulen hätten schon | |
unterschrieben. Hinzu kämen etwa 700 Lehrende aus dem Ausland. | |
Unterstützung bekommen die Gegner des Hochschulgesetzes sogar von den | |
Gewerkschaften der Polizeibeamten. Die Präsenz von Polizei an den | |
Hochschulen würde die Stimmung an den Universitäten unnötig aufheizen und | |
die Polizisten dort in Gefahr bringen, sagt zum Beispiel der Dachverband | |
der Polizisten. Denn sie wissen genau: Die griechischen Studierenden werden | |
Polizisten an ihren Hochschulen alles andere als willkommen heißen. | |
9 Feb 2021 | |
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## AUTOREN | |
Rodothea Seralidou | |
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