# taz.de -- Politikwissenschaftler über G20-Gipfel: „Die Welt schaut auf Chi… | |
> Putins Teilnahme am G20-Gipfel würde keine Annäherung im Krieg in der | |
> Ukraine bringen, sagt Eberhard Sandschneider. Wichtiger sei Chinas | |
> Interesse an einem baldigen Kriegsende. | |
Bild: China ist der wichtigste verbliebene Partner Russlands. Xi und Putin in P… | |
taz: Herr Sandschneider, nach langem Hin und Her hat der russische | |
Präsident Wladimir Putin seine Teilnahme am G20-Gipfel am Dienstag und | |
Mittwoch in Indonesien abgesagt. Ist das ein Zeichen seiner Isolation in | |
der Weltgemeinschaft? | |
Eberhard Sandschneider: Es gibt natürlich wilde Spekulationen, warum er das | |
nicht tut. Wenn man [1][die Vereinten Nationen betrachtet], dann ist | |
Russland quantitativ isoliert, weil die Abstimmungsergebnisse nicht positiv | |
für Moskau gelaufen sind. Auch indirekte Kritik aus China kam in den | |
letzten Wochen, insbesondere während des Besuchs des deutschen Kanzlers in | |
Peking. China ist noch der wichtigste verbliebene Partner Russlands. | |
Was meinen Sie mit indirekter Kritik aus China? | |
Dass [2][der chinesische Präsident gemeinsam mit dem deutschen Kanzler] | |
feststellt, dass der Atomwaffeneinsatz nicht toleriert werden kann, das ist | |
aus chinesischer Sicht ein klarer Wink an die russischen Drohgebärden. | |
Seither sind sie deutlich zurückgegangen, als sei die Botschaft in Moskau | |
verstanden worden. | |
Halten Sie die Putins Atomdrohungen für glaubwürdig? | |
Putin kann sich nicht ohne weiteren dramatischen innenpolitischen | |
Gesichtsverluste aus der Ukraine zurückziehen und er kann offensichtlich | |
auch nicht das Ziel erreichen, das er sich irgendwann vorgenommen hat. In | |
solchen Situationen sind Diktatoren immer schwer einzuschätzen. Das Risiko | |
tragen die Menschen in der Ukraine. Allerdings wissen wir spätestens seit | |
Tschernobyl, dass ein atomarer Einsatz keine Grenzen kennt. Dann würde die | |
Weltgemeinschaft das Risiko tragen. | |
Russland hat noch Iran, Nordkorea und mit Abstrichen Indien. Kann Putin | |
noch Verbündete in Afrika oder Lateinamerika suchen? | |
Er kann nur versuchen, Öl und Gas auf direkte oder indirekte Wege zu | |
verschiffen. Aber Russland fehlt es auch an Attraktivität seines | |
Wirtschaftsmodells, was unter den Sanktionen heftig zu leiden hat. Wenn | |
Afrika und Asien auf neue Akteure in der Weltpolitik schauen, dann eher auf | |
China und nicht auf Russland. | |
Und China hat sowohl aus geostrategischen als auch geoökonomischen Gründen | |
großes Interesse an einem Ende des Krieges in der Ukraine. | |
Genau, und je länger sich der Krieg hinzieht, desto größer werden die | |
negativen Konsequenzen für Chinas Wirtschaft sein, die schon aus inneren | |
Gründen in einer schwierigen Situation ist. Dazu kommt noch das Problem mit | |
den Lieferketten. | |
Mit dem Projekt der Seidenstraße hat China auf eine multilaterale globale | |
Wirtschaftspolitik gesetzt. Washingtons setzt mit der neuen nationalen | |
Sicherheitsstrategie auf das alte bipolare Modell des Kalten Kriegs. Wie | |
schätzen Sie das ein? | |
Ja, so kann man das formulieren. Zunächst einmal muss man sagen: Joe Biden | |
setzt Trumps Chinapolitik verschärft fort. Biden setzt Chips und | |
Hochtechnologie als Waffe ein, um Chinas Aufstieg zumindest zu | |
verlangsamen, wenn nicht gar zu verhindern. Ein Traum des Westens war mal, | |
eine regelbasierte Ordnung nach unseren Vorstellungen zur Grundlage der | |
internationalen Ordnung zu machen. Das wird mittlerweile zu einem Albtraum, | |
weil man feststellt, dass China so stark gewachsen und so einflussreich | |
geworden ist, dass Peking in der Lage ist, seine eigenen Regeln zu | |
formulieren und zum Teil auch seine eigenen Institutionen zu bilden. Die | |
meisten US-Sicherheitspolitiker sind der Auffassung, die Europäer sollten | |
sich primär um den Krieg in der Ukraine kümmern. Aus amerikanischer Sicht | |
ist das zentrale machtpolitische Verhältnis der nächsten Jahre und | |
Jahrzehnte das zu China und nicht das zu Russland. | |
Kann man in dieser Hinsicht sagen, dass in der US-amerikanischen | |
Taiwan-Politik ein Paradigmenwechsel stattgefunden hat? Die US-Demokratin | |
Nancy Pelosi ist da hingereist, die USA unterstützen jetzt Taiwan massiv | |
militärisch und schlagen Taipei für die Vereinten Nationen vor … | |
Dies ist eine verantwortungslose Politik, die vermutlich nicht gelingen | |
wird. Das Risiko tragen am Ende die Menschen in Taiwan und nicht Nancy | |
Pelosi, die für ihren Wahlkampf das bekommen hat, was sie brauchte, nämlich | |
das Bild einer harten Politikerin, insbesondere gegenüber China. Die | |
Grundregel im Fall Taiwan sollte heißen: die Finger davon lassen. Aber aus | |
Sicht der chinesischen Politik gäbe es Krieg nur im Falle einer | |
Unabhängigkeitserklärung Taiwans. | |
Sehen Sie dann eher ein Eskalationspotenzial im Nordkorea-Konflikt? | |
Nordkorea ist noch ein Stückchen schwieriger einzuschätzen und selbst | |
China, das unzufrieden mit dem nordkoreanischen Partner ist, hat nur | |
begrenzte Einflussmöglichkeiten auf diesen Diktator. | |
Erwarten Sie konkrete Ergebnisse vom G20-Gipel im Hinblick auf diese | |
internationalen Konflikte? | |
Man kann nicht ausschließen, dass doch eine gemeinsame Erklärung | |
herauskommt. Aber wichtig ist: [3][An diesem G20-Gipfel] sehen sich die | |
führenden Politiker erstmals nach Jahren der Pandemie wieder persönlich. | |
Als Folge könnte es vielleicht zu weniger Konfrontation und einem Stück | |
weit Verständnis bei der Bewertung der internationalen Krisen kommen. | |
Dieses Element des persönlichen Zusammentreffens ist sehr wichtig und das | |
hat in der internationalen Politik an vielen Stellen gefehlt. Das Prinzip | |
Hoffnung wäre der realistische Blick auf den Gipfel. | |
Gibt es also keine Hoffnung auf [4][eine diplomatische Lösung für die | |
Ukraine], weil Putin beim G20-Gipfel nicht anwesend sein wird? | |
Viele westliche Politiker haben versucht, mit Putin zu reden, aber es hat | |
nichts geändert. In der internationalen Politik gibt es eine ganz einfache | |
Regel: Man kann nur zusammenarbeiten, wenn man bereit ist | |
zusammenzuarbeiten und die Regeln der Zusammenarbeit akzeptiert. Das trifft | |
im Fall Russlands derzeit nicht zu. Deshalb würde die Anwesenheit von Putin | |
auf Bali vermutlich daran nichts ändern. Er sitzt in einer Falle: Er hat | |
sich mit dem Ablauf des Kriegs in der Ukraine verschätzt. | |
15 Nov 2022 | |
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## AUTOREN | |
Gemma Teres Arilla | |
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