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# taz.de -- UN-Diplomat über den Ukraine-Krieg: „Europa braucht einen neuen …
> Die neue Sicherheitsarchitektur muss künftig auch Russland einschließen,
> findet Danilo Türk. Er spricht über Waffenstillstand und die
> Vermittlerrolle Chinas.
Bild: Friedensverhandlungen? Aktivist*innen in Odessa haben ein Denkmal von Kat…
taz: Herr Türk, Sie sind Mitglied im [1][Beraterteam des
UN-Generalsekretärs Antonio Guterres und engagieren sich für effektivere
multilaterale Abkommen]. Derzeit gibt es ein multilaterales
Getreidelieferabkommen, das Russland zuletzt ausgesetzt und am Mittwoch
wieder aufgenommen hat. Haben Sie damit gerechnet?
Danilo Türk: Ja. Das Ermutigende an dieser Situation war, dass Präsident
Wladimir Putin nur einen Schritt zurück gemacht hatte, denn es handelte
sich unserer Ansicht nach nur um eine vorübergehende Aussetzung des
Abkommens für ukrainisches Getreide und russische Düngemittel.
Sie sind ein klarer Befürworter der Diplomatie, gerade auch als Weg aus dem
Krieg in der Ukraine. Bevor Russland am Mittwoch wieder ins
Getreideabkommen eingestiegen ist, hatten der türkische und der russische
Präsident miteinander telefoniert. Könnte die Türkei auch ein
Friedensabkommen vermitteln?
[2][Die Türkei hat sich zu einem internationalen Akteur gemacht], aber
einen Waffenstillstand zu vermitteln ist viel komplexer. Auch ist es schwer
einzuschätzen, ob die Türkei dazu in der Lage wäre. China hat sein
Engagement für eine Lösung des Konflikts zum Ausdruck gebracht, und das
erscheint mir realistischer. So gab es beispielsweise die Idee, eine Gruppe
der sieben zu bilden, der fünf ständige Mitglieder des Sicherheitsrats, wie
auch China, sowie zusätzlich die Europäische Union und die Ukraine
angehören würden. Das wäre ein mögliches Format, um eine Lösung in Form
eines Waffenstillstands und später auch eines Friedensabkommens zu finden.
Das ist typisch für die Arbeitsweise Chinas. China mag diese kollektiven
Ansätze, die Staatsführung möchte nicht als einziger Vermittler auftreten,
der die volle Verantwortung für alles trägt. Die Gruppe der sieben wäre
also eine mögliche Variante. Ich fürchte dennoch, dass dieser Konflikt noch
eine Weile andauern wird, wenn es keine klare Initiative für einen
Waffenstillstand gibt.
Sollte ein Waffenstillstand denn unbedingte Voraussetzung für den Auftakt
von Friedensverhandlungen sein?
Ich bin mir sicher, dass hinter den Kulissen darüber gesprochen wird. Es
gab bereits Telefonate zwischen dem russischen und dem US-Militär. Falls
noch nicht genug gesprochen wurde, möchte ich an dieser Stelle sagen:
„Leute, ihr müsst reden.“
Am 15. und 16. November findet das G20-Treffen in Indonesien statt. Dort
werden die Staatschefs Joe Biden, Xi Jingping, Wladimir Putin und Recep
Tayyip Erdoğan zusammenkommen. Welche Erwartungen haben Sie an das
Treffen?
Es wäre wichtig, dass der Gipfel eine Botschaft an die Welt sendet, dass
die Großmächte sich mit den Krisen befassen und sich für die globale
Situation verantwortlich fühlen. Es geht um sehr große Probleme, wie die
Nahrungsmittelkrise, die Energieversorgung, den Krieg in der Ukraine.
Bereits am Donnerstag beginnt in Münster das G7-Außenministertreffen, wo
der Krieg in der Ukraine eine wichtige Rolle spielen wird. Auch die Klima-,
Digitalisierungs- und Nachhaltigkeitspolitik sowie Ernährungs- und
Energiesicherheit werden im Mittelpunkt stehen.
Am G7-Gipfel werden auch afrikanische Länder teilnehmen. Ich hoffe, das
wird von der europäischen Öffentlichkeit wahrgenommen werden, [3][weil
Afrika durch den Ukraine-Krieg noch stärker von Hunger betroffen ist]. Man
muss Afrika viel ernster nehmen, als es bisher der Fall war. Der G7-Gipfel
wird also eine Gelegenheit bieten, in dieser Hinsicht etwas zu tun.
Außerdem braucht Europa eindeutig einen neuen Sicherheitsrahmen, denn der
alte bricht zusammen. Eine neue Sicherheitsarchitektur entsteht natürlich
nicht über Nacht, aber man muss anfangen, sich damit zu beschäftigen. Sie
muss nachhaltig sein und die Idee der gemeinsamen Sicherheit beinhalten.
Dieses Sicherheitssystem müsste auch Russland einschließen, aber das steht
aktuell natürlich nicht auf der Tagesordnung.
Sie leiten [4][die unabhängige Organisation Club de Madrid], das weltgrößte
demokratische Forum mit ehemaligen Regierungs- und Staatschefs, das diese
Woche sein jährliches Treffen in Berlin veranstaltet hat. Wie finden Sie,
dass der [5][Friedensnobelpreis in diesem Jahr an verschiedene
Vertreter*innen der Zivilgesellschaft] ging?
Die erste Botschaft war meiner Ansicht nach, dass es derzeit keine starke
politische Führung in der Welt gibt, da kein Politiker und keine
Politikerin für den Friedensnobelpreis qualifiziert ist. Doch entstehen aus
Krisensituationen oft neue politische Führungsmöglichkeiten. Die
Zivilgesellschaft verdient den Friedensnobelpreis, die Politiker*innen
aber verdienen ihn nicht.
2 Nov 2022
## LINKS
[1] https://highleveladvisoryboard.org/
[2] /Abkommen-ueber-Getreideexporte/!5869639
[3] /UN-Generalversammlung-in-New-York/!5883227
[4] https://clubmadrid.org/
[5] /Friedensnobelpreis-2022/!5886459
## AUTOREN
Gemma Teres Arilla
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