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# taz.de -- Thüringer Antrag gegen das Gendern: Krieg gegen das Sternchen
> Thüringer Landesbehörden sollen künftig auf gendergerechte Sprache
> verzichten. Möglich ist das, weil die AfD einem Antrag der CDU im Landtag
> zustimmte.
Bild: Der Duden ist schon etwas weiter als CDU und AfD in Thüringen
Berlin taz | Die CDU hat am Donnerstagabend einen Antrag gegen
gendergerechte Sprache durchgesetzt. Möglich war das, weil auch die
Thüringer Abgeordneten der AfD dem Antrag zustimmten. Für den Antrag der
Union „[1][Gendern? Nein Danke! Regeln der deutschen Sprache einhalten –
keine politisch motivierte Verfremdung der Sprache!]“ stimmten 38
Abgeordnete, 36 dagegen.
Die Konsequenz daraus: Thüringens Landesbehörden sollen künftig auf
gendergerechte Sprache verzichten. An das Verbot müssen sich die
Landesregierung und untergeordnete Behörden allerdings nicht halten, es ist
lediglich eine Aufforderung. Begründet wird das damit, dass für
„Veränderungen der deutschen Sprache im Sinne der sogenannten Gendersprache
eine Mehrheit nicht existiert, wie verschiedene Umfragen belegen“ und die
„Gendersprache grammatikalisch falsch“ sei.
Die Fraktionen von Linke, SPD und Grünen, die eine Minderheitenregierung
bilden, hatten noch versucht, mit einem Änderungsantrag zur
„[2][Selbstverpflichtung zu einer respektvollen Kommunikation]“ einen
Kompromiss zu finden. Darin sprechen sich die Fraktionen „für mehr
Sprachsensibilität“ aus und unterstützen „einen entspannteren Umgang mit
der deutschen Sprache“. Zwar stellen die Parteien die Regierung, doch weil
die Regierung in Thüringen eine Minderheitenregierung ist, konnte sich der
Antrag nicht durchsetzen.
## Kritik auch aus den eigenen Reihen
Dass dem Antrag der Union zugestimmt wurde, bewertet die Thüringer CDU als
Erfolg: „Gut, dass der Landtag der Meinung einer großen Mehrheit der
Menschen in Thüringen Rechnung getragen und ein Zeichen für die Verwendung
einer [3][klaren und verständlichen deutschen Sprache] gesetzt hat“, so ein
Sprecher der Thüringer CDU auf Anfrage der taz. „Die Gendersprache schließt
Menschen aus, die nicht gut Deutsch können, Leseschwäche,
Sinnesbehinderungen oder kognitive Einschränkungen haben.“
Dass die rechtsextreme AfD mit der Union stimmte, bewertet der Sprecher
nicht als problematisch: „Wir bringen als größte Oppositionsfraktion
eigenständig inhaltliche Initiativen in den Landtag ein, die unseren Zielen
und Überzeugungen entsprechen. Das machen wir unabhängig von der Frage, wer
dafür ist und wer dagegen. Absprachen mit der AfD-Fraktion zu unseren
Anträgen gibt es nicht.“ Wer aus Furcht eigene Überzeugungen aufgebe,
verleihe der AfD Macht, die sie gar nicht habe.
Kritik kam dazu aber aus den Reihen der CDU: Schon im Vorfeld hatte sich
laut [4][queer.de] der Verband [5][Lesben und Schwulen in der Union] (LSU)
kritisch zu dem Antrag der Thüringer Union geäußert. „Aus unserer Sicht ist
ein Verbot gendersensibler Sprache keine Politik von Maß und Mitte, dies
kann auch kein christdemokratischer Standpunkt sein“, teilte Thomas W.
Schmitt, stellvertretender Bundesvorsitzender und Bundespressesprecher der
LSU der taz auf Anfrage mit.
„Dass der CDU-Antrag nun Unterstützung durch die AfD gefunden hat, war
leider zu erwarten“, sagte Schmitt der taz. „Der CDU sollte es jedenfalls
nochmal zu denken geben, ob sie verantworten kann, dass sie bei politischen
Fragen, die viele in der Gesellschaft gerade bewegen künftig so
wahrgenommen werden will. Die CDU darf in keinem Fall Brückenbauer zu den
politischen Ansichten der AfD sein.“ Einziger Trost bleibe, dass der
aktuelle Beschluss nur appellativen Charakter habe, da der Antrag nicht als
Gesetz, sondern als Aufforderung gefasst worden war.
## Bröckelt die Brandmauer gegen rechts?
Aus den Regierungsfraktionen wird unterdessen genau dieses „Brückenbauen
zur AfD“ als gegeben wahrgenommen. „Die Thüringer CDU hat in knapper
Mehrheit mit der AfD einen Antrag gegen gendergerechte Sprache beschlossen.
Und das tat sie in voller Bewusstheit um die fragilen Mehrheitsverhältnisse
im Landtag“, sagte Matthias Hey, Fraktionsvorsitzender der SPD im Thüringer
Landtag, auf Anfrage der taz.
„Man muss davon ausgehen, dass sie die Stimmen der AfD quasi eingepreist
hatte“, so Hey. „Ich fürchte, dass wir hier in Zeitlupe ein Bröckeln der
selbstbeschworenen [6][Brandmauer zwischen CDU und AfD] in einem
Landesparlament erleben.“ Die Thüringer CDU folge damit dem Bundestrend und
entwickele sich leider zunehmend zu einer Verbotspartei mit viel Polemik.
Die Linke veröffentlichte [7][bereits am Donnerstag eine Pressemitteilung]
zur Abstimmung von AfD und CDU, in der sie die Abstimmung als „rechten
Kulturkampf“ einordnete. [8][Katharina König-Preuss twitterte] dazu: „Sie
klatschen gemeinsam. Die Faschisten der AfD, die CDU und die
Verschwörungsfraktion der ‚Bürger für Thüringen‘. Es gibt keine Brandma…
keine Grenze der CDU nach rechts. Sie alle sind Teil des rechten
Kulturkampfes auf Kosten einer offenen, solidarischen Gesellschaft.“
11 Nov 2022
## LINKS
[1] https://parldok.thueringer-landtag.de/ParlDok/vorgaenge/89342/1
[2] https://parldok.thueringer-landtag.de/ParlDok/dokument/89453/gendern_nein_d…
[3] /Immer-Aerger-mit-Pronomen/!5883692
[4] https://www.queer.de/detail.php?article_id=43750
[5] /Lesben-und-Schwule-in-der-Union/!5541116
[6] /Merz-unterstellt-Sozialtourismus/!5880211
[7] https://www.die-linke-thl.de/aktuelles/startseite/detail/gleichberechtigung…
[8] https://twitter.com/KatharinaKoenig/status/1591056369742131200?t=4eqUDQWy31…
## AUTOREN
Nicole Opitz
## TAGS
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