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# taz.de -- Ausstellung über Satirezeitung „Pardon“: Feinsinn, Unsinn, Hin…
> Das Caricatura Museum Frankfurt widmet sich der Satirezeitschrift
> „Pardon“. Sie machte die Stadt am Main zur Witzhauptstadt der
> Bundesrepublik.
Bild: Ausschnitt Titelbild einer „pardon“-Ausgabe vom Dezember 1969
Für Direktor Achim Frenz ist es das [1][„schönste Museum der Welt“]: Das
Caricatura Museum Frankfurt ist weitherum ziemlich einzigartig. Es verdankt
seine Entstehung der Initiative des fast überall verkannten und oft
geschmähten ehemaligen Kulturdezernenten Hans-Bernhard Nordhoff, der die
Gründung eines Museums für komische Kunst in Frankfurt am Main angeregt und
auf die Beine gebracht hat.
Aktuell zeigt das Haus eine Ausstellung zur Geschichte der
Satirezeitschrift pardon, die 1962 von Hans A. Nickel und Erich Bärmeier
gegründet wurde. Ebenfalls zur Gründergeneration gehörten der geniale
Zeichner Friedrich K. Waechter, der das Logo der Zeitschrift, den
hinterhältig lächelndenTeufel mit Hörnern unter der schwarzen Melone,
zeichnete, sowie Hans Traxler, Chlodwig Poth und Kurt Halbritter.
Die Zeitschrift wurde schnell zur größten Satirezeitschrift Europas mit
einer Auflage von zeitweise 300.000 Exemplaren und machte Frankfurt zur
Satirehauptstadt des Landes. Und das, bereits zehn Jahre bevor sich im
Umkreis der Satirezeitschrift Titanic nach 1972 die „Neue Frankfurter
Schule“ um ehemalige pardon-Mitarbeiter bildete.
In der Adenauer-Republik gegründet und gewachsen, entwickelte sich pardon
zu einem Leuchtturm der Kritik an der Restaurationszeit verklemmter
Sexualität durch zum Teil drastische Titelbilder, die prüde gebliebene
Spätgeborene heute gern als Sexismus denunzieren. Immer wieder Thema war
zudem die Verdrängung der Nazi-Vergangenheit in Politik, Justiz und
Gesellschaft, aber auch der Klerikalismus und die militärische Aufrüstung.
## Wachstums- und konsumfixierte Wirtschaftswunderjahre
Die verlogenen Begleiterscheinungen der alles andere als wunderbaren
wachstums- und konsumfixierten Wirtschaftswunderjahre der BRD auf dem Weg
zum „exportweltmeisterlichen“ Delirium wurden satirisch unter Beschuss
genommen. Dem wohlfeilen Sexismusvorwurf kann immerhin entgegnet werden,
dass die Feministin Alice Schwarzer einige Jahre als erste Frau der
Redaktion von pardon angehörte.
Die glänzend informierende Ausstellung kuratierten Gerhard Kromschröder und
Till Kaposty-Bliss mit rund 5.000 Karikaturen und Texten. Mit seinen nichts
verhüllenden Karikaturen und angriffigen Texten leistete pardon nicht nur
einen wichtigen Beitrag zur Aufklärung und zu radikaler Kritik am Mief der
Adenauerzeit, sondern geriet auch öfter ins Fadenkreuz der Justiz durch
Klagen von Politikern, Wirtschaftsleuten, Militärs, ehemaligen Nazis und
Kirchen, die Prozesse oder einstweilige Verfügungen anstrengten, womit sie
in den Anfangsjahren bei der deutschen Justiz noch Gehör fanden.
Einmal reichte der Hersteller des „Jägermeister“-Likörs eine Millionenkla…
ein, weil die Redaktion eine fiktive Anzeige mit dem Satz eines Kindes
druckte: „Ich trinke Jägermeister, weil mein Dealer zur Zeit im Knast
sitzt.“ Später konterte die Redaktion eine Strafanzeige von Franz Josef
Strauß wegen übler Nachrede mit einem Foto auf dem Titelblatt, in dem sich
die ganze Redaktion in bayerischer Landestracht kostümierte.
Highlights im Blatt waren immer wieder die Titelblätter: Auf große Resonanz
stieß etwa die Fotomontage mit einer Nonne in vollem Ornat, tiefem
Dekolleté und einer Karikatur des Kopfes von Che Guevara auf der nackten
Haut. Die Redaktion machte auch mit spektakulären Aktionen, die
Polizeieinsätze provozierten, von sich reden – etwa mit der Enthüllung
eines Denkmals für Heinrich Lübke auf dem Platz [2][vor der Paulskirche].
Die aggressive Werbung der Zigarettenindustrie überbot eine Titelseite der
Zeitschrift mit der Fotomontage einer Skeletthand, die mehrere aufgereihte
Zigaretten im Mund hält, mit dem Slogan: „Kein schön’rer Tod in dieser
Zeit“. Bissig glossierte pardon auch deutsche Weihnachten, das Fest des
Friedens, im Kontext der militärischen Aufrüstung im Nachkriegsjargon mit
der Fotomontage eines spielenden Jungen und der wetterfesten Devise:
„Schenkt Kriegsspielzeug – damit’s ein Prachtkerl wird!“
16 Nov 2022
## LINKS
[1] https://caricatura-museum.de/
[2] /Freiheitskaempfe-im-Maerz-1848/!5754689
## AUTOREN
Rudolf Walther
## TAGS
Ausstellung
Satire
Franz Josef Strauß
BRD
Ausstellung
Roman
Die Wahrheit
Schwerpunkt Bundestagswahl 2025
Pressefreiheit in der Türkei
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