# taz.de -- Die Wahrheit: Arbeit darf sich nicht mehr lohnen | |
> Denken Sie bitte mit: Der Begriff des Sozialschmarotzers muss grundlegend | |
> neu definiert werden, soll es gerechter zugehen in unserer Gesellschaft. | |
Am Tresen und in Talkshows plärrt es derzeit: „Arbeit muss sich noch | |
lohnen!“ Das geplante Bürgergeld, so die Plärrer, entwerte die Arbeit. | |
Sträflich vergessen wird dabei der Wert des Nichtarbeitens. Ein Aspekt, den | |
leider ich wieder mal zur Diskussion beitragen muss, der ich eigentlich | |
viel lieber mit Nichtarbeiten beschäftigt wäre. Denn einen Job zu haben, | |
ist per se ja erst einmal nichts Wertiges. | |
Bei Bild arbeiten ist zum Beispiel streng genommen ein Job. Oder als | |
Callcenter-Mitarbeiter im Direktmarketing tätig zu sein. Fragt man | |
siebenjährige Grundschüler oder -schülerinnen, hört man auf die Frage, was | |
sie einmal werden wollen, nur selten: „Wenn ich groß bin, möchte ich fremde | |
Leute auf deren Smartphone anrufen und fragen, ob sie ein Smartphone | |
brauchen!“ | |
Besser für alle wäre es wohl, wenn Direktmarketing-Callcenter-Angestellte | |
von Staatsgeld leben könnten und nicht davon, Ursache zu sein für gut | |
80.000 schriftliche Beschwerden bei der Bundesnetzagentur im vorigen Jahr | |
wegen unerlaubter Telefonwerbung. | |
Doch neben mannigfaltigen Bullshitjobs gibt es noch viel schlimmere, | |
nämlich demeritorische Arbeitsplätze, von denen die Betroffenen selbst oft | |
nicht wissen, dass sie demeritorischer Natur sind. Schon allein, weil | |
niemand weiß, was „demeritorisch“ bedeutet. | |
## Jobs, die die Welt schlechter machen | |
Der Duden, dessen Pflege und Verwaltung indes ein Beispiel für eine | |
erhaltenswerte Tätigkeit sind, umschreibt den Begriff „meritorisch“ mit | |
„aufgrund seines Nutzens eine stärkere Nachfrage als vorhanden verdienend“. | |
Ich sage: Demeritorische Jobs sind solche, die die Welt eher schlechter als | |
besser machen. | |
Hat etwa ein Mensch, nennen wir ihn Jörg, die zurückliegenden Jahrzehnte | |
seines Lebens in irgendeiner Abteilung des Autobauers Daimler zugebracht, | |
so ist er nicht selten stolz darauf. Und das, obwohl er dazu beigetragen | |
hat, Millionen von CO2-spuckenden Luxuskarren zu bauen, die niemand | |
braucht. | |
Überdies hat er Großaktionäre reich gemacht und damit dazu beigetragen, | |
dass die gesellschaftlichen Gegensätze sich vertieft haben. Wegen Typen wie | |
Jörg kleben sich junge Menschen heute auf die Straße, wo dann wiederum | |
andere in ihrem Mercedes im Stau stehen. Schönen Dank, Jörg! | |
Hätte er stattdessen einfach gar nichts gemacht, wäre der Gesellschaft | |
wesentlich besser geholfen gewesen. Aber nein: Er war sein Leben lang | |
Sozialschmarotzer, der sinnlos Autos fabriziert und Ressourcen verschwendet | |
hat. Verstehen Sie mich nicht falsch: Als Wirtschaftsexperte fordere ich | |
hier nicht das bedingungslose Grundeinkommen für Jörg. | |
Im Gegenteil: Ich plädiere für Sanktionen gegen alle, die bei solchen | |
Unternehmen wie Mercedes arbeiten, weil es falsche Anreize schafft, wenn | |
ihnen am Monatsende mehr bleibt als einem Hartzer. Die umwelt- und | |
gesellschaftsschädigende Arbeit dieser Leute darf sich in Zukunft nicht | |
mehr lohnen. | |
23 Nov 2022 | |
## AUTOREN | |
Cornelius Oettle | |
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