| # taz.de -- Erster Leiter der Filmfestspiele: Keine braune Berlinale | |
| > Eine Studie nimmt die Anfangstage der Berlinale unter dem NS-belasteten | |
| > Alfred Bauer in den Blick. Ein bislang unerforschter Nachlass ist | |
| > aufgetaucht. | |
| Bild: Sophia Loren, Journalistin Elsa Maxwell und Alfred Bauer bei den IX. Film… | |
| Das deutsche Filmjahr 2020 begann mit einem Paukenschlag: Alfred Bauer, | |
| erster und langjähriger Direktor der Berlinale (1951–1976), [1][war in die | |
| NS-Filmwirtschaft mehr verstrickt, als er zugeben wollte.] Wie die Zeit, | |
| sich auf Forschungen eines Hobbyhistorikers stützend, aufdeckte, entschied | |
| Bauer in der Reichsfilmintendanz unter den Vorzeigenazis Hans Hinkel und | |
| Fritz Hippler, dem Regisseur des Hetzfilms „Der ewige Jude“, mit über Leben | |
| und Tod von Filmschaffenden: Darüber, wer an die Front geschickt und wer | |
| vom Kriegsdienst freigestellt wurde. | |
| Besteht nun der Skandal darin, dass der 1911 geborene Bauer während der | |
| NS-Zeit im Filmgeschäft engagiert war, oder eher darin, dass dessen erste | |
| Karriere 70 lange Jahre kaum jemanden interessierte? Das fragt [2][die | |
| Regisseurin Annekatrin Hendel] am Mittwochabend bei einer Podiumsdiskussion | |
| im Berliner Theater HAU. | |
| Anlass war die Veröffentlichung einer erweiterten Studie zu | |
| Berlinale-Gründungsdirektor Alfred Bauer, die das Institut für | |
| Zeitgeschichte (IfZ) erstellt hat. In den Blick genommen wurde, anders als | |
| in der [3][im Herbst 2020 veröffentlichten Vorstudie], nun weniger Bauers | |
| Nazikarriere. Die Autoren der Studie, Wolf-Rüdiger Knoll und Andreas | |
| Malycha, konzentrierten sich auf die Nachkriegszeit. | |
| Gerüchte, dass es sich bei Bauer nicht um einen Gegner des NS-Regimes | |
| handelte, kamen bereits in den 1950er Jahren auf. „Ein eifriger SA-Mann“, | |
| befand auch Wolfgang Becker in seinem Buch „Film und Herrschaft“ von 1973. | |
| Konsequenzen hatte das Buch nicht, sagt Knoll. Bei alldem lasse sich der | |
| zeithistorische Kontext der 1960er und 70er Jahre jedoch nicht ausblenden, | |
| wirft der Regisseur und Historiker Felix Moeller ein. Immerhin war | |
| Bundeskanzler Kurt Georg Kiesinger (CDU) noch früher in die NSDAP | |
| eingetreten als Bauer. | |
| ## NS-Gegner und -Unterstützer kooperieren | |
| Im Gründungsausschuss der Berlinale trafen Unterstützer und Gegner des | |
| NS-Regimes aufeinander. Der frühere NS-Widerständler Theodor Baensch, | |
| Leiter des Referats Film der Senatsverwaltung für Volksbildung, setzte sich | |
| für Bauer als Leiter ein. | |
| Bauer war nicht die erste Wahl: Oswald Camman, der den Posten wohl hätte | |
| übernehmen sollen, war nach einem Bericht in der American Jewish World über | |
| seine NS-Vergangenheit als Kopf des Festivals untragbar geworden. Als | |
| Geschäftsführer der Berliner Filmtheater und Vertrauter blieb er Bauer | |
| jedoch verbunden, den er seit den 1930er Jahren kannte. | |
| Die Studie nimmt auch den „unausgesprochenen Vorwurf“ in den Blick, dass | |
| Bauer als Leiter der Berlinale NS-Gedankengut noch in der Nachkriegszeit | |
| verbreitete. Dafür gebe es jedoch keine Beweise, sagt Malycha. Das | |
| Filmprogramm habe der Tendenz der frühen Bundesrepublik entsprochen, | |
| unpolitische Filme zu zeigen, sagt er, auf die Blütezeit des Heimatfilms in | |
| den 1950er Jahren verweisend. | |
| Eine Ausnahme stelle der Fall Ritter dar. Bauer schlug in den Anfangstagen | |
| der Berlinale einen Film des Naziregisseurs Karl Ritter (die „Nummer zwei | |
| hinter [4][Veit Harlan]“, laut Knoll) vor; allerdings ohne Nennung des | |
| Namens. Die Senatsverwaltung lehnte das vehement ab. | |
| So lässt sich die Studie wohl als Entwarnung verstehen. Von „einer braunen | |
| Kontinuität“, so das Fazit, könne nicht die Rede sein. Dass zur | |
| Gründungsgeschichte der Berlinale nicht das letzte Wort gefallen ist, | |
| stellt Wylucha jedoch ebenfalls klar. Eine auf neun Monate angelegte Studie | |
| stoße an Grenzen. Einen Ausblick gibt er dennoch: Man sei bei den | |
| Recherchen auf den persönlichen Nachlass Alfred Bauers gestoßen, der 14.000 | |
| Bananenkisten umfasse. Um diesen auszuwerten, hatten die Ressourcen des IfZ | |
| nicht ausgereicht. | |
| 3 Nov 2022 | |
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| ## AUTOREN | |
| Julia Hubernagel | |
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