Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Studie zu Berlinale-Leiter Alfred Bauer: Film als Kriegswaffe
> Eine Studie zum ersten Berlinale-Leiter Alfred Bauer bestätigt dessen
> wichtige Position in der NS-Zeit. Im Frühjahr sorgte das für
> Diskussionen.
Bild: Berlinale-Leiter Alfred Bauer (li) 1957 mit Claude Farrell, Lise Bourdin …
Von der Berlinale blieb dieses Jahr vor allem die Freude, dass [1][die
erste Ausgabe des Filmfestivals unter neuer Leitung] erfolgreich beendet
werden konnte, sehr kurz, bevor pandemiebedingt die Kinos hierzulande
schließen mussten. Dass es im Vorfeld der Berlinale eine Debatte über ihren
Gründungsdirektor Alfred Bauer und dessen Rolle in der NS-Zeit gegeben
hatte, war da fast schon wieder in Vergessenheit geraten.
Das Festival hatte umgehend reagiert und den seit 1987 verliehenen
Alfred-Bauer-Preis ausgesetzt. [2][Zudem beauftragte die Geschäftsführung
der Berlinale das Institut für Zeitgeschichte mit einer Studie zur Funktion
Alfred Bauers in der NS-Filmbürokratie]. Am Donnerstag wurde die vom
Historiker Tobias Hof erstellte Vorstudie präsentiert. Seine Forschungen
bestätigen, dass Bauer als Referent der „Reichsfilmintendanz“ eine wichtige
Position innehatte und sich deren Bedeutung für die NS-Propaganda bewusst
gewesen sein muss.
Bedeutsam ist in diesem Zusammenhang auch Bauers Mitgliedschaft in diversen
NS-Organisationen. So bestätigte ihm 1942 ein „Persönlichkeitsgutachten“,
„ein eifriger SA-Mann“ zu sein. Abschließend heißt es darin: „Seine
politische Einstellung ist einwandfrei.“ Hof hebt hervor, dass dieses
Gutachten nötig war, um Bauer von der Flugabwehr in eine Propagandakompanie
zu versetzen: „Für die Propagandatruppen kamen nur Kandidaten infrage, die
politisch hundertprozentig zuverlässig waren.“
## Propagandafunktion des Films
Die 1942 eingerichtete Reichsfilmintendanz, deren Referent Bauer wurde,
unterstand direkt dem Propagandaminister Joseph Goebbels.
Reichsfilmintendant Fritz Hippler beschrieb die Propagandafunktion des
Films 1943 denn auch derart, dass „die Filmkunst und Filmproduktion... als
Waffen im Krieg anzusehen und so zu behandeln“ seien.
Bauers Hauptaufgabe bestand in der „Film- und Produktionsplanung“. Er war
dabei laut Hof „über die gesamten Abläufe und Vorgänge in der deutschen
Filmindustrie bestens informiert.“ Etwa darüber, dass oft Zwangsarbeiter,
sogenannte Ostarbeiter, für Schwerstarbeiten eingesetzt wurden.
Auch Besetzungs- und Personalfragen fielen unter Bauers Aufgaben, was für
die „Unabkömmlichstellung“ von Filmschaffenden während des Kriegs wichtig
war. Hof schränkt ein, dass Bauers persönlicher Einfluss bei diesen
Entscheidungen durch weitere Quellenrecherchen zu klären sei. Insgesamt
seien die Biografien von NS-Filmfunktionären kaum erforscht.
## Dreister Aktionismus
Dass sich dieses Gebiet lohnt, verdeutlicht Hof mit seiner Einschätzung zu
Bauers Verhalten in dessen Entnazifizierungsverfahren. So habe dieser stets
argumentiert, er sei ein überzeugter Demokrat und Antifaschist gewesen und
sei „nur auf seinem Posten geblieben..., um Schlimmeres für den von ihm so
geliebten deutschen Film zu verhindern“. Bauer habe überdies dreisten
Aktionismus betrieben und schon am 15. Mai 1945 das Kulturamt
Charlottenburg um eine Beschäftigung im Kultursektor gebeten. Eine
Strategie, die aufging.
Hof plädiert dafür, sich in der weiteren Forschung mit den „eigentlichen
Machern der Filmbranche“ zu beschäftigen und den Verbindungen der
Reichsfilmintendanz zu anderen Institutionen des „deutschen Filmwesens“
nachzugehen. Am brisantesten dürfte sein Vorschlag sein, zu untersuchen,
„ob Bauer dabei half, nationalsozialistische Vorstellungen über das Medium
Film und sein Manipulationspotenzial in der unmittelbaren Nachkriegszeit
fortzuschreiben“.
Das Kapitel Bauer ist keinesfalls [3][abgeschlossen]. Ebenso wenig die
Geschichte der Anfangszeit der Berlinale und des Films in der jungen
Bundesrepublik Deutschland.
1 Oct 2020
## LINKS
[1] /Iranischer-Film-gewinnt-die-Berlinale/!5668002
[2] /Die-Berlinale-DirektorInnen-im-Interview/!5662707
[3] /Empfehlung-zum-Filmfestival/!5662865&s=alfred+bauer/
## AUTOREN
Tim Caspar Boehme
## TAGS
Schwerpunkt Berlinale
Alfred Bauer
Schwerpunkt Nationalsozialismus
Joseph Goebbels
Alfred Bauer
taz.gazete
Filmfestival
Schwerpunkt Berlinale
Schwerpunkt Berlinale
## ARTIKEL ZUM THEMA
Erster Leiter der Filmfestspiele: Keine braune Berlinale
Eine Studie nimmt die Anfangstage der Berlinale unter dem NS-belasteten
Alfred Bauer in den Blick. Ein bislang unerforschter Nachlass ist
aufgetaucht.
Kultur und Lockdown: Die Neuerfindung des Kinos
Viele Kulturstätten waren schon vor der Krise in der Krise. Für das
Lichtspielhaus wird es nach dem Lockdown keine Rückkehr zur Normalität
geben.
Iranischer Film gewinnt die Berlinale: Das Handwerk des Tötens
Die 70. Berlinale ist dem Ruf treu geblieben, ein politisches Filmfestival
zu sein. Der Goldene Bär ging an Mohamad Rasoulofs „There Is No Evil“.
Die Berlinale-DirektorInnen im Interview: „Berlin ist eine politische Stadt“
Die Berlinale hat eine neue Leitung. Mariette Rissenbeek und Carlo Chatrian
im Gespräch über „dunkle Filme“ und die NS-Vergangenheit von Alfred Bauer.
Filmfestival Berlinale: Immer noch viele Filme im Fluss
Erstmals wird die Berlinale von Carlo Chatrian und Mariette Rissenbeek
geleitet. Im Vorfeld gab es kontroverse Diskussionen.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.