# taz.de -- Macher von „Drømmer“: Dag Johan Haugerud liebt Bilder wie auch… | |
> Der Berlinale-Gewinner Dag hat auch Romane veröffenticht. Sein Film | |
> „Träume“ ist feministisch und queer, ohne offensiv politisch zu sein. | |
Bild: Der norwegische Regisseur Dag Johan Haugerud freut sich über seinen Gold… | |
taz | Berlin Eine Schülerin, Johanne, verliebt sich in eine Lehrerin. Diese | |
erwidert zwar die Kontaktaufnahme, aber nicht die Gefühle, die Johanne | |
ihrerseits für sich behält. Als die Lehrerin ahnt, warum Johanne sie so oft | |
besuchen kommt, bricht sie den privaten Kontakt ab. Johanne hingegen setzt | |
die Begegnung fort, wenn auch bloß in ihrer Fantasie. Sie schreibt ein Buch | |
über die beiden, ergänzt um einige fiktive Momente, in denen Johanne die | |
Liebe, die sie gerade erst für sich entdeckt hat, nicht allein in Worte | |
fasst, sondern ihr auch eine körperliche Ebene verleiht, die, falls das | |
Geschilderte wahr wäre, die Lehrerin in ernste Schwierigkeiten bringen | |
könnte. | |
[1][„Drømmer“ heißt der Film], Träume zu deutsch, dessen Hauptrollen alle | |
weiblich besetzt sind und in dem Männer kaum Sprechrollen haben. Im Zentrum | |
der Erzählung stehen neben Johanne noch ihre Mutter und ihre Oma, die | |
irgendwann ebenfalls Johannes eigentlich bloß für sich selbst geschriebenes | |
literarisches Debüt lesen und, nach anfänglicher Verstörung, als | |
literarisches Werk zu diskutieren beginnen. Sexualität, Emanzipation und | |
Feminismus spielen in ihren Gesprächen eine wichtige Rolle, werden aus | |
Sicht der unterschiedlichen Generationen aber völlig verschieden | |
eingeschätzt. | |
Ein klassischer, zugleich sehr [2][aktueller Film, der politisch ist], ohne | |
dabei offensiv politisch aufzutreten. Dass die Lehrerin als Figur mit | |
Migrationsgeschichte angelegt ist, sieht man zwar zum Beispiel – es spielt | |
ansonsten aber keine weitere Rolle für die Handlung. Der Regisseur Dag | |
Johan Haugerud bekam für seinen Beitrag im [3][Wettbewerb der Berlinale] am | |
Sonnabend den Goldenen Bären für den besten Film verliehen. | |
## Ein Newcomer und doch nicht unbekannt | |
Wer ist Dag Johan Haugerud? Im vergangenen Jahr auf der Berlinale äußerten | |
sich viele Filmkritiker sehr anerkennend über einen Film mit zwei | |
Schornsteinfegern als Hauptfiguren, die viel über Sex sprechen. „Sex“ hieß | |
er denn auch folgerichtig und bildete für Dag Johan Daugerud den Auftakt zu | |
einer Trilogie, die auf Deutsch mit dem Zusatz „Oslo Stories“ im Titel eine | |
Klammer bildet. Der zweite Teil, „Kjærlighet“ (Love), lief im vergangenen | |
September im Wettbewerb von Venedig, mit „Drømmer“ folgte jetzt der | |
Abschluss. Alle drei Filme sollen im Frühling in Deutschland ins Kino | |
kommen. | |
Zuvor hatte man von Dag Johan Haugerud hierzulande nicht viel zu sehen | |
bekommen, dabei ist er alles andere als ein Newcomer. Der 60-Jährige ist | |
in Norwegen nicht allein als Filmemacher bekannt, sondern auch als | |
Schriftsteller. Den Auftakt für seine Laufbahn als Filmemacher bildete der | |
vierminütige Kurzfilm „16 levende klisjeer“ aus dem Jahr 1998. Bevor er | |
dann seine ersten abendfüllenden Filme drehte, veröffentlichte er etwa die | |
Romane „Noe med natur“ (1999) und „Den som er veldig sterk, må også væ… | |
veldig snill“ (2002). Für seine Filme „Wie du mich siehst“ (2012) und | |
„Barn“ (2019) erhielt er in Skandinavien diverse Preise. | |
Haugerud ist damit in einem ganz direkten Sinn Autorenfilmer. Und er hat | |
beruflich auch noch ganz anders mit Büchern zu tun, schließlich arbeitet er | |
in einer Osloer Musikbibliothek. Diese Art von Unabhängigkeit hilft im | |
Zweifel, seine eigene künstlerische Haltung zu entwickeln, ohne allzu viele | |
Kompromisse eingehen zu müssen. Bei der Abschlussgala zeigte sich Haugerud | |
in seiner Dankesrede gerührt und bescheiden, dazu leicht erstaunt über | |
seine Ehrung. Und er hatte etwas zu sagen, was als Rat im Grunde für alle | |
hilfreich sein dürfte: „Schreibt mehr und lest mehr, denn das erweitert den | |
Geist, und das tut uns allen gut.“ | |
23 Feb 2025 | |
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## AUTOREN | |
Tim Caspar Boehme | |
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