| # taz.de -- „Oslo Stories: Liebe“: Norwegischer Sommer auf Augenhöhe | |
| > Wirkt improvisiert, folgt aber doch einem Plan. „Oslo Stories: Liebe“ ist | |
| > der Auftakt zu Dag Johan Haugeruds Filmtrilogie über Begehren und | |
| > Verwandtes. | |
| Bild: Drei unterschiedlich Sensible: Marianne (Andrea Bræin Hovig), Tor (Tayo … | |
| Filme anzupreisen, in denen wenig passiert, aber viel geredet wird, wirkt | |
| schnell verkopft, wenn nicht gar anticineastisch, schließlich gilt als | |
| Kernkompetenz des Kinos das Spektakel. Von Letzterem könnten die Filme des | |
| norwegischen [1][Autors und Regisseurs Dag Johan Haugerud] kaum weiter | |
| entfernt sein. Aber sie gehören trotzdem auf die große Leinwand, denn ihr | |
| subtiler Zauber entfaltet sich da am besten, wo man sich auf so | |
| atmosphärische Feinheiten wie einen Sommer in der Stadt Oslo einlassen | |
| kann. | |
| Mit „Oslo Stories: Liebe“ startet nun einer der Filme Haugeruds, die er als | |
| Trilogie über die Themen Begehren, Beziehungen, Identität konzipierte | |
| ([2][für den letzten, „Träume“, erhielt er den Goldenen Bären auf der | |
| Berlinale]). Da jeder Film für sich steht und es keinerlei Überschneidungen | |
| in Handlung oder Figuren gibt, kann man „Liebe“ zwar nicht als ersten Teil | |
| bezeichnen, sehr wohl jedoch liefert der Film einen wunderbaren Einstieg in | |
| ein besonderes Universum. | |
| Die Figuren, um die es in „Liebe“ geht, sind sich in Freundschaft und Beruf | |
| verbunden, aber – und das ist wichtig für den speziellen Ton dieses Films – | |
| nicht ineinander verliebt. Das erst macht es möglich, dass sie sich | |
| wechselseitig erfrischend offen über das austauschen, was sie in Bezug auf | |
| Sex und Liebe so erleben. | |
| Die Leiden der Männer | |
| Marianne (Andrea Bræin Hovig) lernt man gleich in der ersten Szene kennen. | |
| Als Urologin in einer Klinik muss sie ihren Patienten oft verstörende | |
| Mitteilungen machen. Es ist gut, dass Krankenpfleger Tor (Tayo Cittadella | |
| Jacobsen) bei diesen Gesprächen dabeisitzt, denn er ist empfindsamer für | |
| das, was eine Prostatakrebsdiagnose für Männer bedeuten kann. | |
| Mariannes Freundin Heidi (Marte Engebrigtsen) arbeitet als | |
| Kulturbeauftragte in der Stadtverwaltung. Auch sie ist eine besonders | |
| Sensible: Bei den Vorbereitungen zur Stadtjubiläumsfeier versucht sie eine | |
| Führung zu organisieren, die die Wahrzeichen Oslos proaktiv für | |
| feministische und queere Deutungen öffnen soll. | |
| Dass sie mit diesem Konzept erst mal scheitert, aber vielleicht bei der | |
| Ausrichtung der Feier am Ende auf andere Weise gewinnt, ist nur einer der | |
| vielen kleinen Handlungsstränge in diesem Film, der hinter dem Anschein des | |
| locker Improvisierten doch Tiefe und Plan erkennen lässt. | |
| Wo Heidi mit ihrem Beruf hadert, beschäftigen sich Tor und Marianne in | |
| diesem Sommer in Oslo mit ihrem Liebesleben. Beide sind Single und | |
| kinderlos, gleichsam in einem Zustand des Übergangs. | |
| Vom Zentrum zur Insel Nessoden | |
| Nicht umsonst strukturiert Haugerud seinen Film mit Fahrten auf der Fähre | |
| zwischen Oslo Zentrum und der vorgelagerten Insel Nessoden. Tor hat sich | |
| dort für den Sommer in ein Haus am Wasser eingemietet, und Marianne besucht | |
| den Geologen Ole (Thomas Gullestad), den ihr Heidi als möglichen | |
| Lebenspartner vermittelt hat. | |
| Als sie sich zum ersten Mal auf der Fähre begegnen, beschreibt Tor einer | |
| amüsierten Marianne, wie er die Fähre und die Grindr-App zusammen nutzt, um | |
| Männer für schnellen Sex zu auszusuchen. Marianne wird es ihm an einer | |
| Stelle nachtun, aber dabei etwas ganz anderes über sich entdecken. Tor | |
| wiederum lässt seinerseits das hedonistische Treiben bald hinter sich, fast | |
| gegen die eigene Absicht. | |
| Haugeruds Inszenierung der sommerlichen Stadt und ihrer Rituale ist | |
| verhalten und stimmungsvoll. Man hört diesen Menschen gerne zu. Sie bemühen | |
| sich oft um radikale Ehrlichkeit, aber als Zuschauer erlebt man auch | |
| hautnah mit, wie oft sie das Gegenteil dessen tun, was sie ankündigen. | |
| Dabei lässt Haugeruds Inszenierung nie zu, dass man sich über seine Figuren | |
| erhebt. Auch wenn sich die Kamera per Drohne in den Himmel über Oslo | |
| schwingt, bleibt man mit ihnen auf Augenhöhe. | |
| 16 Apr 2025 | |
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| ## AUTOREN | |
| Barbara Schweizerhof | |
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