# taz.de -- Drama über Geflüchteten: Die Konservative, der Geflüchtete und i… | |
> Die Regisseurin Angelina Maccarone setzt in „Klandestin“ auf | |
> Perspektivwechsel. Der Film bleibt dabei im gutgemeinten Gestus stecken. | |
Bild: Ein Monster? Die Politikerin Mathilda Marquardt (Barbara Sukowa) in „Kl… | |
Als sich [1][Angelina Maccarone] zuletzt dem komplexen Feld der Migration | |
filmisch annäherte, traf die deutsche Regisseurin einen Nerv. Ihr Film, | |
„Fremde Haut“, über eine lesbische [2][Iranerin], die nach einer | |
aufgeflogenen Affäre mit einer verheirateten Frau vor Verfolgung nach | |
Deutschland flieht und sich nur durch die Annahme einer männlichen | |
Identität in Sicherheit wiegen kann, war seiner Zeit weit voraus. | |
Im Jahr 2005, als das Drama in den Kinos erschien, wurden sexuelle | |
Orientierung und [3][geschlechtliche Identität in Deutschland selten als | |
Asylgrund] anerkannt und führten oft nur zu einer sogenannten Duldung. | |
Angelina Maccarone richtete damit früh den Blick auf eine mehrfach | |
marginalisierte Gruppe, die bis heute kaum eine Rolle in der öffentlichen | |
Wahrnehmung spielt. Mehr noch, „Fremde Haut“ macht das Systemversagen | |
nachfühlbar und zeigt mit Fariba (Jasmin Tabatabai) eine vielschichtige | |
Hauptfigur, die in ständiger Angst vor Enttarnung lebt – die sich letztlich | |
dennoch nach ihren Möglichkeiten behauptet. | |
Fast zwei Jahrzehnte später will Angelina Maccarone an diese Mischung aus | |
filmischer Ambition und gesellschaftlichem Engagement anschließen. Und | |
vielleicht hätte „Klandestin“ zumindest noch einen gewissen Neuigkeitswert | |
auf seiner Seite, wäre dieses Drama nicht erst viele Jahre, nachdem die | |
Idee dazu zustande kam, realisiert worden. Das Skript wurde bereits 2017, | |
[4][kurz nach der Hochphase der sogenannten europäischen | |
„Flüchtlingskrise“], mit dem Deutschen Filmpreis ausgezeichnet, als bestes | |
unverfilmtes Drehbuch. | |
## Die Brisanz ist abgekühlt | |
Was damals noch frisch und brisant wirken mochte, hat seine Entstehungszeit | |
allerdings nicht überdauert. Statt mit Relevanz oder Reibung kann | |
„Klandestin“ heute nur noch mit guten Absichten und einer klaren Haltung | |
aufwarten und wirkt dabei seltsam aus der Zeit gefallen. | |
Das Problem beginnt bei einer der zentralen Figuren, die als Antagonistin | |
fungieren soll: Mathilda Marquardt (Barbara Sukowa) ist hessische | |
Europabevollmächtigte und, so wird immer wieder behauptet, eine | |
ausgesprochen konservative Politikerin. Tatsächlich tritt sie jedoch mit | |
Forderungen vor die Presse, die beinahe hinter dem zurückbleiben, auf das | |
sich Union und SPD gerade in ihrem Koalitionsvertrag geeinigt haben. | |
Hinter dem, was der nächste Bundeskanzler bereits an Unsäglichem in | |
Polit-Talkshows von sich gegeben hat, sowieso. Mehr noch als am Faktor | |
„Zeit“ aber leidet „Klandestin“ daran, dass dem Film die | |
Ambiguitätstoleranz fehlt. Der Hang, alles zu vereindeutigen, führt dazu, | |
dass das moralische Dilemma, das folgen soll, von Beginn an schwächelt. | |
Vor allem Mathilda Marquardt ist es, die in einen Gewissenskonflikt gerät: | |
Ihr bester Freund Richard (Lambert Wilson), ein Maler aus Großbritannien, | |
bittet sie um ein Visum für den jungen Malik (Habib Adda) aus Marokko. Sie | |
haben sich in Tanger kennengelernt, und ohne Richards Wissen hat sich Malik | |
in seinem Van versteckt, als er sich für eine Vernissage auf den Weg nach | |
Frankfurt machte. | |
## Die Figuren folgen simplen Mustern | |
Mit dem Visum kann die konservative Politikerin zwar nicht aushelfen, aber | |
sie sagt widerwillig zu, den jungen Mann bei sich aufzunehmen, während | |
Richard für ein paar Tage nach London reist. Ein riskantes Unterfangen für | |
Mathildas öffentliches Ansehen, vor allem aber für Malik: Auf sich allein | |
gestellt, streift er durch ein Frankfurt, in dem gerade ein Bombenangriff | |
auf eine große Bank stattgefunden hat. Unwissentlich gerät er in Kontakt | |
mit den Tätern und damit später auch in den Fokus der Ermittlungsbehörden. | |
Da die Figuren simplen dramaturgischen Mustern folgen, ist alles Weitere | |
absehbar: Malik ist der gutherzige Geflüchtete, dem beinahe ausschließlich | |
Schlechtes widerfährt. Mathilda ist die erzkonservative Politikerin, die | |
unerbittlich handelt. Amina (Banafshe Hourmazdi), die als vierte Hauptfigur | |
eingeführt wird, eine junge Anwältin mit Migrationsgeschichte, will als | |
Mathildas neue Assistentin den beruflichen Aufstieg schaffen, entscheidet | |
sich letztlich aber immer für Integrität und Empathie. | |
Es sind Figuren, die weniger durchleben als verkörpern sollen. Sie stehen | |
für das Richtige oder das Falsche, aber kaum je für Ambivalenz oder | |
Entwicklung. Gerade deshalb wirkt „Klandestin“ trotz seines | |
multiperspektivischen Erzählansatzes oft flach. Zwar wird die Geschichte in | |
Fragmenten erzählt, springt zwischen Blickwinkeln hin und her, versucht, | |
innere Motivationen auszuleuchten – aber dieser Kunstgriff führt selten zu | |
überraschenden Einsichten. | |
Dass Mathilda Marquardt gar kein Monster ist, sondern sich eigentlich nur | |
nach Liebe und Nähe sehnt, soll als überraschender Dreh dienen, wirkt aber | |
eher wie ein Pflichtaspekt in einem Drama, das sich unbedingt menschlich | |
geben will. Genau hier aber versagt „Klandestin“: Der Film wirbt für | |
Verständigung, traut seinen Figuren aber kaum echte Widersprüche oder | |
moralische Grauzonen zu. So bleibt er ein gut gemeinter, aber längst nicht | |
gut gemachter Appell. | |
23 Apr 2025 | |
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## AUTOREN | |
Arabella Wintermayr | |
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