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# taz.de -- Wieder im Kino: Triumph des Guten
> Das Arsenal würdigt mit einer Filmreihe das große amerikanische Studio
> Columbia Pictures. „Kiss Me Deadly“ erzählt von einer bizarr verdrehten
> Welt.
Bild: „Mr. Deeds Goes to Town“ (1936), Regie: Frank Capra
Im Bunde der sieben größten Filmstudios des klassischen Hollywood-Systems
bekleidete Columbia eher einen der hinteren Ränge. Große Budgets wie bei
MGM konnte man dort ebenso wenig bieten wie die europäische
„Sophistication“ des Paramount-Studios. Dass man es überhaupt aus der
Poverty Row, dem „Armenhaus“ der Studios, herausgeschafft hatte, verdankte
Columbia in erster Linie dem Studioboss Harry Cohn, der seit 1932 die
Geschäfte führte.
Überaus berüchtigt für seine Vulgarität, besaß Cohn doch zumindest einen
untrüglichen Geschäftssinn, der dem Studio bis zu seinem Tod im Jahr 1957
schwarze Zahlen in den Geschäftsbüchern bescherte. Es mochte ihn trotzdem
niemand: Der Komiker Red Skelton witzelte etwa nach Cohns Ableben, die
Leute auf dessen Beerdigung hätten wohl nur nachschauen wollen, ob er auch
wirklich tot sei.
Wie nicht anders zu erwarten, produzierte Columbia in der Glanzzeit des
Studiosystems Filme in allen erdenklichen Genres und Stilarten. Nachhaltig
geprägt wurden die 1930er und -40er Jahre jedoch von der Zusammenarbeit mit
dem Regisseur Frank Capra, der dort jene berühmten Tragikomödien schuf, für
die der Filmhistoriker Richard Griffith später den Begriff „Fantasy of
Goodwill“ fand: Filme über ein idealisiertes Amerika, in dem stets der
Gemeinsinn der „kleinen“ Leute triumphiert – und zwar in einer Weise, die
Gemeinsinn als individuellen Akt und damit als ausgesprochen amerikanisch
definiert.
Das Zeughauskino zeigt im März als Teil der diesjährigen „Arsenal on
Location“-Reihen die Retrospektive „The Lady with the Torch – Hommage an
Columbia Pictures“, die denn auch mit einem typischen Capra-Film eröffnet.
„Mr. Deeds Goes to Town“ (1936) präsentiert Gary Cooper als Kleinstädter,
der unerwartet zu einem Riesenvermögen kommt und irgendwann beschließt,
dieses an Bedürftige zu verteilen. Woraufhin ihn seine Verwandten für
verrückt erklären lassen wollen – die Geschichte mündet in einem
Gerichtsprozess, in dem der Wohltäter sich geschickt zu rechtfertigen weiß
(1. 3., 19 Uhr, Zeughauskino).
Als eines der bizarrsten Werke des Film Noir kann Robert Aldrichs
Independent-Produktion „Kiss Me Deadly“ (1955) gelten: eine bis ins Absurde
getriebene Mickey-Spillane-Verfilmung, in der Ralph Meeker als Detektiv
Mike Hammer stoisch durch eine vollkommen verdrehte Welt tappt. Die
versteht der nicht besonders helle Hammer ebenso wenig wie seinen Fall, in
dem alle möglichen Leute hinter einem kleinen Köfferchen mit einem
glühenden Atomball herjagen.
Erkennbar ist „Kiss Me Deadly“ eines der großen Vorbilder für das
Meta-Zitat-Kino der Nouvelle Vague, denn im Rahmen seiner Ermittlungen
bekommt es der Detektiv nicht nur mit Gangstern zu tun, sondern auch mit
Gedichtbänden, Caruso-Opernschallplatten und modernen Kunstsammlungen – die
ihn natürlich auch allesamt heftig überfordern. Eine Film Noir-Reihe zeigt
das Babylon Mitte vom 3.3. bis 19.30 (4.3., 22 Uhr, Babylon Mitte).
Auch zu später Stunde immer sehenswert ist der Stummfilm „Häxan“ (1921) d…
aus Dänemark stammenden Regisseurs Benjamin Christensen, der hier in einer
kuriosen Mischung aus Dokumentation, Spielszenen und spekulativem Horror
den Hexenwahn des Mittelalters beleuchtet.
Inhaltlich durchaus aufklärerisch gedacht, gelingt es dem Regisseur dabei
auch ganz gut, die finsteren Zeiten in publikumswirksame Bilder umzusetzen.
Wer sich etwa für die praktische Anwendung von Folterwerkzeugen
interessiert, besucht einfach mal den Stummfilm um Mitternacht, wo Anna
Vavilkina an der Orgel aufspielt. Der Eintritt ist frei (1.3., 23.59 Uhr,
Babylon Mitte).
27 Feb 2025
## AUTOREN
Lars Penning
## TAGS
taz Plan
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Filmgeschichte
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Kino Berlin
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