# taz.de -- Die Wahrheit: Kein schöner Landbus | |
> Nach dem 9-Euro-Ticket soll ein 29-Euro- oder 49-Euro-Ticket kommen. Gut | |
> fürs Landvolk, das trotzdem weiterhin mit den Auto in die Güllebar fährt. | |
Bild: Marie-Agnes „Waffen her!“ Strack-Zimmermann | |
Wenig läuft bekanntlich mieser hierzulande als der öffentliche | |
Personennahverkehr im sogenannten ländlichen Raum. Entsprechend gern und | |
häufig wird er von den Landbewohnern genutzt, als Ausrede vor allem für | |
ihre Kfz-Abhängigkeit. Und warum sie nichts dafür können. | |
„Ja, hätten wir eine U-Bahn vor der Tür, dann täten wir vielleicht auf | |
eines unserer zwei bis vier Kfz verzichten.“ Mal abgesehen davon, dass da, | |
wo es U-Bahnen gibt, die Straßen trotzdem voller Autos sind, haben die | |
Landeier selbstverständlich völlig recht. Der Komfort eines mit Radio, | |
Zigarettenanzünder und Duftbaum, mit Heizung, Massagesitzen, Mösenstövchen | |
und vielen weiteren Annehmlichkeiten ausgestatteten Kfz ist nun mal durch | |
nichts zu toppen. | |
Kein anderes Fortbewegungs- und Transportmittel ist geeigneter für die | |
Erledigung der vielen Erledigungen, die ein durchschnittlicher Landbewohner | |
so erledigen muss. Ob morgens zum Bäcker, mittags in den Baumarkt oder | |
abends in die Güllebar, ob frische Zichten holen oder in den Stall zur | |
Besamung. Um wie viel entspannter lässt sich das alles mit dem eigenen Kfz | |
bewerkstelligen statt mit dem Linienbus. Erst recht, wenn der gar nicht | |
fährt. | |
Wenn allerdings mal einer kommt, dann natürlich immer voll pünktlich – also | |
15 bis 50 Minuten später als angegeben. Oder auch schon mal drei Minuten zu | |
früh. Und das obendrein richtig häufig, nämlich bis zu zweimal täglich: | |
morgens um 5.13 Uhr an ausgewählten Tagen und abends auch – ruft man drei | |
Tage vorher in der Leitstelle an. | |
Ist er dann da, muss der Busfahrer, der auch die hintere Tür öffnet, damit | |
man bequem einsteigen kann, noch erfunden werden. Selbst wenn es gerade wie | |
aus Eimern schüttet und man Kisten dabei hat oder ein sterbendes Kind, | |
heißt es: „Einstieg nur vorne!“ und „Den Fahrschein, bitte!“ – egal,… | |
lange man mit beschlagener Brille nach der Monatskarte kramen muss, bevor | |
man gnädig durchgewunken wird. | |
Und noch während man durch den engen Gang zum Platz tapert, brettern sie | |
los. Heizen durch die nächste Kurve, dass man nur so durchgeschleudert und | |
von den übrigen Fahrgästen – „Guck mal, der doofe Opa, voll lustig, wie d… | |
strauchelt!“ – ausgelacht wird. Vorausgesetzt, es befinden sich weitere | |
Fahrgäste an Bord. | |
Ach ja, die Haltestellen: Die sind auf dem Land nie unter drei Kilometer | |
Fußmarsch zu erreichen. So steht es in den Beförderungsbedingungen. Nach | |
denen auch die Wartehäuschen so gestaltet sein müssen, dass man allen nur | |
denkbaren Einflüssen möglichst schutzlos ausgeliefert ist. Vor praktisch | |
nichts können sie einen Landbusler bewahren. Auch vor der geschwätzigen | |
Mitfahrerin nicht, die einem, noch während man gemeinsam auf den längst | |
überfälligen Bus wartet, erst ihre Lebensgeschichte und anschließend | |
detailreich erzählt, dass letzte Nacht ihre Wärmflasche kaputtgegangen ist. | |
„Stellen Sie sich das mal vor!“ | |
Als Landbusler kann man sich alles vorstellen. | |
15 Nov 2022 | |
## AUTOREN | |
Fritz Tietz | |
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