Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Die Wahrheit: Maskierter Futterräuber
> Da entschließt man sich, unsere gefiederten Freunde ganzjährig
> durchzufüttern – und dann das! Ein Strolch beraubt die Piepmätze ihrer
> Kost.
Bild: Da hätte der Skandalautor einiges wegzulutschen
Nur im Winter? Ich bin klar für die ganzjährige Versorgung unserer
gefiederten Gartenfreunde mit Kernen, Körnern, Rosinen, Nüssen – und
neuerdings sogar getrockneten Mehlwürmern. Für zwölf Euro das halbe Kilo
aus dem Onlinehandel!
Sonst wende ich deutlich weniger auf für die Jungs, wie ich das Geschlecht
der Singvögel bevorzugt lese, beziehe ich doch ihr Futter normalerweise im
hiesigen Restpostenmarkt – für gerade mal 1,15 Euro das Kilo. Alle paar
Wochen radele ich von dort meine drei bis vier Fünf-Kilo-Gebinde nach
Hause, um sie der nimmersatten Bande vor die Schnäbel zu werfen. Nicht zu
fassen, was ein paar Meisen, Kleiber, Zeisige, Stieglitze, Spatzen, Amseln,
Rotkehlchen, Pipapo so weghauen. Die Dompfaffen nicht zu vergessen.
Aber so ist das eben, wenn die angestammte Atzung quasi ausgerottet ist.
Denn genau das treibt uns Verfechter der Ganzjährigen-Schule ja an: Es gibt
nicht mehr genug Insekten. Jedenfalls bei Weitem nicht mehr so viele, wie
das – noch gar nicht so lange her – sehr anschaulich immer an den dicht
besprenkelten Frontpartien von Autos oder Lokomotiven abzulesen war. Ich
hab das sogar mal in einer aufwühlenden Geschichte beschrieben: die vielen
Fliegenleichen vorne am ICE – die I-Tse-Tse-Fliege, harhar. Aber die
Zeiten, als es auf unserer Scholle noch fast so viele Vögel gab wie tote
Insekten nach einer Nachtfahrt an der Windschutzscheibe, sind längst passé.
Aktuell wühlt mich eher auf, dass der Restpostenmarkt plötzlich kein
Vogelfutter mehr führt! Keine Ahnung, warum – und die Frau an der Kasse
spricht nur Ukrainisch. Offenbar hat Putin nun auch die Kerne-Pipelines aus
den russischen Sonnenblumenrevieren abgedreht.
Deshalb musste ich beim Online-Händler ordern. Weiß der Geier, woher die
ihre Ware beziehen, aber Hauptsache, die Jungs müssen nicht darben. Die
Mehlwürmer habe ich übrigens nur genommen, um den Mindestbestellwert für
die kostenlose Lieferung zu erreichen. Ansonsten habe ich mich für zwei
Vier-Kilo-Säcke Luxusmix (1,37 Euro/kg) und ein 2,5-Kilo-Gebinde
Sonnenblumenkerne gestreift (2,80 Euro/kg) entschieden.
Tja. Und dann auch noch das: Der Waschbär, der neulich erst die
Futterstation im Garten plünderte – was für ihn allerdings ein Leichtes
war, wie Fotos aus einer Wildkamera beweisen –, hat nun auch die
vermeintlich waschbärensicher aufgehängte Vorrichtung in der Buche
erklettert, dort die frisch gefüllte Futtersäule trotz doppelter Sicherung
vom Haken gefingert und dann das ganze teure Zeuch ausgekippt und verputzt.
Man konnte das Körner- und Mehlwürmergemetzel morgens gut nachvollziehen am
weithin platt gedrückten Giersch unter der Buche.
Ich habe sofort Stacheldraht gesetzt, was ihn jedoch nicht weiter störte.
Gestern sah ich den frechen und maskierten Schnabelräuber schon wieder
durch den Garten stiefeln. Noch heute bestelle ich den Jäger. Wenn’s sein
muss, online.
28 Jun 2022
## AUTOREN
Fritz Tietz
## TAGS
Kolumne Die Wahrheit
Vögel
Tiere
Diebstahl
Kolumne Die Wahrheit
Literatur
Energiesparen
Kolumne Die Wahrheit
Kolumne Die Wahrheit
Kolumne Die Wahrheit
## ARTIKEL ZUM THEMA
Die Wahrheit: Kein schöner Landbus
Nach dem 9-Euro-Ticket soll ein 29-Euro- oder 49-Euro-Ticket kommen. Gut
fürs Landvolk, das trotzdem weiterhin mit den Auto in die Güllebar fährt.
Die Wahrheit: Lutschen bis zur Halskrause
Rückblick im Zeichen der Energiekrise: Die Brikett-Affäre des Wolfdietrich
Kupsch von 1962.
Die Wahrheit: Hände unter die Achseln
Die Wahrheit-Spartipps für jede Gelegenheit – mit Empfehlungen des
deutschen Bundeskanzlers für den eiskalten Volkskörper im Winter.
Die Wahrheit: Sie haben Postkarte
Marketing muss selbst heutzutage nicht immer digital sein. Auch mit
analogen Aktionen kann man schöne Misserfolge erringen.
Die Wahrheit: Wo bleibt die Müllanfuhr?
Warum der Hausmüll eigentlich noch gesondert abgeholt wird, ist in diesen
Zeiten von Teuerung und Trennung auf allen Ebenen – ein Wunder.
Die Wahrheit: Abwasch am Arsch
Ein Haus voller Besuch, und die Geschirrspülmaschine geht nicht? Ein
kleiner Schritt für den Hausmann, ein großer für die Menschheit.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.