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# taz.de -- Die Wahrheit: Sie haben Postkarte
> Marketing muss selbst heutzutage nicht immer digital sein. Auch mit
> analogen Aktionen kann man schöne Misserfolge erringen.
Bild: Da hätte der Skandalautor einiges wegzulutschen
Postkarte schicken ist der neue heiße Scheiß – zumindest in der
telefonischen Neukundenakquise, die ich brotberuflich für ein
IT-Unternehmen betreibe. CEO Felix gratulierte mir neulich zum Fünfjährigen
und ließ durchblicken, dass sie auch weiterhin auf mich setzen. Obwohl ich
seit zwei Jahren (Corona!) nichts Richtiges mehr gerissen habe an Neukunden
in den Bereichen Netzwerk-Infrastruktur, Enterprise-WLAN, Firewalling
pipapo, aber er so: Egal. Was du machst, ist Langzeit-Marketing. Das kann
ruhig dauern.
Meine Idee, Kunden verstärkt per Postkarte zu gewinnen statt wie bisher
durch Telefonterror, findet er super. Mich brachte Frau Drostel drauf, eine
ohrenscheinlich ältere Dame in der Telefonzentrale einer großen
Versicherung, deren Head of IT ich unsere 1-a-Netzwerkbude telefonisch
präsentieren wollte. Sie bedauerte, mich nicht durchstellen zu dürfen: „Was
meinen Sie, wie viele solcher Anrufe der kriegt.“ Und Mails sowieso. Da
bräuchte ich ihm keine weitere zu schicken, lese er garantiert nicht. „Aber
schreiben Sie ihm doch mal ’ne Postkarte!“, riet sie mir, „so was kriegt
der nie!“ Und das habe ich dann auch gemacht. Und ihr dann auch gleich eine
mit ’ner Blume vorne drauf als Dank für die Anregung.
Der Versand der Karten lässt sich bequem online eintüten über das bestens
organisierte Portal eines auf Postkarten-Marketing spezialisierten
Dienstleisters. Und obwohl alles digital erledigt wird, sehen sie am Ende
echt so aus wie handgeschriebene Postkarten. Dazu kleben sie richtige
Briefmarken drauf und beraten einen sogar ungefragt beim Text, der
natürlich kurz sein muss. Gar nicht so einfach, komplexere IT-Botschaften
in drei, vier möglichst lässige Sätze zu packen, aber, hey, macht Spaß.
Vorderseitenmotive stellt das Portal in reichlicher Auswahl zur Verfügung:
Größtenteils kurze launige Sprüche, von denen einige – mal mehr, mal
weniger gelungen gestaltete Grafiken – durchaus zum Anlass (Klinkenputzen)
passen; ja, es gibt sogar das Motiv „Klinkenputzen“. Eine geschwungene
Türklinke, über der das Wort Klinkenputzer schwebt, aber ich bevorzuge eher
so knallharte Anmachsprüche wie: „Lassen Sie uns das doch machen …“ oder
„Sie haben Post“ oder „Was geht?“
Man kann auch eigene Vorderseiten kreieren, und dafür habe ich mich von
Günther Willens Sprüche-Bestseller („Niveau ist keine Hautcreme“) zu „W…
würden Sie in Zukunft gerne duzen!“ und „(Server-)Raum ist in der kleinsten
Hütte“ anregen lassen. „Guten Tacho!“ selbstverständlich nicht zu
vergessen. Kollege Batu sitzt schon an der grafischen Gestaltung.
Hab sogar versucht, einen berühmten Zeichner für eine Postkarten-Idee zu
gewinnen: Ein Vogelnest in einem Netzwerkschrank mit einem darin brütenden
Vogel. Dazu der Spruch: „Nestwerkprobleme? Wir finden jeden Fehler.“ Äh,
verstehste? Nestwerk, Netzwerk, so doppeldeutig, so witzig … fand er nicht.
So wie ich übrigens auch mit neuer Strategie bisher noch keinen neuen
Kunden.
14 Jun 2022
## AUTOREN
Fritz Tietz
## TAGS
Kolumne Die Wahrheit
Marketing
Deutsche Post
Analog-Hipster
Literatur
Energiesparen
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