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# taz.de -- Privatisierung am Zwischenahner Meer: Versteckte Perle
> Als Spaziergänger einen Blick aufs Zwischenahner Meer werfen? Schwierig.
> Grund ist die Privatisierung des Ufers.
Bild: Wie man sieht: Man sieht nichts
Bad Zwischenahn taz | Niedersachsens Seen, um den Kalaueralarm mal gleich
zu Beginn auszulösen, bevorzugen den Komparativ. Nennenswert sind in dem
Flächenland nämlich nur der Dümmer – [1][der heißt echt so] – sowie das
Steinhuder und das Zwischenahner Meer. Deren Namen rühren laut
Fremdenverkehrsverband von „norddeutschen Sprachgegebenheiten“ her.
Wahrscheinlich würde man letzteren See in dialektal anders gepolten
Regionen auch eher als Weniger bezeichnen, angesichts von den etwa 5,5
Quadratkilomter Fläche des Zwischenahner Meers, und möglicherweise drängt
man deshalb [2][seit mindestens 1868] darauf, die Alternativbezeichnung
„Perle des Ammerlandes“ durchzusetzen. Das klingt wenigstens [3][aufrichtig
provinziell].
Nichts gegen die Provinz! Wir sind ja selbst dorthin gefahren, weil … –
okay, die Vorgeschichte, mit der sich rechtfertigen lässt, dass wir die
Perle des Ammerlandes umrundet haben, ist hier doch noch kurz zu
resümieren. Uns war aufgefallen, dass exakt an jenem Wochenende vor 25
Jahren wir durch einen Zehlendorfer Standesbeamten unser Verhältnis, wie
sagt man, legalisieren lassen hatten. In Erinnerung von seiner nicht
bestellten, aber doch ohne Aufpreis vorgetragenen Rede geblieben ist uns
nur, wie er sie unterbrach, um einem unserer unehelichen Kinder das Klauen
der Hydrokultursteinchen mit den Worten, das sei jetzt aber nicht schön, zu
untersagen. Der ganze Akt hatte dazu gedient, Anrecht auf den
elternunabhängigen Bafög-Satz plus Kinderzuschlag zu erhalten.
Also war uns jetzt nach feiern zumute. Und so spontan, zumal an diesem
silbernen Flitterwochenende zuvor noch ein Abendtermin zu absolvieren war
und am Sonntagabend gleich wieder eine Opernpremiere anstand … Kurz, der
Zug mit Endstation Bad Zwischenahn war das mit Abstand Exotischste, was
sich dazwischenquetschen ließ.
## Rundherum verbaute Ausblicke
Als wir nachts ankamen, war die Perle des Ammerlands nicht zu sehen. Nach
dem Frühstück zogen wir dann zu Fuß los, zur Erkundung der Perle, trotz
Niesels, mit der wechselseitigen tröstlichen Zusicherung, dass man zurück
ja im Zweifel das Boot nehmen könne, wenn es zu lange dauern würde.
Tut es aber nicht. Der Rundweg sind eigentlich nur gute zwei Stunden. Er
führt zunächst durch eine klotzige Wohnanlage, entlang von sechsstöckigen
Apartmenthochhäusern, geschätzt in den frühen 1980ern errichtet, und laut
Karte liegt auf der anderen Seite direkt der Schilfgürtel. Tja, dafür
müssen die Leute in den Häusern während des Sommers vermutlich [4][mit den
Mücken klarkommen].
Von dort aus geht es auf dem Randstreifen eines sandigen Wegs, den die
Radler*innen für sich beanspruchen, über eine Brachfläche nach links,
dann nach rechts in einen Baumbestand, vermutlich Erlen, weil: Irgendwo in
der Nähe muss das Wasser sein.
Am Grund der Perle befindet sich eine Faulschlammschicht, [5][lässt sich
Wikipedia entnehmen]. Die Perle wird gespeist von Fließgewässern, die beim
Rundweg zu überqueren sind. Flöge man drüber, könnte man die Perle des
Ammerlandes wahrscheinlich gut erkennen, die, auf der Landkarte betrachtet,
wirklich annähernd rund zu sein scheint. Sie zu überfliegen wäre auch von
daher angemessen, weil die Perle des Ammerlandes laut einer örtlichen Sage
entstanden ist, weil der Teufel einen Wald, den er auf die im Bau
befindliche erste Kirche der nahegelegenen Stadt Oldenburg hätte schleudern
wollen, hier ausgerissen habe und mit diesem dann durch die Lüfte
davongeeilt sei.
## Doch noch einen Blick auf die Perle
Das Teuflische entzieht sich oft den menschlichen Augen. Es wäre aber
völlig falsch zu behaupten, es sei gar nicht möglich, einen Blick auf die
Perle zu werfen. So haben einige der Villen statt der von vielen anderen
Uferinhabern genutzten [6][blickdichten Buchenhecken] auf Rhododendren
gesetzt. Durch deren fleischige Blätter dringt ab und zu ein Lichtreflex
der Wellen.
Auch gibt es in den Ortschaften Schiffsanlegestellen, die der Allgemeinheit
zugänglich sind. Eine Bucht hat zudem das Jugendherbergswerk für seine
Segelschule ergattert, die so strikt nicht von den neugierigen Blicken der
Öffentlichkeit abgeschottet ist.
Und auf der Nordseite geht vom eigentlichen Rundweg, ähnlich einer
Stichstraße, ein Pfad nach rechts ab, über den sich nach rund 300 Metern
das Ufer erreichen lässt, wo ein Holzsteg angebracht ist, der durch den
Schilfgürtel hindurch bis direkt auf die Wasserfläche hinausführt. Von dort
aus ist die Perle dann wirklich uneingeschränkt gut zu sehen.
21 Nov 2022
## LINKS
[1] https://www.nlwkn.niedersachsen.de/download/58232/Duemmer.pdf
[2] https://www.google.de/books/edition/Europa/H1ZEAAAAcAAJ?hl=de&gbpv=1&am…
[3] https://www.lyrix.at/t/lotto-king-karl-hamburg-meine-perle-original-1c3
[4] https://www.ardalpha.de/wissen/natur/tiere/insekten/asiatische-tigermuecke-…
[5] https://de.wikipedia.org/wiki/Zwischenahner_Meer
[6] https://www.gartentipps.com/so-wird-die-hecke-blickdicht.html
## AUTOREN
Benno Schirrmeister
## TAGS
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