Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Erde als Wärmespeicher: Das Zukunftshaus
> Ist es möglich, ein Mehrfamilienhaus so zu sanieren, dass es sämtliche
> Energie, die es verbraucht, selbst produziert? Berlin versucht es.
Bild: Ein erster Schritt: das Zukunftshaus
Berlin taz | Das Haus der Zukunft versteckt sich, in der Havensteinstraße
im verschlafenen Stadteil Lankwitz im Süden Berlins, und sieht von außen
überhaupt nicht futuristisch aus. Lediglich zwei große Solarpaneele an der
hellgelben Fassade unterscheiden das in den 50er Jahren errichtete
Mehrfamilienhaus von den benachbarten Wohnblöcken. Doch der Schein trügt.
Das „Zukunftshaus“, so der offizielle Titel des Modellprojekts des
landeseigenen Wohnungsunternehmen Degewo, ist vollgepackt mit modernsten
Techniksystemen, die Energie sparen, erzeugen und speichern.
## Der Traum vom autarken Haus
„Das Ziel war eine vollständige Versorgung mit Eigenenergie“, erklärt
Christian Ciaglia, Leiter der Abteilung Energielieferung, die Grundidee des
Projekts. Bereits 2016 beschloss die Degewo, mit dem Zukunftshaus
auszuloten, was im Bereich energetische Sanierung technisch machbar ist.
Ciaglia steht vor der Wiese des Hauses und deutet auf die Solarpanele auf
dem Dach: „Die Kollektoren erzeugen nicht nur Strom, sondern auch Wärme.“
Diese wird in einem Energietank vor dem Haus für den Winter gespeichert.
Der „Tank“ besteht eigentlich nur aus Erde, die zum Teil mit einer
Isolierung umgeben ist. Die Wärme wird durch ein Rohrsystem in anderthalb
Meter Tiefe geleitet und heizt das Erdreich um ein paar Grad auf.
Die Erde vermag die Energie auch über mehrere Monate hinweg zu speichern.
Es ist zwar nur ein geringer Temperaturunterschied, aber entscheidend, um
mit den [1][Wärmepumpen] warmes Wasser und Heizenergie erzeugen können.
„Sobald draußen die Sonne scheint oder es wärmer als im Tank ist, wird der
Speicher durch das Dach nachgeladen“, erklärt Ciaglia.
## Neue Heizungen; alte Gewohnheiten
Durch modernste Dämmung und Belüftungssysteme verliert das Haus theoretisch
kaum Wärme. Doch dass Theorie und Praxis zwei sehr unterschiedliche Dinge
sein können, beweist auch das Zukunftshaus. Fünf Jahre nach der Sanierung
lassen sich aus dem Projekt wertvolle Erkenntnisse ableiten, welche
Maßnahmen gut funktionieren und welche sich weniger bewährt haben.
So ist der Erdspeicher viel zu klein dimensioniert und war in den
vergangenen Jahren schon im November erschöpft. Das Gebäude muss für den
Rest des Winters mit konventioneller Gaswärme versorgt werden.
Dazu kommt, dass viele Mieter:innen noch per Hand lüften, indem sie das
Fenster auf Kipp stellen. Dadurch geht wertvolle Wärmeenergie verloren.
„Das ist gelerntes Verhalten, dass kriegt man nicht so einfach raus“, sagt
Ciaglia. Auch mehrmalige Infokampagnen mit speziell geschulten
Mieter:innen aus dem Haus hätten nichts gebracht. Kurz hätte die Degewo
erwogen, die Kippfunktion komplett aus den Fenstern zu entfernen, doch zu
dieser harten Maßnahme konnte man sich doch nicht durchringen.
Das Ziel, den kompletten Energiebedarf selbst zu decken, konnte daher nicht
erreicht werden. Dennoch sind die Ergebnisse beachtlich: Über 80 Prozent
weniger Strom- und Wärme als vor der Sanierung benötigt das Gebäude.
Angesichts der extrem gestiegenen Energiepreise müssen sich die
Mieter:innen des Zukunftshauses wenig Sorgen über exorbitante
Nachzahlungen machen.
Das kompensiert ein wenig die Mieterhöhung von 5 auf 8 Euro, mit der die
Degewo die überdurchschnittlich hohen Kosten von 1.800 Euro pro Quadrameter
refinanziert. [2][Ohnehin sind energetische Sanierungen bisher weniger ein
technisches, sondern ein wirtschaftliches Problem] – weder
Eigentümer:innen noch Mieter:innen sind bisher besonders erpicht
darauf, die Kosten energetischer Modernisierungen zu tragen. Macht sich die
Sanierung auf der Nebenkostenabrechnung bemerkbar, wird sie zumindest für
Mieter:innen attraktiver.
## Gebäude fressen zu viel Energie
Um die Klimaziele der Bundesregierung zu erreichen, [3][muss der
Energieverbrauch im Gebäudesektor drastisch sinken]. Derzeit wird fast die
Hälfte der in Berlin verbrauchten Energie für den Betrieb von Gebäuden
verwendet. Bis 2050 will die Bundesregierung den Energieverbrauch im
Gebäudesektor um 80 Prozent reduzieren. Ein Erreichen dieses Ziels ist nur
möglich, wenn der Wohnungsbestand umfassend saniert wird.
Um die Vorgaben einzuhalten, müsste sich die Geschwindigkeit, mit der
Gebäudebestand modernisiert wird, vervierfachen. Statt wie bisher rund
12.000 müssten 55.000 Gebäude pro Jahr auf ein energetisches Niveau
gebracht werden, das dem des Zukunftshauses entspricht, so die Studie
[4][„Berlin Paris-konform“]. Bei der Bewältigung dieser Mammutaufgabe ist
das Zukunftshaus nur ein erster Schritt.
15 Nov 2022
## LINKS
[1] /Der-Weg-zum-Oeko-Haus/!5871994
[2] /Energetische-Sanierung/!5879233
[3] /Studie-zum-klimagerechten-Wohnen/!5831698
[4] https://www.berlin.de/sen/uvk/klimaschutz/klimaschutzpolitik-in-berlin/berl…
## AUTOREN
Jonas Wahmkow
## TAGS
Erneuerbare Energien
GNS
Schwerpunkt Stadtland
Energiekrise
wochentaz
Zukunftsvision
Schwerpunkt Stadtland
## ARTIKEL ZUM THEMA
Museum der Arbeit in Hamburg: Per Knopfdruck in die Galaxis
„Wie alles begann – Von Galaxien, Quarks und Kollisionen“: Eine
außergewöhnliche Reise ins Universum zeigt, dass die Zukunft schon da ist.
Privatisierung am Zwischenahner Meer: Versteckte Perle
Als Spaziergänger einen Blick aufs Zwischenahner Meer werfen? Schwierig.
Grund ist die Privatisierung des Ufers.
Energetisches Bauen in Berlin: Leben im Ökolabor
Wer wohnt, verbraucht Energie - zumindest normalerweise. Denn mit einer
energetischen Bauweise sinkt der Verbrauch. Doch auch die Bewohner müssen
dabei mitmachen.
taz-Klimaserie: Löchrige Gebäudedämmung
Über 30 Millionen Tonnen CO2 will die Bundesregierung reduzieren, indem
Häuser weniger Energie verbrauchen. Doch das Vorhaben der großen Koalition
ist ambitionierter als dessen Umsetzung.
Umwelt: Viel Haus für wenig Energie
Der Berliner Umweltpreis geht in diesem Jahr an ganz unterschiedliche
Projekte: eine Wohnungsbaugesellschaft, eine Bürgerinitiative aus
Lichtenrade und eine Schule in Malchow
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.