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# taz.de -- Zwist vor EU-Gipfel: Scholz’ unangenehme Reise
> Zwischen Frankreich und Deutschland herrscht schlechte Stimmung. Grund
> sind Meinungsverschiedenheiten in der Verteidigungs- und Energiepolitik.
Bild: Jetzt lächelt er noch: Scholz kommt auf dem Gipfel in Brüssel an
Brüssel/Berlin taz | Kanzler Olaf Scholz nutzt die Regierungserklärung am
Donnerstag vor allem, um deutsche Ängste zu dämpfen, weniger die Sorgen der
europäischen Partner. Die Lage sei schwierig, aber man habe alles im Griff.
Die deutschen Gasspeicher seien früher als geplant zu 95 Prozent gefüllt.
Die Preise seien viel zu hoch, aber dank der 200 Milliarden schweren
Gaspreisbremse der Ampel sei auch da alles auf bestem Wege: „Niemand, keine
Familie, keine Rentnerin, kein Student und auch kein Unternehmen soll Angst
haben, von den Preisen für Strom, Gas oder Fernwärme überfordert zu
werden.“ Ein riskanter Satz, der dem sonst so vorsichtigen Scholz im Winter
wohl noch oft unter die Nase gerieben werden wird.
Kurz vor 11 Uhr verlässt Scholz die Bundestagsdebatte – er muss nach
Brüssel. Dort wartet Ärger. In der EU sind nicht alle glücklich mit dem
Berliner Kurs. Sogar der sonst rauflustige Oppositionsführer Friedrich Merz
wünscht dem Kanzler ganz staatstragend „jeden möglichen Erfolg in der EU“.
In der EU gibt es Kritik an der deutschen Gaspreisbremse – Berlin handele
egoistisch und nutze seine finanzielle Potenz auf Kosten anderer. Scholz
verteidigt seinen Kurs. 200 Milliarden für gut zwei Jahre seien „zwei
Prozent vom BIP“ – und genau so viel würden auch Frankreich, Italien und
Spanien für ihre nationalen Gaspreisdeckel locker machen.
Der deutsche Kurs für die Verhandlungen in Brüssel ist klar erkennbar:
Einmal Ja und zwei Mal Nein. Scholz befürwortete einen gemeinsamen Einkauf
von Gas durch die EU. Doch einen EU-weiten Gaspreisdeckel lehnt die Ampel
ab. Damit sei die Gefahr verbunden, so Scholz, dass „die Produzenten ihr
Gas anderswo teurer verkaufen und wir Europäer nicht mehr Gas bekommen,
sondern weniger“. Man werde sich daher Pläne für einen Gaspreisdeckel in
der EU „sehr genau“ anschauen. Der Kanzler hofft, Gasexporteure wie die
USA, Norwegen und Kanada zu Preissenkungen bewegen zu können.
Das zweite Nein gilt der Forderung, massiv EU-Mittel für die
Krisenbekämpfung locker zu machen – so wie mit dem
750-Milliarden-Corona-Fonds, den Scholz als Finanzminister mitinitiiert
hatte. Das sei nun unnötig. Von den 750 Milliarden stünden, so Scholz im
Bundestag, noch 600 Milliarden zur Verfügung, mit denen erneuerbare
Energien finanziert werden können.
## Scholz kämpferisch
In Brüssel angekommen, gibt sich Scholz kämpferisch. „Es ist ganz klar,
dass Deutschland sehr solidarisch gehandelt hat“, bügelt er die Kritik ab.
„Wir sind die größten Unterstützer Europas“, verweist er auf den deutsch…
Beitrag zum EU-Budget. Doch daran zweifelt sogar sein engster EU-Partner,
der französische Staatschef Emmanuel Macron. Am Vortag des EU-Gipfels hatte
Macron die jährlichen deutsch-französischen Regierungskonsultationen
abgeblasen. Er begründete dies mit Terminproblemen wichtiger deutscher
Minister, in Berlin wurde auf die Herbstferien verwiesen.
Der wahre Grund sind jedoch Meinungsverschiedenheiten in der Verteidigungs-
und Energiepolitik. In Paris komme es nicht gut an, dass Scholz
US-Kampfjets kauft, statt deutsch-französische Rüstungsprojekte zu fördern,
berichtet Le Monde. Auch der deutsche Alleingang beim geplanten neuen
Luftabwehrsystem stieß Macron sauer auf. Den größten Zoff gibt es aber in
der Energiepolitik.
Scholz ärgert sich über die französische Blockade bei der
Midcap-Gaspipeline von Spanien nach Deutschland. Macron ist sauer, weil
Scholz ihn nicht in seinen Plan zur deutschen Gaspreisbremse eingeweiht hat
und nun auch noch einen EU-weiten Preisdeckel blockiert. „Es ist nicht gut,
dass sich Deutschland isoliert“, sagte Macron zum Auftakt des EU-Gipfels.
Er wolle sich bei dem zweitägigen Treffen um europäische Einheit bemühen.
Zunächst setzte er sich mit Scholz jedoch zu einem Vier-Augen-Gespräch im
Brüsseler Ratsgebäude zusammen. „Wir reden noch miteinander“ – zumindest
dieses Signal ging von der deutsch-französischen Aussprache aus.
Ob das reicht, um den EU-Gipfel zu retten, ist fraglich. Frankreich weiß in
der wichtigen Frage eines Gaspreisdeckels die Mehrheit der 27 EU-Staaten
hinter sich. Deutschland ist in der Defensive, gibt sich aber wenig
kompromissbereit. Einige schwierige Fragen könne man ja auch noch nach dem
Gipfel „vertiefen“, sagte Scholz. Nach unbedingtem Willen zur Einigung
klang das nicht.
20 Oct 2022
## AUTOREN
Eric Bonse
Stefan Reinecke
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Olaf Scholz
Europäische Union
Energiekrise
Verteidigung
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