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# taz.de -- EU-Gipfel am Donnerstag und Freitag: Dicke Luft schon vor Beginn
> Die EU-Staaten streiten über Gaspreisdeckel und den deutschen
> „Doppelwumms“ zur Entlastung. Es droht eine folgenschwere Pleite.
Bild: Läutet schon mal den Streit ein: EU-Kommissionschefin Ursula von der Ley…
Brüssel taz | Es ist bereits der dritte EU-Gipfel, bei dem die
[1][Energiekrise] im Mittelpunkt steht. Bei ihrem Treffen am Donnerstag und
Freitag in Brüssel müssen die 27 Staats- und Regierungschefs den gordischen
Knoten durchschlagen und Maßnahmen gegen die Mondpreise bei Gas und Strom
beschließen. Doch schon vor Beginn des Treffens herrschte dicke Luft.
Deutschland und Frankreich konnten sich nicht auf eine gemeinsame Linie
einigen und sagten überraschend die für kommende Woche geplanten
Regierungsgespräche ab. Sie sollen im Januar nachgeholt werden. Streit gibt
es auch über [2][den bis zu 200 Milliarden Euro teuren deutschen
„Doppel-Wumms“], wie Bundeskanzler Olaf Scholz sein Entlastungspaket
genannt hatte. Und um den Gaspreisdeckel, den 15 EU-Staaten mit Nachdruck
fordern, den Berlin aber ablehnt.
Eigentlich sollten diese Probleme schon im Vorfeld ausgeräumt werden. Mit
eigenen Vorschlägen wollte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen
am Dienstag das monatelange, nervenzehrende Tauziehen beenden und den Weg
zu bezahlbaren Gas- und Strompreisen weisen. Doch ihre Vorschläge stellen
niemand zufrieden.
Von der Leyen schlägt zwei Kompromisse vor: 40 Milliarden Euro aus dem
EU-Budget sollen umgewidmet werden, um damit Entlastungen von den
exorbitanten Energiepreisen zu finanzieren. Außerdem sollen gemeinsame
Gaskäufe für niedrigere Preise sorgen. Der Vorschlag der EU-Kommission
betrifft allerdings nur 15 Prozent des Gesamtvolumens.
## Kein fester Preisdeckel
Das reicht vielen EU-Staaten nicht – genauso wenig wie der „Not-Deckel“,
den von der Leyen im Gasmarkt plant. Statt eines festen Limits sieht sie
vor, dass im Fall extremer Preise als letztes Mittel ein „beweglicher“
Preisdeckel kommen könnte. Er soll sich an die Entwicklung an den
internationalen Märkten anpassen und so extreme Ausschläge verhindern, wie
es sie im Sommer gab.
Die Kommissionschefin kommt damit Deutschland und den Niederlanden
entgegen, die einen festen Preisdeckel ablehnen. Berlin fürchtet, dass ein
fixes Limit die Versorgungssicherheit gefährden könnte, weil Schiffe mit
Flüssiggas dann nicht mehr Europa ansteuern würden, sondern lukrativere
Regionen etwa in Asien.
Um dies zu verhindern, hatte Belgien einen „dynamischen“ Deckel
vorgeschlagen. Doch selbst dieser Kompromiss findet sich im
Kommissionsentwurf nur verwässert wieder – als letztes Mittel im akuten
Notfall. Zudem ist von der Leyen viele Details schuldig geblieben, die
praktische Umsetzung bleibt unklar. Beim EU-Gipfel am Donnerstag werden
deshalb lange und hitzige Diskussionen erwartet.
„Dies wird der wichtigste Gipfel seit langem“, warnt der belgische Premier
Alexander De Croo, der bereits seit dem Frühjahr einen Gaspreisdeckel
fordert. Von einer „entscheidenden Etappe“ spricht die belgische
Energieministerin Tinne Van der Straeten. Alles hänge jetzt von der
schnellen Umsetzung ab.
Ähnlich äußerte sich Spaniens Energieministerin Teresa Ribera. „Obwohl
Fortschritte in einem noch nie dagewesenen Tempo erzielt werden, sind wir
noch weit davon entfernt, Lösungen zu finden, die auf Dauer Bestand haben
können“, sagte sie. Die Vorschläge aus Brüssel reichten nicht aus.
Ganz anders klingt es in Berlin. Man rechne am Donnerstag zwar mit
intensiven und langen Diskussionen, die sich bis in den Abend ziehen
könnten, hieß es in deutschen Regierungskreisen. Die Vorschläge gingen
jedoch in die richtige Richtung. „Wir sind optimistisch, dass wir einen
guten Kompromiss finden“, sagte ein Insider in Berlin.
## Inflation in manchen Ländern bei 20 Prozent
Es wird höchste Zeit. Über die Energiekrise diskutiert die EU bereits seit
einem Jahr, ohne greifbaren Erfolg. Die Preise für Gas und Strom sind
regelrecht explodiert – nicht zuletzt, weil sich Deutschland und andere
Mitgliedsstaaten bei ihren Kauf-Angeboten auf den Märkten wechselseitig
überboten haben, wie von der Leyen am Mittwoch lauthals beklagte.
Wenn die 27 EU-Chefs keine Lösung finden, droht eine schwere Energie- und
Wirtschaftskrise, mit zahlungsunfähigen Bürgern und insolventen
Unternehmen. Die von den Energiepreisen getriebene Inflation ist jetzt
schon außer Kontrolle: Die EU-Statistikbehörde Eurostat in Luxemburg
meldete am Mittwoch eine EU-weite Teuerungsrate für den September von 10,9
Prozent.
In den baltischen Ländern und in Ungarn liegt sie teilweise schon über 20
Prozent. Die offizielle Zielmarke in der Eurozone liegt dagegen bei zwei
Prozent. Sie wurde schon im vergangenen Jahr gerissen. Die wirtschaftlichen
Folgen von [3][Russlands Krieg gegen die Ukraine] haben die Inflation also
von einem bereits vergleichsweise hohem Niveau aus weiter verschärft.
20 Oct 2022
## LINKS
[1] /Energiekrise/!t5872932
[2] /Entlastungspaket-der-Bundesregierung/!5882339
[3] /Schwerpunkt-Krieg-in-der-Ukraine/!t5008150
## AUTOREN
Eric Bonse
## TAGS
Energiekrise
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Ampel-Koalition
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Richard David Precht
Ampel-Koalition
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